Die Axa Schweiz zieht sich aus der Vollversicherung zurück. Ab 2019 wird die heutige Vollversicherung in teilautonome Stiftungen umgewandelt. Die Risiken für Invalidität und Tod werden nach wie vor durch die Axa Versicherung getragen, die Risiken für das Anlageergebnis – aber auch die Chancen – tragen neu die Stiftung, bzw. die Versicherten. Vor rund 15 Jahren hatte die Zürich Versicherung einen ähnlichen Schlussstrich gezogen, weil sie die regulatorischen und politischen Risiken in ihrem BVG-Geschäft reduzieren wollte.

Diese unternehmerischen Entscheide reflektieren nicht nur veränderte Kundenwünsche, sondern resultieren aus immer strengeren regulatorischen Zwängen. Autonome Pensionskassen sind den kantonalen BVG-Aufsichten unterstellt, während sich Versicherer vor der Finma verantworten müssen. Die Anforderungen beider Aufsichten sind aber unterschiedlich. Die Finma verlangt die Verwendung tieferer technischer Zinsen als die BVG-Aufsichten für die teilautonomen Kassen. Damit wiegen künftige Verpflichtungen schwerer auf der Bilanz der Versicherer und müssen durch zusätzliches Kapital gedeckt werden. Auch formuliert die Finma strenge Kapitalvorschriften, die für teilautonome Pensionskassen nicht gelten. Dadurch verteuern sich Anlagestrategien der Versicherer, die höhere Aktien- oder Immobilienquoten beinhalten würden – was sich negativ auf die erwarteten Renditen auswirkt. Ob die Finma zu streng oder die BVG-Aufsichten zu lasch regulieren, ist eine offene Frage. Die Spiesse sind jedenfalls für die unterschiedlichen Akteure ungleich lang.

Kein Freibier in der Altersvorsorge

Der Wechsel in die teilautonome Welt kann den Regulierungsdruck reduzieren. Axa verweist in ihrer Medienmitteilung auf die tieferen Risikoprämien, die durch den Regimewechsel resultieren. Doch die Versicherungsleistungen ändern sich ebenfalls: Die Anlagerisiken tragen neu die Versicherten. Wer auf eine Vollkaskoversicherung verzichtet, kann mit den eingesparten Prämien gewiss ein teureres Auto kaufen. Kann er sich jedoch im Schadenfall einen Ersatzwagen leisten? Manche schon, andere nicht.

Anders als beim Mikado-Spiel macht Immobilismus beim Umwandlungssatz alle aktiven Arbeitnehmer zu Verlierern. (vug)

Die Gewerkschaften, denen das Vollversicherungsmodell stets ein Dorn im Auge ist, werden sich kurzfristig über den Rückzug der Axa freuen. Doch es handelt sich nur um einen Pyrrhussieg. Das Schutzbedürfnis vieler KMU gegen starke Kapitalmarktschwankungen für ihre betriebliche Vorsorge bleibt bestehen. Bietet die Versicherungsbranche diesen Schutz nicht mehr (oder weniger), so werden Unternehmen Reserve «für den Fall der Fälle» aufbauen. Auch das verursacht Kosten. Oder man setzt auf das Prinzip Hoffnung und nimmt im Fall einer Sanierung der eigenen Pensionskasse Einsparungen, zum Beispiel im Personalbereich, in Kauf.

Es gibt kein Richtig oder Falsch. Beide Modelle, Vollversicherung ebenso wie teilautonome Lösungen, bieten Vorteile und entsprechen unterschiedlichen Bedürfnissen. Es ist aber schade, wenn die Wahl nicht mehr den Kunden überlassen wird, weil das regulatorische Korsett die Produktevielfalt nicht mehr ermöglicht.

Die ganze Branche – auch teilautonome Kassen – betroffen

Der Rückzug von Axa aus der Vollversicherung hat einen Einfluss auf die ganze Branche. In der Vollversicherung verschwindet der zweitgrösste Anbieter. Betroffene Kunden, die eine Vollversicherungslösung nach wie vor wünschen, werden auf die restlichen Anbieter Allianz, Bâloise, Helvetia, Pax und Swiss Life ausweichen müssen. Doch nicht jeder wird eine Offerte erhalten. Auch die anderen Versicherer kämpfen mit den gleichen regulatorischen Zwängen wie die Axa und sind in den letzten Jahren bei der Annahme neuer Kunden selektiv geworden.

In der teilautonomen Welt wird Axa neu der grösste Player sein und tritt mit einem eigenen Vertrieb auf. Zudem verspricht Axa in ihrer Medienmitteilung, ihre Risikoprämien um 30% zu senken. Bisher konnten die teilautonomen Sammelstiftungen bei der Preisfestlegung dieser Risikoprämien auf den «Schutzschild» der grossen Versicherer setzen. Letztere müssen die Prämien hoch halten, um Verluste bei der Pensionierung der Neurentner auszugleichen. Von diesen höheren Preisen profitierten auch die teilautonomen Kassen, die somit ebenfalls Pensionierungsverluste kompensieren konnten. Dieser Schild fällt nun teilweise weg, der Wind der Konkurrenz für teilautonome Sammelstiftungen wird rauer.

Grundprobleme nicht gelöst

Die zunehmende Bedeutung teilautonomer Lösungen, akzentuiert durch den jetzigen Rückzug von Axa aus dem Vollversicherungsgeschäft, darf über die Ursachen dieser Malaise in der zweiten Säule nicht hinwegtäuschen. Die Rentenversprechen der beruflichen Vorsorge sind aufgrund des im Gesetz festgelegten Mindestumwandlungssatzes zu hoch. Der gültige Satz stützt sich nach wie vor auf eine Lebenserwartung, wie sie Ende der 1980er Jahre bemessen wurde, und auf Nominalrenditen von über 4%. Beide Grössen sind seit langem überholt. Die Blockadepolitik der Gewerkschaften und vieler linker Politiker haben jedoch eine Anpassung des Umwandlungssatzes – einer technischen Grösse – verhindert. Dadurch entstehen jährlich systemwidrige Umverteilungen von Jung zu Alt in Milliardenhöhe, egal welche Rolle die Versicherer in diesem Geschäft einnehmen.

Dieser Immobilismus ist Gift für die berufliche Vorsorge und strapaziert den Generationenvertrag jeden Tag mehr. Anders als beim Mikado-Spiel, wo Starre belohnt wird, macht diese Lethargie alle aktiven Arbeitnehmer zu Verlieren – ob sie bei einer teilautonomen Stiftung oder bei einem Vollversicherer angeschlossen sind. Es ist Zeit, dass die Politik – und das Volk – die Problematik der zu hohen Umwandlungssätze anpackt.