Die diesjährige Herbsttagung für die Förderer von Avenir Suisse im Zürcher «Kaufleuten» drehte sich um die neuste Publikation, die tags darauf den Medien vorgestellt wurde. In «Wenn die Roboter kommen» untersuchen Avenir Suisse und die beiden Studienautoren Tibère Adler und Marco Salvi die Herausforderungen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt. Wie stark das Thema derzeit unter den Nägeln brennt, bewies die grosse Resonanz bei Förderern und Gästen, die der Einladung des Think-Tanks an diesem Abend folgten.

Nach einer Begrüssung von Thomas Hammer, dem Präsidenten der Förderstiftung, präsentierte der Direktor Peter Grünenfelder seine liberale Herbstperspektivenschau und stellte den wirtschaftspolitischen Kontext dar, aus dem die Studie um die neuen Arbeitswelten entstanden ist. Obwohl die Schweiz in vielen Ratings Spitzenplätze hält, sei mit Blick auf die langfristige Sicherung der Prosperität unseres Landes erheblicher Reformstau festzustellen – aktuell etwa bei der Erneuerung der Altersvorsorge, im Bereich der Regulierung des Arbeitsmarktes oder der Zunahme an protektionistischen Strömungen. Es gelte deshalb, die Reformblockade aufzulösen, strukturelle und mentale Hindernisse zu überwinden und die Bereitschaft für marktwirtschaftlich-liberale Reformen zu erhöhen.

Die Beweglichkeit erhalten

Worin die Herausforderungen der Digitalisierung im Detail bestehen und welche Massnahmen Avenir Suisse zu ihrer Bewältigung vorschlägt, erläuterten Tibère Adler und Marco Salvi. Der von den Gewerkschaften anfangs Woche monierte Anstieg «atypischer Arbeit» sei nach nüchterner Analyse der statistischen Datenlage nicht festzustellen, und erfreulicherweise hätten die Arbeitnehmenden bis anhin auch gut mit den Erfordernissen der technischen Entwicklung Schritt gehalten. Eine «Robokalypse» steht nicht bevor. Trotzdem gelte es, sich auf die weitere Digitalisierung vorzubereiten – sowohl durch Förderung der Beweglichkeit auf dem Arbeitsmarkt als auch im Bereich der Bildung.

Dass die Schweiz gut beraten ist, den verbleibenden, aber schrumpfenden Innovationsvorsprung zu nutzen, wurde im Referat von Daniel Susskind mehr als deutlich. Der Forscher am Balliol College der University of Oxford und Co-Autor des vielbeachteten Buches «The Future of the Professions» beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Technologie auf Wirtschaft und Gesellschaft. Laut Susskind gründet die herkömmliche Einteilung der Arbeitswelt in «Berufe» auf dem Bedürfnis von Gesellschaften nach praktischer Expertise in den verschiedensten Bereichen. Diese Arbeitsteilung habe sich in der vordigitalen Ära als erfolgreiches Konzept erwiesen. Mit der Digitalisierung werde Expertenwissen jedoch viel breiter verfügbar, was zu einer Neuorganisation der Berufswelt führe. Komplexe Arbeit zerfalle zunehmend in einzelne Arbeitsschritte, die von Maschinen übernommen werden können. Auf lange Sicht prognostiziert der Ökonom einen Übergang vieler Jobs in einzelne Tasks. Klassische Berufsbilder, so lautet seine These, würden sich zunehmend verändern.

Es gibt in der Studie von Avenir Suisse verschiedene Indizien darauf, dass Susskinds Prognosen weniger Science-Fiction sind, als uns möglicherweise lieb wäre. Gerade deshalb muss im Zeitalter der Digitalisierung das leitende Prinzip für den Schweizer Arbeitsmarkt heissen: Flexibilisieren statt regulieren. Es hat nicht nur der Anteil der Mehrfach-Erwerbstätigen zugenommen, sondern auch jener der Teilzeitarbeit. Reformbedarf besteht im Arbeitsrecht – etwa bei den Vorschriften zur Arbeitszeit, bei den Sozialversicherungen, die noch zu sehr auf lineare Karrieren ausgerichtet sind, und in der Bildung, wo es u.a. darum geht, das Verständnis für digitale Prozesse zu fördern.

Optimismus angebracht

Man durfte gespannt sein auf die von Avenir-Suisse-Vizedirektor Jakob Schaad moderierte Podiumsdiskussion, an der die Forschungserkenntnisse der Ökonomen in einer Runde von unternehmerischen Verantwortungsträgern vertieft diskutiert wurden. Übereinstimmung mit den prognostizierten digitalen Modellen zeigte sich in den Voten von Marc Bürki, CEO von Swissquote. Die elektronische Bank wickelt bereits heute zahlreiche Prozesse automatisch ab und konkurrenziert so das Geschäft der klassischen Geldinstitute. Auch Nicole Burth Tschudi, CEO Adecco-Schweiz, führte aus, dass die zunehmende Zweiteilung des Arbeitsmarktes mit Chancen für besser Ausgebildete eine Realität sei, die sich noch akzentuieren werde. Daniel Daeniker, Managing Partner des Anwaltsbüros Homburger, bereitet die von Susskind prognostizierte digitale Veränderung von hochqualifizierten Berufen wie Ärzten oder Anwälten keine schlaflosen Nächte. Er betrachtet Maschinen als Werkzeuge, eine Automatisierung der persönlichen Beratung ist für ihn kaum vorstellbar.

Wie also lautete das Fazit des Abends? – «Wir sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen»? Das Brecht-Zitat, mit dem Marcel Reich-Ranicki jeweils seine Literatursendung am Fernsehen abschloss, war an diesem Abend fehl am Platz. Es herrschte allgemein die Zuversicht, dass die aufgeworfenen Fragen beantwortet und die Herausforderungen angenommen werden können. Diese Hoffnung gründet nicht zuletzt im Vertrauen auf die Sicherung eines liberalen Arbeitsmarkts sowie auf die junge Generation. Ein breiter Konsens bestand auch darin, dass Bildung das beste Rezept dafür sei, die Herrschaft über die Roboter in der Zukunft nicht zu verlieren.

So stand einem optimistischen Abschluss der Veranstaltung nichts mehr im Weg. In seiner Präsidialadresse dankte Andreas Schmid den Gästen für die Unterstützung von Avenir Suisse und leitete über zum analogen Teil des Abends, der mit zahlreichen persönlichen Begegnungen beim Flying Dinner einen stimmungsvollen Ausklang fand.