Haben Sie schon vom digitalen Briefkasten gehört, der bald zum Service public zählen soll? Nein? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. Entsprechende Pläne hat der Bundesrat zwar im April vorgestellt, doch sie werden bis jetzt kaum diskutiert. Dabei haben es diese Pläne in sich.
Was ist damit gemeint? Firmen oder Personen können künftig über eine Plattform, die von der Post betrieben wird, elektronische Briefe versenden. Hat der Empfänger eingewilligt, erhält er die E-Mail in seinen elektronischen Briefkasten bei der Post. Wenn nicht, druckt die Post die Nachricht aus und stellt den Brief normal zu.
«Hybride Zustellung»
Der Bundesrat spricht deshalb von einer «hybriden Zustellung», die neu zur Grundversorgung zählt. Die Post solle so einen Beitrag zur sicheren Digitalisierung von Wirtschaft und Behörden leisten.
Wenn der Bund etwas in die Grundversorgung aufnimmt, müssen triftige Gründe vorliegen. So sollte eine solche Dienstleistung zum Zusammenhalt des Landes beitragen. Und der Zugang dazu sollte wesentlich sein, um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten.
Ein Service public ist also dann angezeigt, wenn eine Leistung unentbehrlich ist und private Firmen diese nicht überall in derselben politisch definierten Qualität und zum selben erschwinglichen Preis anbieten. Deshalb gibt es einen Service public für die Telekommunikation, inklusive Mindestanforderungen ans Internet, und einen für analoge Postdienste.
Im digitalen Bereich sind die Voraussetzungen für eine neue Grundversorgung durch die Post dagegen gerade nicht erfüllt. Das zeigt sich schon daran, dass ganz ohne politischen Auftrag verschiedene Firmen aktiv sind – digitale Dienste sind zudem von überall her nutzbar.
Wem sichere Kommunikation am Herzen liegt – wie es das Ziel des Bundesrats ist –, dem stehen private Anbieter wie Abacus, Peax, Privasphere oder Proton Mail zur Verfügung. Diese Unternehmen werben damit, dass ihre Infrastruktur in der Schweiz steht – wie der Bund das auch von der Post verlangt. Wer einen digitalen Briefkasten will, kann zudem seit 2021 das entsprechende Angebot der Post, die ePost, nutzen. Von Unterversorgung kann nicht die Rede sein.
Der digitale Briefkasten ist nichts Neues. Wir alle nutzen ihn längst – nicht nur per E-Mail und Messenger. Online-Banking ist für die meisten selbstverständlich, Arztrechnungen reichen wir via Web bei der Krankenkasse ein. Solche Unternehmen gehen ebenfalls mit heiklen Daten um und müssen sich an entsprechende Regeln halten. Der Bund kommt mit seinem Dienst deshalb wie die alte Fasnacht daher.
Gewiss sollen die Behörden digitaler werden. Doch dafür braucht es keine Ausweitung des Service public, sondern eine kohärente Digitalstrategie. Es reicht dann, wenn der Staat Vorgaben zur Datensicherheit, zum Datenschutz und zur Identifizierung für private Firmen macht, die hier ihre Dienste anbieten wollen.
Den Wettbewerb nicht schwächen
Wenn jedoch die Post hierfür zuständig sein soll, birgt das die Gefahr, dass sie als Staatsunternehmen ihre marktbeherrschende Position beim Versand von Briefen auf den elektronischen Bereich überträgt und den Wettbewerb im digitalen Bereich schwächt. Das Nachsehen haben die privaten Anbieter. Das gilt umso mehr, als die Post rund um den digitalen Briefkasten herum künftig ein ganzes Ökosystem mit digitalen Diensten aufbauen darf.
Was der Bund vorhat, ist jedenfalls eine Zäsur: Erstmals wird der postalische Service public von der analogen Welt der Briefe und Pakete auf die digitale ausgeweitet. Das verdient, nein erfordert eine öffentliche Debatte über die Rolle der Post im 21. Jahrhundert. Doch der Bund will lediglich eine Verordnung ändern. Bald endet die Vernehmlassung dazu. Er sollte Mut beweisen und sein Projekt als Gesetz dem Parlament vorlegen.
Dieser Beitrag ist in der «NZZ» vom 16. Juli 2025 erschienen.