Alfred Eschers Bank ist Geschichte. Ein toxischer Cocktail aus privater Misswirtschaft, staatlichen Hauruckübungen und erschüttertem Vertrauen haben ihren Tribut gefordert. Schon lange wog die Historie von Skandalen und Missmanagement bei der Credit Suisse schwer. Seit Monaten schon trennten sich dem Vernehmen nach Kunden und Grossinvestoren von Produkten und Wertpapieren der Schweizer Grossbank. Nachdem es im März dann zur zweit- und drittgrössten Bankenpleite in der Geschichte der USA gekommen war, spitzte sich die Vertrauenskrise in den vergangenen Tagen dramatisch zu.

Ordnungspolitisch alles andere als korrekt

Die Zeichen waren klar, ein rasches Handeln war angebracht. Vergangene Woche sprang als erstes die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit einer Liquiditätshilfe über 50 Milliarden Franken ein. Die Konditionen dieser Massnahme blieben zwar im Verborgenen, aber es kann durchaus argumentiert werden, dass das Vorgehen ordnungspolitisch korrekt war, erfüllte die SNB damit doch ihren Auftrag als «Retter der letzten Instanz». Das kann von der notrechtlichen Hauruckübung vom Wochenende nicht behauptet werden.

Die am Sonntagabend bekanntgewordene Übernahme der CS durch die UBS ist ohne Wenn und Aber ein ordnungspolitischer Sündenfall – allen anderslautenden Verlautbarungen des Bundesrats zum Trotz. Für über 200 Milliarden Franken werden Bund und Nationalbank im schlimmsten Fall geradestehen müssen, das ist über ein Viertel des Schweizer Bruttoinlandprodukts. Ohne diese milliardenschweren staatlichen Garantien wäre eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS nicht zustande gekommen – die staatliche Rückversicherung stellte das «Schmiermittel» (NZZ) dar.

Ohne milliardenschwere staatliche Garantien wäre eine Übernahme der Credit Suisse (r.) durch die UBS nicht zustande gekommen. (Wikimedia Commons)

Das Vorgehen wurde an der Medienkonferenz zuerst von Bundesrat, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (Finma) wortreich begründet, bevor die involvierten Bankenvertreter selbst das Wort ergriffen. Aufgrund der Negativspirale und der anstehenden Wiedereröffnung der asiatischen Börsen am Montagmorgen musste alles schnell gehen; eine umfangsreiche «Due-Diligence»-Prüfung war so weder für den Bund noch die UBS als künftige Eigentümerin der Credit Suisse möglich. Das Risiko für weitere, teure Überraschungen in den Geschäftsbüchern wird wie ein Damoklesschwert über der grössten Bank der Schweiz hängen.

Gut gemeint, nicht gut gemacht

Man muss den Schweizer Behörden zugutehalten, dass die nun getroffene «Lösung» der Sorge um die Stabilität des globalen Finanzsystems geschuldet ist. Einen Domino-Effekt galt es zu vermeiden. Doch das gewählte Vorgehen mit einer notrechtlich organisierten Bankenfusion und umfassenden Staatsgarantien haben mit einer liberalen Ordnung nichts zu tun. Die wirtschaftspolitischen Implikationen werden erheblich sein.

Erstens ist aus wettbewerbspolitischer Sicht die neue «Superbank» UBS mit der einverleibten Credit Suisse ein überdimensionierter Finanzkoloss. Die Finma kann zwar gemäss kartellrechtlicher Kompetenzordnung mögliche Bedenken der Wettbewerbsbehörde übersteuern. Leidtragende eines allfällig beschränkten Wettbewerbs werden aber Konsumenten und Firmen in der Schweiz sein.

Zweitens verpuffen die im zähen politischen Ringen erlassenen «too big to fail»-Gesetzesregelungen (TBTF) wirkungslos. Diese wurden im Nachgang der Finanzkrise 2008 zur Stabilisierung, Sanierung oder Liquidation genau solcher akuter Fälle entwickelt. Die Implementierung der enorm komplexen Regeln kosteten viel Ressourcen sowohl auf Seiten der Behörden als auch der Finanzinstitute – Kosten, die man sich offenbar hätte schenken können. Mit der Anwendung von Notrecht hat der Bundesrat nicht nur die parlamentarische Mitsprache ausgehebelt, die TBTF-Regeln verkommen schlichtweg zur Farce.

Drittens, und langfristig vielleicht sogar am gewichtigsten, geht der notrechtliche Zusammenschluss von UBS und Credit Suisse mit einer drastischen Beschneidung der Aktionärsrechte einher. Zum Deal gar nicht befragt werden die künftigen neuen Eigentümer der Credit Suisse, die UBS-Aktionäre. Damit wurden gesetzlich garantierte Eigentumsrechte bei einem SMI-Titel kurzerhand ausgehebelt. Was dieser Bruch mit der Rechtssicherheit, für welche die Schweiz gemeinhin bekannt ist, für Spätfolgen haben wird, wird sich erst noch weisen müssen. Der Vertrauensverlust ist jetzt schon erheblich. Das Risiko einer Beschneidung der Aktionärsrechte durch die Schweizer Regierung läuft künftig für jeden (internationalen) Investor mit.

Ein verheerendes politisches Signal

Das Ende der liberalen Ordnung im Bankenland Schweiz sollte eigentlich ein Weckruf für die marktwirtschaftlichen Kräfte hierzulande sein. Der Ärger wie auch das Unverständnis über die vom Bund vorangetriebene «Lösung» ist vielerorts mit Händen zu greifen. Doch anders als erwartet, geben viele bürgerlich-liberale Politiker und Wirtschaftsverbände dem Bund das Plazet für sein Vorgehen der letzten Tage, statt auf die aus rechtsstaatlicher und freiheitlicher Sicht äusserst problematischen Aspekte hinzuweisen. Dieses Wegschauen wird nicht funktionieren.

Denn schon werden auf dem politischen Parkett mehr Einfluss bei den Banken und zusätzliche Regulierungen gefordert – letzteres, obwohl das vorliegende TBTF-Gesetzesinstrumentarium gar nicht richtig zur Anwendung gelangte. Die Gunst der Bankenkrise nutzend, haben jene politischen Kreise Auftrieb, die generell mehr Staatseingriffe fordern. Diese werden zusätzlich gestützt durch die Tatsache, dass trotz staatlicher Milliardengarantien die Aktionäre der CS nicht einmal ihren ganzen Einsatz verloren haben und den CS-Mitarbeitenden offenbar selbst die Boni – notabene nach einem Jahresverlust von 7,3 Mrd. Fr., dem höchsten seit der Finanzkrise 2008 – weiterhin ausgeschüttet werden sollen.

Die notrechtlich orchestrierte und mit milliardenschweren Staatsgarantien forcierte Übernahme der Credit Suisse durch die UBS bedeuten das Ende der liberalen Ordnung im Bankenland Schweiz. Das muss nicht sein. Was es nun braucht, ist eine ehrliche Aufarbeitung der Ereignisse der vergangenen Tage, insbesondere der Rolle der Finma sowie des Einsatzes von Notrecht. Was ist zu unternehmen, dass künftig Gesetze und Eigentumsrechte nicht mehr derart drastisch übergangen werden und die Rechtssicherheit unterminiert wird? Das ist essenziel, um das Vertrauen in einen freiheitlichen Rechtsstaat wieder zu festigen.

Um den hiesigen Finanzplatz zu sichern, gilt sich vorderhand in Erinnerung zu rufen, dass nicht der Markt versagt hat, sondern eine Bank. Sodann braucht es mehr Bescheidenheit und Demut beim Management der Finanzinstitute sowie eine schonungslose Auslegeordnung für eine Überarbeitung der Regulierung. Denn mit der neuen und noch grösseren UBS stellt sich am Ende dieselbe Frage wie mit der verschwundenen Credit Suisse: Wie kann verhindert werden, dass der Steuerzahler bei einer Schieflage eines grossen Finanzinstituts in der Pflicht steht?

Nur mit glaubwürdigen Antworten auf diese Fragen kann die liberale Ordnung in der Schweiz wieder hergestellt werden.