Am 18. Juni 2023 wird das Stimmvolk u.a. über das «Bundesgesetz vom 30. September 2022 über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG)» befinden. Hinter dem Titel verbirgt sich der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments zur sogenannten Gletscher-Initiative, die von den Initianten zurückgezogen wurde. Absolute Vorgaben der Initiative – wie beispielsweise das grundsätzliche Verbot fossiler Energieträger – wurden im Gegenvorschlag durch eine Pflicht zur Verminderung des Verbrauchs dieser Energieträger ersetzt. Dies schafft eine höhere technologische Flexibilität, das Netto-null-Ziel zu erreichen. Trotz verschiedener Anpassungen gegenüber der Initiative wurde gegen das Bundesgesetz das Referendum ergriffen, so dass nun das Elektorat final über die Einführung der neuen Regulierung entscheidet. Wie ist die Vorlage einzuschätzen? Vier Beobachtungen dazu.

Politischer Rundumschlag

Erstens verrät der sperrige Titel der Vorlage (die abgekürzt Klimaschutzgesetz genannt wird), dass man mit einem politischen Rundumschlag gleich mehrere Interessen bedienen bzw. Ziele erreichen will. So soll nicht nur dem Klima Gutes getan werden, sondern die Vorlage soll gleich noch die Innovation vorantreiben und die Energiesicherheit stärken. Alles für sich genommen hehre und wichtige Ziele, doch der Eindruck bleibt, hier sei das Fuder überladen worden. Denn allein mit Annahme des Gesetzes dürfte keines der drei Ziele zufriedenstellend erreicht werden. Es wird – insbesondere bei der Versorgungssicherheit mit Energie – weiterer Massnahmen bedürfen, wie auch die Urek des Nationalrates (Urek-N) betont. Insofern setzt die Vorlage nur den Rahmen. Die im Titel genannten Begriffe Klimaschutz, Innovation und Energiesicherheit werden aber bei jenen verfangen, die sich nur oberflächlich mit dem Gesetz auseinandersetzen.

Wie profitiert die Gletscherlandschaft bei Bagnes im Wallis vom Klimaschutzgesetz? (Arnaud Steckle, Unsplash)

Zweitens muss festgestellt werden, dass das zur Abstimmung gelangende Regelwerk vom Subventionsgedanken durchdrungen ist. So schreibt die Urek-N: «Mit der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen in den Unternehmen und dem Sonderprogramm zum Ersatz von Heizungsanlagen enthält der Entwurf zwei neue Subventionstatbestände.» Konkret soll der Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen durch klimaschonende Wärmesysteme in den nächsten zehn Jahren mit zwei Milliarden Franken unterstützt werden. Dies zusätzlich zu bereits laufenden Massnahmen wie dem Gebäudeprogramm und kantonalen sowie kommunalen Unterstützungsinstrumenten. Betriebe in Industrie und Gewerbe, die innovative Technologien zur klimaschonenden Produktion einsetzen, sollen während sechs Jahren von Fördermitteln in der Höhe von total 1,2 Milliarden Franken profitieren.

Administrationskosten im Wert von 1,6 Mio. Tonnen CO2-Einsparung

Für den Vollzug will man primär bereits bestehende Programme des Bundes bzw. deren Geschäftsstellen mandatieren und die Budgets aufstocken. Die Urek-N geht von 160 Millionen Franken – immerhin 5% der Fördersumme – für die Administration aus. Es ist zu befürchten, dass es letztlich mehr sein wird, sollte die Bürokratie erst einmal in Schwung kommen. Denn es müssen neue Vollzugsreglemente geschrieben, Ausschreibungen gemacht und die eingehenden Gesuche geprüft werden. Zusätzlich sind Wartelisten zu führen und rechtliche Händel zu bewältigen. Vermehrt mit der Subventionsbürokratie herumschlagen müssen sich in Zukunft Hausbesitzer und Unternehmen, sofern sie an die Fördergelder gelangen wollen. Von den administrativen Prozessen profitiert weder die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt noch das Klima. Ein Rechenbeispiel: Bei einem – international hohen – Preis von angenommenen 100 Fr. zur Einsparung einer Tonne CO2 könnten allein mit den veranschlagten Administrationskosten 1,6 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht immerhin knapp 4% des jährlichen Schweizer Ausstosses. Mit dem Fördergeld sollen auch neue Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen werden; doch bereits heute klagt man über den Arbeitskräftemangel, Unternehmen der Cleantech-Branche kommen kaum nach, Aufträge abzuarbeiten. Waren es aufgrund von Lieferschwierigkeiten zuerst Komponenten, die fehlten, sind es nun die Arbeitskräfte.

Drittens soll die Finanzierung der Geldtöpfe vollständig aus allgemeinen Bundesmitteln erfolgen. Es werden keine neuen Steuern, Gebühren oder Abgaben erhoben. Dies mag der politischen Vorsicht geschuldet sein, im Wahljahr keinesfalls einzelne Bevölkerungsgruppen finanziell zusätzlich zu belasten. Im Gegenteil, es soll Rücksicht genommen werden: So erwähnt die Urek-N gar vier Mal im Bericht die Berg- und Randgebiete, deren «besonderer Ausgangslage» bei der Ausgestaltung und Anwendung der Massnahmen Rechnung zu tragen sei (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 KIG). Ausser den Städten und deren Agglomerationen dürften sich damit alle angesprochen fühlen; offenbar will man einem befürchteten Stadt-Land-Graben – wie bei der misslungenen Abstimmung über die Totalrevision des CO2-Gesetzes 2021 – zuvorkommen.

Bestrafung der Klimabewussten

Die Allgemeinheit trägt die finanzielle Last der Förderung. Der geschmähte Vielfahrer und -flieger wird also nicht mehr dazu beitragen als Personen, die sich bis jetzt aus Überzeugung klimafreundlicher verhielten. Es ist unter diesem Aspekt bemerkenswert, dass sich insbesondere links-grüne Kreise für die Vorlage aussprechen. Denn alle bezahlen in Zukunft über Lohn-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuern ihren Anteil an den Fördermassnahmen. Das Verursacherprinzip wird mit Füssen getreten. Sachlich falsch schreibt die Urek-N dennoch, dass die Massnahmen der Klimapolitik «in verstärktem Ausmass zu einer verursachergerechten Anlastung der externen Kosten des Verbrauchs fossiler Energien» führen. Da verwundert es auch nicht weiter, dass als Beispiel für eine «cleantechrelevante Branche» der öffentliche Verkehr genannt wird. Man muss sich vor dem geistigen Auge nur die zahlreichen Dieselbusse des ÖV vorstellen, um solchen Unsinn zu widerlegen.

Viertens wird die bisher zurückhaltende staatliche Innovationsförderung aufgegeben. Seit Jahren glänzt die Schweiz in internationalen Innovations-Rankings an vordersten Positionen – ein Grund dafür ist das hohe Engagement des privaten Sektors in der Forschung und Entwicklung. Dies im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, die tief in den Innovationsprozess eingreifen und oft Gelder denjenigen Projekten zuhalten, die mit der politischen Agenda und dem Zeitgeist übereinstimmen. Doch nun soll der Bund nicht nur im Bereich der Grundlagen- und angewandten Forschung sowie bei Laborprototypen finanziell unterstützen (sog. Innovationsphasen 1–3), sondern auch in späteren Phasen wie Pilot und Demonstration, Marktzulassung und -einführung sowie Marktdiffusion und -export (Innovationsphasen 4–6).

Rundum-Vollversorgungspaket

Zusätzlich soll der Förderanteil von 40% auf 50% der Kosten steigen, in Ausnahmefällen soll der Bund gar 70% der Kosten übernehmen. Dabei sind Finanzhilfen «jeglicher Form» denkbar, d.h. vor allem auch À-fonds-perdu-Beiträge. Nicht nur Forschende und Unternehmen sollen davon profitieren, sondern auch Nachfrager als «Early Movers». Der Kreis der Förderberechtigten und der Projekte wird damit sehr breit gefasst. Ein Rundum-Vollversorgungspaket. Ob damit – wie vom Bundesrat beabsichtigt – die Umsetzung der Ziele des Gesetzes «auf eine Stärkung der Volkswirtschaft (…) ausgerichtet» (Art. 11, Abs. 3 KIG) sind, ist fraglich. Denn wenn Bürokraten statt Unternehmer über Innovationen entscheiden, sind die volkswirtschaftlichen Wohlfahrtseffekte meistens bescheiden.

Zweifellos, die Schweiz muss handeln, um ihren Beitrag zum internationalen Ziel der Treibhausgasreduktion zu leisten. Politisch scheint das vorliegende Klimaschutzgesetz mehrheitsfähig zu sein, doch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Vorlage ein Etikettenschwindel.

Vertiefende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».