Das Schweizer Freihandelsnetz umfasst 77 Partner und deckt dadurch 55% des Weltmarktes ab. Trotz dieser hohen Anzahl Partner fehlt somit noch immer ein wesentlicher Teil des Weltmarktes, der nicht durch Freihandelsabkommen erschlossen ist. Doch wo liegt das grösste Potenzial für weitere Abkommen?

Um dieses Potenzial identifizieren zu können, wird eine gewisse wirtschaftliche Grösse (BIP > 250 Mrd. $) und ein bestimmtes Wirtschaftswachstum während der letzten zehn Jahre (CAGR > 2%) vorausgesetzt. Durch diese Abgrenzung ergeben sich insgesamt 32 Staaten. Bereits mit mehr als der Hälfte davon hat die Schweiz ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Es verbleiben 15 potenzielle Partner, die zusammen 30% des Weltmarktes abdecken.

Stockende Verhandlungen

Die Freihandelsnation Schweiz ist mit sechs dieser 15 Partner bereits im Gespräch, einige dieser Verhandlungen sind aber ins Stocken geraten. Das aufgegleiste Abkommen mit der Zollunion Russland-Belarus-Kasachstan (EAEU) wurde aus völkerrechtlichen Bedenken aufgrund der Besetzung der Krim vorerst auf Eis gelegt. Und die Verhandlungen mit Indien verschleppen sich aufgrund ungeklärter Fragen zu geistigen Eigentumsrechten.

Zwei erfolglose Anläufe gab es für ein Abkommen mit den USA: 2006 verhinderte vor allem der Schweizer Agrarsektor den Eintritt in offizielle Verhandlungen. Die jüngsten Annäherungsversuche einer Wiederaufnahme solcher Gespräche scheiterten 2019 abermals. Dies, obwohl ein vertieftes Freihandelsabkommen für beide Seiten eindeutige Gewinne bringen würde.

Viel Potenzial in Asien und Afrika

Doch auch andernorts gibt es Chancen. Aus der Gruppe der ehemaligen «Tigerstaaten» fehlen noch Abschlüsse mit Thailand, Malaysia, sowie eine zwar politisch heikle, aber potenziell lohnende Gesprächsaufnahme mit Taiwan. Des Weiteren gilt es Afrika nicht zu vergessen, wo etwa Nigeria ein grosses, unausgeschöpftes Potenzial bietet. Längerfristig böten verschiedene afrikanische Zollunionen wie die westafrikanische (Waemu), zentralafrikanische (Cemac) oder die ostafrikanische (EAC) eine Gelegenheit, den Zugang zu aufstrebenden Märkten zu sichern. Auch die neue, im Entstehen begriffene Handelszone AfCFTA, die 55 afrikanische Staaten umfassen würde, sollte geprüft werden. Grosse Teile Afrikas sind im Schweizer Freihandelsnetz noch immer ein weisser Fleck.

Den Mittleren Osten nicht vergessen

Auf der jüngsten Reise von Bundesrat Cassis in den Irak, einem Land, das ebenfalls zum identifizierten Potenzial zählt, wurde zwar explizit das enorme wirtschaftliche Potenzial des Landes angesprochen. Trotzdem verpasste man die Chance, ein Freihandelsabkommen aufzugleisen oder gar nur zu erwähnen. Die bereits initiierte humanitäre Hilfestellung der Schweiz wäre ein guter Anknüpfungspunkt zur Vertiefung bilateraler Beziehungen. Ein Abkommen schafft zusätzliche Möglichkeiten, sich regelmässig auszutauschen.

Die Schweiz benötigt neue Wirtschaftsabkommen mit potenzialträchtigen Partnern, um ihre Prosperität breit abzustützen und gar auszubauen. Die notwendigen Schritte dafür sind – auch innenpolitisch – anzugehen.