Realistisch gesehen ist das Steuerabkommen mit Deutschland wahrscheinlich gescheitert. Die Frage  der «Steuergerechtigkeit» ist zu einem so grossen Wahlkampfthema geworden, dass mit einer Zustimmung vor einer Änderung der politischen Kräfteverhältnisse in Deutschland kaum gerechnet werden kann. Das trifft zu, obwohl die Bundesregierung hinter der Vereinbarung steht und die Einnahmen für den deutschen Fiskus ins Gewicht fallen würden. In vielen in einer Finanzklemme steckenden Regionen Deutschlands ist der Ärger denn auch gross.

Mit der Ablehnung des Steuerabkommens wird eine Chance verpasst, die Pendenz der unversteuerten deutschen Gelder auf Schweizer Banken zu bereinigen. Das heisst nicht, dass die Abgeltungssteuer ausgespielt hat. Verhandlungen mit andern Ländern sind abgeschlossen beziehungsweise im Gang. Mit Grossbritannien ist ein EU-Schwergewicht im Boot. Das gibt Deutschland die Gelegenheit, Erfahrungen auszuwerten und später auf seinen Entscheid zurückzukommen.

Die Schweiz tut gut daran, auf Forderungen nach Neuverhandlungen nicht einzugehen und in der Frage des automatischen Informationsaustauschs kein Terrain preiszugeben oder sogar vorzupreschen, zumal dieses Modell auf internationaler Ebene keineswegs spruchreif ist. Gerade der Schweiz steht es gut an, die Privatsphäre auch in finanziellen Angelegenheiten hoch zu halten. Spannungen mit unserem nördlichen Nachbarn sind auszuhalten. Wir müssen uns von Behörden nicht anschwärzen lassen, die zur Durchsetzung ihrer Interessen auf Käufe gestohlener Daten zurückgreifen.

Das gilt umso mehr, als die Banken die Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle vorantreiben. Sie setzen auf die Anwerbung und Betreuung versteuerter Gelder. Die aus der Vergangenheit stammenden Probleme werden nicht über Nacht gelöst werden, aber an Brisanz verlieren. Gelassenheit ist deshalb angebracht, und eine Tragödie für den Finanzplatz Schweiz ist ein deutsches Nein nicht.