«I almost went down on my knees to beg Herbert Hoover to veto the asinine Hawley-Smoot Tariff. That Act intensified nationalism all over the world.»

Das soll Thomas Lamont, ein erfolgreicher Bankier bei J.P. Morgan und äusserst einflussreicher inoffizieller Mentor von verschiedenen US-Administrationen, im Jahr 1930 gesagt haben. Wir wissen, Präsident Hoover hatte kein Gehör, und der protektionistische Wettlauf im Güterbereich nahm seinen Lauf.

Trotz Parolen wie «America First» erleben wir im Güterbereich faktisch (noch?) keine offene Renaissance des Protektionismus. Im Finanzbereich sieht die Sache jedoch anders aus. Regulierungswerke der EU wie MiFID, MIFIR, AIFMD, UCITS, EMIR und viele weitere Akronyme sowie die mehr als tausend Seiten des Dodd-Frank-Acts der USA haben de facto eine protektionistische Wirkung. Denn grenzüberschreitende Dienstleistungen müssen sich an die örtlichen Regulierungen der Wohnsitze der Kunden halten. Das wollen nicht nur die Wohnsitzländer der Kunden so. Dazu hat sich auch die Schweiz bereits 2007 im revidierten Lugano-Übereinkommen (LugÜ) vom 30. Oktober 2007 verpflichtet. Gemäss diesem Übereinkommen müssen Schweizer Finanzunternehmen das jeweilige nationale Recht im Sitzland des Kunden einhalten. Die Regulierungswelle im Anschluss an die Finanzkrise erschwert in dieser Kombination wesentlich die grenzüberschreitende Finanzdienstleistungserbringung.

Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass der Zustand der «splendid isolation» für den Finanzplatz Schweiz immer schwieriger wird. (Wikimedia Commons)

Leider geht der Trend heute sogar noch weiter. Man kann nämlich bestehende Regulierungen auch noch schärfer interpretieren. So forderte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA im Sommer die nationalen Finanzaufsichten auf, bei der Delegation des Asset Management in Drittländer genauer hinzuschauen. Der unmittelbare Anlass: Finanzgesellschaften in Grossbritannien wollen eine Präsenz in der EU aufbauen und Teile der Finanzdienstleistung wie das Asset Management eines Fonds zurück nach Grossbritannien delegieren. UCITS und AIFMD erlauben dies unter gewissen Bedingungen. Verboten sind jedoch «Briefkasteneinheiten», das heisst Gesellschaften in der EU, die selbst nichts Wesentliches beitragen und die ganze Geschäftstätigkeit in ein oder mehrere Drittländer delegieren. Hier liegt Interpretationsraum, den die nationalen Finanzaufsichten fortan enger halten sollen.

Dies führt nicht mehr nur in Grossbritannien zu Unruhe, sondern auch in EU-Ländern wie Luxemburg, die im Gegensatz zu Grossbritannien keinerlei Absicht haben, die EU zu verlassen. Solcherlei Sorgen konnte man kürzlich im Luxemburger Wort lesen. Mit immer höheren Hürden über die Grenzen der Handelsblöcke hinweg wird es im Finanzsektor also immer schwieriger von den Vorteilen einer arbeitsteiligen Erstellung der Dienstleistungen zu profitieren.

Solchermassen undurchlässigere Grenzen sind nicht nur für Investoren und Sparer weltweit ein Nachteil. Wenn man sich selbst in Luxemburg Sorgen macht, dürfte die Welt für ein internationales Finanzzentrum ausserhalb der EU wie die Schweiz noch viel schwieriger werden. Zur gleichen Geschichte gehört nämlich, dass die Schweiz in ihren Bemühungen um einfacheren Marktzugang seit einigen Jahren kaum vorwärtsgekommen ist. Auf der bilateralen Schiene konnte nur mit Deutschland ein bedeutendes Marktzugangsabkommen abgeschlossen werden. Mit Italien und Frankreich, den ebenso wichtigen Nachbarn im Süden und Westen, dreht man sich in dieser Sache im Kreis. Auf der Ebene EU-Schweiz ist noch weniger gelaufen. Hier ist jegliche Entwicklung durch den fehlenden Fortschritt in den Verhandlungen um ein institutionelles Rahmenabkommen blockiert.

Die Schweizer Banken werden sich immer einrichten können. Sie können ihre Geschäftstätigkeit unter gewissen Verlusten in die EU verschieben. Das gilt nicht für den Finanzplatz Schweiz. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass der Zustand der «splendid isolation» für den Finanzplatz Schweiz immer schwieriger wird.

Unter diesen Umständen wird eine Deblockierung mit dem immer noch bedeutendsten Markt für den Schweizer Finanzplatz immer wichtiger. Ein erster Schritt könnte Bundesrat Cassis’ «Reset» beim institutionellen Rahmenabkommen sein. Ein Dachabkommen, welches sowohl der Schweiz wie auch der EU Rechtssicherheit in allen bestehenden bilateralen Abkommen bietet, könnte auch wieder Perspektiven für Abkommen im Finanzbereich liefern.

Dieser Text ist auf der Website der Zürcher Fachmesse «Finanz ’18» erschienen, die vom 31. Januar bis 1. Februar 2018 in Zürich stattfindet.