Ende Juli vermeldeten die Medien erfreut, dass unser Land auch in der jüngsten Rangliste des Global-Innovation-Index an der Spitze steht. Als wichtigste Faktoren für die Innovationsfähigkeit nennen die Autoren die erstklassigen Patent- und Urheberrechte, die Hightech-Produktion, die Qualität der Hochschulen und hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung. Unbestrittener Treiber der Schweizer Innovationskraft ist das private Unternehmertum, das mit mehr als 15 Milliarden Franken pro Jahr nahezu 70 Prozent der gesamten Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen stemmt.
Erheblichen Verbesserungsbedarf orten die Autoren des Rankings dagegen bei den Firmengründungen, weil die regulatorischen Hürden hierzulande deutlich höher sind als anderswo. Hinzu kommt die mangelnde Verfügbarkeit von Risikokapital für Start-ups insbesondere in der Wachstumsphase – trotz hoher privater Sparquote in der Schweiz und 1000 Milliarden verwalteten Vermögen der Pensionskassen. Es verwundert daher nicht, dass die grosse Mehrzahl der eingereichten Patente von den etablierten Unternehmen stammen und nicht von Start-ups.
Neben dem brachliegenden Potenzial bei der Schweizer Start-up-Szene zeigt sich aber noch eine andere Entwicklung, die den heutigen Innovationsweltmeister Schweiz beunruhigen muss. Ängste vor dem technologischen Wandel greifen um sich und sie reichen von Technologieskepsis bis zur offenen Bekämpfung neuer Technologien. Dahinter stehen einerseits Befürchtungen, dass mit der Welt 4.0 ein grosser Teil der heutigen Arbeitsplätze vernichtet wird. Im Bundeshaus fordern Gewerkschafter ein E-Mail-Verbot für Arbeitnehmende nach Feierabend. Sie scheinen zu verdrängen, dass mittlerweile 6,2 Millionen Menschen in der Schweiz ein Smartphone besitzen und auch ausserhalb der Arbeit regelmässig einen Blick aufs Handy werfen. Anderseits werden gesundheitliche Gründe angeführt.
Kantone sprechen Moratorien für die Installation neuer 5G-Antennen aus, gegen jedes dritte Baugesuch von Swisscom und Sunrise wird Einsprache erhoben. Bauverzögerungen von mehreren Jahren sind zu erwarten, mit dem Resultat der verminderten Wettbewerbsfähigkeit. Der grosse Widerstand gegen 5G-Antennen ist exemplarisch für den neuen Zeitgeist der Technologiefeindlichkeit, obwohl mit dieser neuen Technologie die Strahlenbelastung pro gesendete Dateneinheit reduziert würde.
Das zeigt die ganze gesellschaftlich-kulturelle Widersprüchlichkeit unseres Landes: Zwar will man bei Neuerungen die Nase vorn haben, blockiert aber zugleich die Bereitstellung der dafür notwendigen technischen Infrastruktur. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Das Gentech-Moratorium wird vom Parlament in regelmässigen Abständen um weitere vier Jahre verlängert, so dass es zum Providurium verkommt. Neue globale Forschungserkenntnisse werden ausgeblendet.
Das jüngste Beispiel der politischen Empörungswelle ergoss sich über das geplante Sponsoring des Tabakunternehmens Philipp Morris für den Schweizer Pavillon an der Expo 2020 in Dubai. Die Gegner des blauen Dunstes blenden aus, dass das Unternehmen seine Ziele fundamental neu ausrichtet, wegkommt von der herkömmlichen Zigarettenproduktion und mit milliardenschweren Investitionen auf technische Alternativprodukte für Raucher setzt. Ob das funktioniert, sollte eigentlich der Markt entscheiden. Und statt der Bundespolitik Beine zu machen, um unsere direkte Demokratie (endlich) ins digitale Zeitalter zu überführen, wird eine Volksinitiative lanciert, die an den analogen Abstimmungskanälen festhalten will und faktisch zum Verbot von E-Voting führen wird. Kollateralschäden für Auslandschweizer und Menschen mit Behinderungen werden in Kauf genommen.
All diesen Tendenzen ist gemeinsam, dass mit dem Rezeptmix aus Regulierung, öffentlichen Protesten und staatlicher Intervention das Zeitalter der technologischen Weiterentwicklung gestoppt oder zumindest verzögert werden soll. Haben wir aber den Anspruch, in der Liga der weltweit innovativsten Länder ganz vorne mitzuspielen, sind technologische Neuerungen wieder vermehrt zuzulassen. Sie vermögen am besten den notwendigen wertschöpfungsgenerierenden Innovationsschub auszulösen.
Dieser Beitrag ist am 12. August im «St. Galler Tagblatt», in der «Solothurner Zeitung» und der «Aargauer Zeitung» erschienen.