Geht es um die Politik in den westlichen Demokratien, weht der Digitalisierung zunehmend ein rauer Wind entgegen. Sie wird für die Wahl Trumps, den Brexit oder den aufkommenden Populismus mitverantwortlich gemacht. Im Schweizer Fokus stehen insbesondere die direktdemokratischen Instrumente, weil sie das politische System der Schweiz so besonders machen. Unterschätzt wird dabei, wie sehr die Prozesse von der Digitalisierung bereits erfasst sind. Entsprechend lautet die Frage nicht, ob die Digitalisierung im demokratischen System Einzug hält, sondern nur: Wann und wie?
Der vorläufige Stopp von E-Voting auf eidgenössischer Ebene zeigt beispielhaft, wie wichtig eine nüchterne Abwägung ist. Fabian Schnell und Matthias Ammann leisten sie in der neusten Avenir-Suisse-Publikation «Digitale Direkte Demokratie». Die Autoren fokussieren dabei auf die Digitalisierung der drei zentralen Pfeiler der direktdemokratischen Entscheidungsfindung:
E-Collecting: Das elektronische Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden
Die elektronische Identität (E-ID) ist eine entscheidende Infrastruktur und sollte konsequenterweise Einzug in unseren Alltag halten. Dabei wäre erwünscht, dass auch Unterschriften für Initiativen und Referenden gesammelt werden können. Notwendig ist dann eine Anpassung der Hürden. Avenir Suisse schlägt deshalb vor, das nötige Quorum bei der Unterschriftensammlung mittels E-Collecting auf rund 6% der Stimmbevölkerung zu verdreifachen.
E-Discussion: Der Meinungsbildungsprozess im digitalen Raum
Die digitale Sphäre ist eine Erweiterung des öffentlichen Raumes und sollte von der Politik in erster Linie als Chance zur Vereinfachung des Meinungsaustauschs verstanden werden. Natürlich erleichtert es das Internet, Fehlinformationen zu verbreiten oder Empörung zu bewirtschaften. Doch wurde den Schweizerinnen und Schweizer schon seit je viel Verantwortung übertragen. Als käuflich oder manipulierbar galt das direktdemokratische System entgegen vieler Befürchtungen nie. Die Schweizer Politik sollte sich den Herausforderungen der neuen Kommunikationskanäle stellen. Zusätzliche Regulierungsversuche sind in diesem dynamischen und vor allem im Kern von der Schweizer Gesetzgebung unabhängigen Bereich nicht zielführend.
E-Voting: Das Abstimmen und Wählen über das Internet
Die Entwicklung von E-Voting steht im Kreuzfeuer der Kritik, wobei auffällt, dass die Vorteile und Chancen der elektronischen Stimmabgabe in der Diskussion fast untergehen. Die Vereinfachung für Auslandschweizer und Menschen mit Behinderungen, die Vermeidung ungültiger Stimmabgaben oder die Möglichkeit zur Verifizierung der eigenen Stimme sind dabei nur eine Auswahl. Auf der anderen Seite fällt auf, dass die klassischen Stimmkanäle gerade auch bezüglich Sicherheit fast schon überhöht werden. Falls E-Voting in Zukunft ohne Medienbruch genutzt werden kann, wäre es ausserdem möglich, Präferenzen kohärent zu erfassen. Ergänzende demokratische Abstimmungsverfahren könnten eingeführt werden. Die Überführung von E-Voting in den ordentlichen Betrieb und seine technische Weiterentwicklung sind deshalb trotz Marschhalt für die Weiterentwicklung unserer direkten Demokratie notwendig.
Insgesamt brauchen die politischen Prozesse in der digitalen Welt keine radikale Neuausrichtung. Die Chance hingegen, durch moderne Technologien die direkte Demokratie näher an die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu bringen, ist zu nutzen. Die politischen Strukturen der Schweiz werden seit 1848 laufend den gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst. Angst vor diesem Prozess ist ein schlechter Ratgeber.