Ist ein Uber-Fahrer selbständig oder angestellt? Und wie sieht es aus bei einem Büroangestellten, der im Zweitjob für eine Online-Plattform Essen ausliefert? Menschen mit «modernen» Jobs geraten in unklare Situationen, weil gewisse Arbeitsformen nach den geltenden Kriterien nicht eindeutig als selbständige oder unselbständige Tätigkeit eingestuft werden können.

Diese Zuordnung ist wichtig, weil sie den Umfang der Abdeckung durch die Sozialversicherungen bestimmt. Angesichts der mittelfristig wohl steigenden Zahl an «digitalen Arbeitnehmenden» und der wachsenden Bedeutung von Online-Plattformen schlägt Avenir Suisse in einer neuen Publikation die Schaffung einer dritten Kategorie vor: jener des «selbständigen Angestellten».

Die wichtigsten Merkmale der «selbständigen Anstellung» sind:

  • Pauschaler Sozialversicherungsschutz: Selbständige Angestellte profitieren von einem pauschalen Sozialversicherungsschutz, ähnlich wie die normalen Arbeitnehmer, jedoch weniger umfangreich. Die Beiträge werden mit dem Arbeitgebenden hälftig geteilt. Die Abdeckung enthält die AHV, den Mindestbeitrag an die Berufsvorsorge (ab dem ersten Franken und ohne Koordinationsabzug) und eine minimal gehaltene Lohnfortzahlung im Falle von Krankheit oder Unfall. Da selbständige Angestellte über den Umfang der Arbeit entscheiden können (z.B. indem sie sich nicht auf die Plattform einloggen), wird das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht gedeckt. Gleichzeitig entfällt die Beitragspflicht an die ALV.
  • Opting-in für beide Seiten: Heute erfolgt die Einteilung in selbständige oder unselbständige Angestellte von Amtes wegen, oft durch die Sozialversicherungen. Der neue Status des selbständigen Angestellten ist als freiwillige Option für Arbeitgebende und Arbeitnehmende konzipiert, und weder der Arbeitgebende bzw. Auftraggeber noch der Leistungserbringer können dazu verpflichtet werden. Beide Parteien müssen dem Status des selbständigen Angestellten ausdrücklich (nicht stillschweigend) zustimmen. Der administrative Aufwand muss gleichzeitig gering gehalten werden. Wichtig ist, dass die Zustimmung auch online erfolgen kann.
  • Abhängig von der Tätigkeit, nicht von der Person: Der Status des selbständigen Angestellten ist von der jeweiligen Tätigkeit abhängig und wird jedes Mal neu festgelegt (wie es derzeit bei den Sozialversicherungen der Fall ist). Der Status ist folglich weder der Person zugeordnet, noch steht er für alle Tätigkeiten dieser Person. Der Status des selbständigen Angestellten eignet sich besonders für kurzfristige, nachrangige oder unregelmässige Einsätze. Auch könnte er dann zur Anwendung kommen, wenn eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeit schwierig ist.
  • Umfassende vertragliche Freiheit: Beide Seiten müssen beim Status des selbständigen Angestellten nur Mindestbestimmungen definieren: Arbeitsumfang, Lohn, erwartete Arbeitsleistung und Arbeitsdauer. Auf die Festlegung eines Pensums oder des Arbeitsortes kann verzichtet werden. Es ist auch keine Entschädigung für Feiertage und Ferien oder eine Kündigungsfrist erforderlich. Bei Verzicht auf den Status des selbständigen Angestellten gelten die üblichen Bestimmungen der Lohnarbeit bzw. der selbständigen Tätigkeit.
  • Sozialpartnerschaft möglich: In Branchen mit vielen selbständigen Angestellten können die allgemeinen Arbeitsbestimmungen vom Arbeitnehmer, von Gewerkschaften oder weiteren Organisationen, die die Rechte der selbständigen Angestellten vertreten, verhandelt werden (ähnlich wie bei einem GAV). Diese allgemeinen Arbeitsbestimmungen dürfen nicht einseitig geändert werden.
Sogenannte Plattformarbeiter wären typische «selbständige Angestellte». (Bild: Velokurier,Fotolia)

Sogenannte Plattformarbeiter wären typische «selbständige Angestellte». (Bild: Fotolia)

Eine radikalere Lösung wäre, gänzlich auf eine Unterscheidung von Selbständigen und Angestellten zu verzichten. Das wäre aber kaum praktikabel. De facto würde die mangelnde Differenzierung dazu führen, dass Sozialversicherungen wie die Berufsvorsorge oder die Arbeitslosenversicherung auch für Selbständige obligatorisch würden. Daher ziehen wir die vorgeschlagene Lösung eines zusätzlichen Status auf freiwilliger Basis vor. In unklaren Fällen wäre der neue Status eine zusätzliche Option, ohne die anderen beiden, bewährten Stati zu untergraben.