Die Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betrafen nicht nur die Wirtschaft, sondern hatten auch erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Finanzielle Unsicherheit, fehlende Zukunftsperspektiven und die Einschränkung sozialer Beziehungen lösten bei vielen Betroffenen Stress und Ängste aus.  

Laut der «Swiss Corona Stress Study» stieg der Anteil der Personen, die an schweren depressiven Symptomen leiden, von 3% im Februar 2020 auf 18% auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im November 2020. Schwere Depressionen können in vielen Formen auftreten und manchmal einen stationären Aufenthalt erfordern. Im Jahr 2017 benötigten ca. 10% der Patienten einen Klinikaufenthalt. Bezogen auf die oben erwähnten 18% hätten die Depressionen zwischen Februar und November zu geschätzten 60 000 bis 120 000 zusätzlichen Klinikaufenthalten geführt. Selbst unter dem konservativsten Szenario war der Bedarf für Spitaleinweisungen im gleichen Zeitraum aufgrund von Depressionen viermal höher als jener der tatsächlichen Hospitalisierungen infolge des Coronavirus (15 000 Personen). 

Der Anteil der Personen, die an schweren depressiven Symptomen leiden, stieg von 3% im Februar 2020 auf 18% im November 2020. (Anthony Tran, Unsplash)

Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da die Ergebnisse der Studie auf einer Online-Umfrage beruhen, die von Personen ausgefüllt wurde, die bereits den Verdacht hatten, Symptome einer Depression zu haben. Trotz des daraus resultierenden Risikos einer Selektionsverzerrung zeigen die Grössenordnungen, dass die Nachfrage nach stationären Behandlungen wahrscheinlich nicht gedeckt werden konnte. Tatsächlich wurden vor der Pandemie 80 000 Menschen pro Jahr aus psychischen Gründen hospitalisiert, sämtliche psychische Erkrankungen eingeschlossen. Angesichts der oben beschriebenen zusätzlichen Nachfrage ist es klar, dass die Spitalkapazitäten nicht ausreichend waren.  

Angesichts dieser Situation musste im psychiatrischen Bereich eine Selektion der Patienten vorgenommen werden. Viele Menschen, die von einem stationären Setting hätten profitieren können, mussten sich mit einer ambulanten Behandlung begnügen, sofern ein Therapeut verfügbar war. Im Gegensatz zum Risiko der Rückweisung von Covid-19-Patienten am Spitaleingang wurde die Frage der psychiatrischen Rückweisung kaum diskutiert. 

Die Corona-Massnahmen waren nicht alleiniger Auslöser für Depressionen. Diese angstauslösende Situation hat jedoch die Entstehung dieser weniger sichtbaren, aber sehr realen «Pandemie innerhalb einer Pandemie» begünstigt. Um zukünftige Pandemien besser vorhersehen zu können, ist es entscheidend, die Belastbarkeit des psychiatrischen Systems von vorneherein zu überprüfen. 

In der Sommerreihe «Corona in Zahlen» beleuchten die jüngeren Forscherinnen und Forscher von Avenir Suisse die Folgen der Pandemie für unterschiedlichste Bereiche unserer Gesellschaft: die Staatsausgaben, den Aussenhandel, Verkehrsfragen, die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, die Gleichstellung – und vieles mehr.