Ungefähr zeitgleich mit der Einreichung der Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» hat auch das Thema des Risikokapitals wieder Eingang in die Schlagzeilen gefunden. Bei letzterem handelt es sich bekanntlich um ein zyklisches Phänomen, weil Risikokapital eng und positiv mit den konjunkturellen Schwankungen korreliert. In guten Zeiten gibt es mehr, in schlechteren weniger Risikokapital, wie die Grafik zeigt. Dies spiegelt sich auch in der Politik: entweder rangiert die Frage des Risikokapitals auf der wirtschaftspolitischen Agenda weit unten oder weit oben.  Dann ertönt schnell die Forderung, es gebe zu wenig Risikokapital und es brauche deshalb staatliche Massnahmen oder Eingriffe wie steuerliche Erleichterungen, staatliche Fonds oder die gezielte Förderung von Unternehmen oder Branchen.

Wagniskapital-Finanzierung in der Schweiz

Innovation braucht Investition

Grundsätzlich gibt es in der wirtschaftlichen Realität nie genügend Risikokapital, leben wir doch in einer Welt mit begrenzten Ressourcen. Für die Schweiz hat die Frage, wie die Unternehmensdemografie über Neugründungen, Start-ups und Spin-offs mittels Risikokapital im Interesse einer positiven gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung laufend erneuert werden kann, eine hohe wirtschaftspolitische Bedeutung.  Avenir Suisse hat sich in früheren Arbeiten eingehend mit diesem Problemkreis befasst (siehe z.B. «Der Venture-Capital Markt in der Schweiz», 2009).  Aber was hat das alles mit der Erbschaftssteuerinitiative zu tun?

Innovationsbereitschaft  und Innovationsfinanzierung sind im globalen Technologiewettbewerb wichtige Erfolgsfaktoren. Das gilt nicht nur für Grossunternehmen, sondern auch für KMU.  Vor allem für die unter internationalem Konkurrenzdruck stehenden Firmen ist der technologische Vorsprung ein wichtiger Trumpf. Die Finanzierungsfrage ist für viele dieser Firmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten  eines der grössten Hemmnisse ihrer Innovationstätigkeit. Deshalb müssen alle möglichen Quellen der Innovationsfinanzierung offen bleiben. Zu diesen Quellen gehören nicht selten die Besitzer grosser Vermögen. Sie lassen sich vom möglichen Scheitern eines Projekts häufig weniger abschrecken und sind bereit, entweder direkt oder indirekt in junge Unternehmen oder in Risikokapital zu investieren. Zwar gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die die Innovationsfinanzierung und die Bereitstellung von Risikokapital bestimmen. Eine Erbschaftssteuer aber erhöht die Gefahr, dass diese Quellen in Zukunft weniger reichlich sprudeln.

Zerschlagung von Vermögenseinheiten

Hinzu kommt ein Zweites: Die Erbschaftssteuer erschwert auch die Nachfolge in Unternehmen. Sie erhöht die Gefahr, dass sinnvolle Vermögenseinheiten zerschlagen werden und selbständige Unternehmer verschwinden. Hohe Vermögen sind ja meistens in Firmenkapital investiert. Wenn eine Erbschaftssteuer dazu führt, dass Firmen und damit auch Arbeitsplätze gefährdet werden, tönt das von den Initianten der Initiative bemühte Argument der Verteilungsgerechtigkeit hohl.  Muss durch die Liquidierung von Vermögensteilen die optimale Betriebsgrösse geopfert werden, beeinträchtigt dies nicht nur die Effizienz der Produktion, sondern auch das Beschäftigungspotenzial. Diese Problematik ist heute aktueller als früher, weil  in vielen mittelständischen Unternehmen Generationenwechsel  anstehen. Eine Erbschaftssteuer erschwert die dafür nötigen Vorkehrungen und kann die Bereitschaft zur Firmenübernahme beeinträchtigen. Sie verletzt zudem das Prinzip der Produktionsneutralität, weil aus steuerlichen Gründen nicht die optimale Betriebsgrösse realisiert werden kann.  Daran ändert auch nichts, dass die Initiative einen Freibetrag von 2 Mio. Franken und eine nicht näher präzisierte Sonderlösung für Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe vorsieht.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Eine Erbschaftssteuer hätte negative Auswirkungen auf den Risikokapitalstock und die Unternehmensnachfolge. Damit würde der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz ein Bärendienst erwiesen. Und dies in einer Zeit, in der der Wirtschaftsstandort Schweiz vor grossen Bewährungsproben steht.  In einem wachstums- und innovationsfreundlichen Steuersystem hat eine Erbschaftssteuer keinen Platz, weil das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht auf Vermögenstransaktionen wie Erbschaften anwendbar ist.