Es gibt viele Argumente gegen das Quotenmodell zur Förderung erneuerbarer Energien. Doch gerade für die Schweiz weist es entscheidende Vorteile auf. Eine Übersicht über Pro-und Kontra-Argumente.
Unter Ökonomen gibt es einen Konsens darüber, dass eine Internalisierung negativer externer Effekte den effizientesten Weg darstellt, um umweltschädigende Emissionen auf ein sinnvolles Niveau zu senken. Im Fall der Treibhausgasemissionen läuft dies auf eine finanzielle Belastung des CO2-Ausstosses hinaus. Doch die Praxis und vor allem die Politik halten sich nicht immer an die Theorie. Ökonomen sind deshalb nicht selten dazu angehalten, zweitbeste Lösungen aufzuzeigen, damit nicht die schlechteste angewendet wird. Das gilt auch beim Avenir-Suisse-Vorschlag zur Reform der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV).
Dieser sieht vor, dass die bisherigen technologiespezifischen Subventionen für Erneuerbare Energien (EE) durch ein Quotenmodell abgelöst werden. Dieses verpflichtet Versorger (oder Grossverbraucher, die ihren Strom direkt am Markt beziehen) pauschal dazu, einen Teil ihres Strombedarfs mit EE zu decken – durch Eigenproduktion oder Beschaffung eines (grünen) Zertifikats. Gerade die Befürworter der Förderung EE kritisieren eine vermeintliche Vielzahl von Schwächen beim Quotenmodell und fordern, dass man besser an der «bewährten» KEV festhalten soll. Die Kritik lässt sich einfach entkräften. Lesen Sie im Folgenden einen Überblick über die einzelnen Gegenargumente – und die entsprechenden Antworten darauf.
1.Die KEV treibt den Ausbau erneuerbarer Energien am schnellsten voran.1 Wird die KEV alleine an der Geschwindigkeit des EE-Ausbaus gemessen, würde sie tatsächlich mit einer Bestnote ausgezeichnet. Doch das Modell ist gerade deshalb ausserordentlich teuer.
Tatsächlich liegt in Ländern wie Portugal, Spanien oder Deutschland, wo die Förderung in erster Linie über ein Modell der Einspeisevergütung (KEV bzw. variable Prämie) erfolgt, der Anteil der subventionierten erneuerbaren Energien an der gesamten Stromerzeugung besonders hoch (vgl. Abbildung). Das verwundert nicht. Schliesslich entschädigt die KEV die Betreiber von EE-Anlagen auf Basis der anfallenden Durchschnittskosten – dazu gehören auch die Kapitalkosten. Der Investor hat im KEV-Modell eine faktische Kapitalversicherung, wodurch ausgeprägte Investitionsanreize entstehen: Investoren können sichere Erträge erwarten und tragen kaum ein Risiko. Sind die vom Gesetzgeber bestimmten Kapitalrenditen ausreichend hoch, werden die Anleger ihr Geld nicht in den Kapitalmarkt, sondern in den Ausbau erneuerbarer Energien lenken. Je grosszügiger die Subventionen sind, desto rascher geht der Ausbau der EE voran. Wird die KEV alleine an der Geschwindigkeit des EE-Ausbaus gemessen, würde sie tatsächlich mit einer Bestnote ausgezeichnet.
Technologische Ineffizienz wird auch noch belohnt
Die Beurteilung fällt jedoch anders aus, wenn auch Kosten-Nutzen-Überlegungen berücksichtigt werden. Weil die KEV nach Technologie differenziert und kostenbasiert ausbezahlt wird, gilt sie als eigentliches Technologieförderinstrument. Die Idee dahinter: Je mehr Anlagen gebaut werden, desto höher sind Skalen- und Lerneffekte in der Branche. Mittelfristig sollten die Produktionskosten derart stark sinken, dass die geförderte Technologie auf eigenen Beinen stehen kann und marktfähig wird. Die Nachteile einer solchen Subvention sind offensichtlich. Teurere, ineffizientere Technologien erhalten automatisch eine stärkere Förderung. Das Modell ist ausserdem besonders anfällig für technologiespezifisches Lobbying im politischen Prozess.
Fehlender Bezug zum Markt und den Preisen
Viel gravierender aber ist der mangelnde Bezug zum Markt. Die KEV garantiert den EE-Erzeugern die Abnahme des produzierten Stroms zu festen Vergütungssätzen. Als Folge davon investieren und produzieren diese unabhängig von Angebot und Nachfrage im Markt. Die damit verbundenen Preisverzerrungen im Strommarkt sind vernachlässigbar, solange der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix verschwindend klein ist. Das aber ist Vergangenheit: In Deutschland liegt der Anteil der EE an der Bruttostromerzeugung 2013 bei fast einem Viertel.
Weil Technologien wie Wind oder Photovoltaik (PV) praktisch keine variablen Kosten aufweisen und im KEV-Modell Abnahmegarantie für den erzeugten Strom besteht, verdrängt ihre Produktion bei günstiger Witterung immer häufiger die konventionellen Kraftwerke aus dem Markt. Bereits heute führt ein sehr grosses, kurzfristiges Angebot von Wind oder Photovoltaik zum völligen Preiszerfall oder gar zu negativen Preisen auf dem Strommarkt. Über den internationalen Handel ist auch die Schweiz davon betroffen. Von der Preiserosion (dem sog. Merit-Order-Effekt) sind die EE selber am stärksten betroffen: Bei viel Wind oder Sonne ist zwar die Energieerzeugung durch Windkraft oder Photovoltaik hoch, doch ist der am Markt erzielbare Preis aufgrund des temporären Überangebots tief. Damit steigt gleichzeitig der Subventionsbedarf pro produzierter Energie.
Reformen der KEV unausweichlich
Die wachsenden Markt- und Preisverzerrungen machen nicht nur die KEV als Förderinstrument teurer und ineffizienter, sondern bringen auch immer stärker die konventionellen Kraftwerke in Bedrängnis. Diese aber sind weiterhin nötig, um bei Bedarf die fluktuierenden EE auszugleichen. Es ist daher an der Zeit, vom Modell der Technologieförderung wegzukommen. Für die Schweiz gilt das ganz besonders. Schliesslich können Subventionen in einem derart kleinen Land die weitere Kostendegression einer Technologie kaum beeinflussen. Ziel eines inländischen Modells sollte vielmehr die effiziente Integration der EE in den Markt sein. Preissignale müssen Produktion und den weiteren Ausbau der EE lenken. Das heisst aber, dass das «Vollversicherungsmodell» der KEV für die Investoren wegfallen muss.
2.Die internationalen Erfahrungen mit dem Quotenmodell sind nicht überzeugend. Die Effizienz des Quotenmodells hängt in erster Linie von seiner Ausgestaltung ab. Anstelle von Grossbritannien, Belgien und Italien sollte Schweden als Vorbild genommen werden.
Tatsächlich sind die internationalen Erfahrungen mit dem Quotenmodell gemischt. Ob und wie die Quotenmodelle in der Praxis funktionieren, hängt letztlich von deren Ausgestaltung ab.
Fehlentwicklungen in Grossbritannien, Belgien und Italien
Im Fall von Grossbritannien wird häufig auf das Verfehlen der Ausbauziele hingewiesen. Ein zentraler Grund dafür lag in den zu geringen Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der Quote. Es gab daher gar keine Anreize, die Quote einzuhalten. Dass unter diesen Umständen überhaupt in EE investiert wurde, ist auf den ersten Blick erstaunlich. Dies hängt mit einem System der Rückverteilung der Strafzahlungen zusammen. Die Auszahlungen aus dem Strafzahlungsfonds erfolgten nach Massgabe der vorgelegten Grünstromzertifikate. Der Wert des Grünstromzertifikats bildete sich daher aus der vermiedenen Strafzahlung plus Ertrag aus der Rückverteilung der Strafzahlungen. Interessant ist auch die Preis-verzerrende Regulierung im belgischen Quotensystem. In den beiden Quotenmodellen von Flandern und Wallonien konnten Betreiber von PV-Anlagen und Offshore-Wind ihre grünen Zertifikate zu einem Fixpreis (der über dem mittleren Zertifikatspreis am Markt lag) an den Netzbetreiber verkaufen. Dadurch resultierte ein Mindestpreis für Zertifikate, wodurch eine Art Prämienmodell entstand.
In Italien wurde die Quote nicht den Versorgern, sondern den Produzenten und Importeuren von Strom auferlegt. Dadurch schlagen sich die Kosten für die Quotenerfüllung im Stromgrosshandel nieder – 2012 dürfte es sich etwa um einen Preisaufschlag von 5 bis 6 Euro/MWh gehandelt haben. In diesem System ist es jedoch schwieriger, energieintensive Unternehmen von den Kosten der Förderung EE auszunehmen, da es im Gegensatz zur KEV keine gesonderte Position auf der Stromrechnung gibt. Der politische Support für ein solches Modell dürfte sich daher in Grenzen gehalten haben. Ohnehin entfernte sich das italienische System ab 2008 von einem idealtypischen technologieneutralen Quotenmodell. Der Beitrag der EE wurde neu nach ihrer Kostenintensität gewichtet. Die Gewichtung der Quote bringt das Modell in die Nähe eines Prämienmodells. Parallel zum Quotenmodell gibt es in Italien ausserdem eine KEV für die PV.
Schweden als Vorbild
Von Italien, Grossbritannien und Belgien kann man zwar lernen, doch dienen sie nicht als Vorbilder. Ein solches würde sich dafür in Schweden finden. Dort wurde das Quotenmodell bereits 2003 eingeführt. Seit 2012 wird es in einem länderübergreifenden System mit Norwegen betrieben. Das Modell ist technologieneutral gestaltet – es gibt also keine Technologiegewichtung. Ausserdem werden die Quoten nicht den Produzenten und Importeuren auferlegt, sondern den Versorgern und Endverbrauchern, die sich direkt am Markt eindecken.
Dass im schwedisch-norwegischen System kaum PV, sondern vor allem Wasser- und Windkraft sowie Biomasse ausgebaut wird, spricht nicht gegen das Quotenmodell. Vielmehr funktioniert es gerade deshalb, weil es die in der Region effizientesten Technologien fördert. Schweden jedenfalls gilt als eines der EU-Länder, die voraussichtlich ihre EE-Ziele bis 2020 erfüllen werden. Die Kosten pro produzierter EE liegen dabei weit unter jenen Deutschlands (vgl. Abbildung).
3.Das Quotenmodell ist in kleinen Ländern besonders teuer, da die Kosten einer ineffizienten Technologie die Abgeltung für alle EE-Betreiber bestimmen. Avenir Suisse hat daher ein Modell vorgeschlagen, das durch den Einbezug des Ausbaus von Grosswasserkraft sowie Investitionen im Ausland einen grösseren, wettbewerblichen Markt für EE schafft.
Im Quotenmodell erhalten die Betreiber von EE-Anlagen zwei unterschiedliche Erträge. Erstens den Erlös aus dem Stromverkauf am Markt, und zweitens den Erlös aus der Veräusserung des Grünstromzertifikats. Während der erste Ertrag je nach technologiespezifischem Produktionsprofil differiert, ist der zweite für alle EE derselbe. Effizientere Technologien mit einem höheren Marktwert erhalten dadurch stärkere Anreize für den Ausbau. Allerdings setzt ein effizientes Quotenmodell einen funktionierenden Wettbewerb zwischen unterschiedlichen EE-Technologien voraus. In einem kleinen Markt wie der Schweiz besteht die Gefahr, dass nur eine oder wenige Technologien mit vergleichsweise hohen Kosten ein relevantes Ausbaupotenzial ausweisen. Sie würden in jedem Fall zum Einsatz kommen, um die Quote zu erfüllen. Am Markt für Grünstromzertifikate bildet sich dann ein Preis, der sich an den Kosten dieser teuersten Technologie orientiert. Im Fall der Schweiz wäre das tendenziell eine PV-Anlage an einem eher sonnenarmen Standort. Alle anderen Technologien mit tieferen Kosten könnten dann von den hohen Preisen für die Zertifikate profitieren.
Grosswasserkraft und EE im Ausland berücksichtigen
Avenir Suisse schlägt daher vor, dass auch der Ausbau von Grosswasserkraftwerken (jedoch nur der Ausbau, keine bestehenden Anlagen) in das Quotenmodell integriert wird. Das ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll. Schliesslich sind unter den heutigen Marktbedingungen zahlreiche Grosswasserkraft-Ausbauprojekte nicht wirtschaftlich und daher sistiert. Umgekehrt sind viele Kleinwasserkraftwerke, die von der KEV profitieren würden, teuer und von zweifelhaftem ökologischem Nutzen. Darüber hinaus sollen Investitionen bzw. die Produktion von erneuerbaren Energien im europäischen Ausland berücksichtigt werden. Damit würde der Markt grösser, liquider und wettbewerblicher. Welche Technologie in diesem Markt den Preis für ein Grünstromzertifikat bestimmt, ist offensichtlich – mit einiger Wahrscheinlichkeit wäre es ein Offshore-Windkraftwerk im Ausland.
4.Das Quotenmodell ist administrativ (zu) aufwändig. Das trifft noch viel mehr für die KEV zu. Im Gegenteil schafft ein Quotenmodell Vereinfachungen, da die ständigen Anpassungen der administrierten Vergütungssätze entfallen.
Das Argument gilt noch mehr für die KEV, wo für jede Technologie und Sub-Technologie in unterschiedlichen Skalierungen und an unterschiedlichen Standorten differenzierte Fördersätze festgelegt werden müssen. Der Prozess ist besonders aufwändig, da die Sätze ständig den neuen, tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden müssen. So sind etwa die dynamisch sinkenden Kosten bei der PV laufend in den aktuellen Fördersätzen abzubilden. In der Praxis hinkt die Administration mit diesem Anpassungsprozess den tatsächlichen Kostenentwicklungen hinterher. Als Folge davon profitieren die Investoren von Extraprofiten, da sich die Fördersätze noch an den höheren Kosten orientieren. Das Quotenmodell schafft hier Abhilfe: Es gibt nur noch einen Preis für Grünstromzertifikate. Und dieser bildet sich nicht in einem administrierten Prozess, sondern am Markt. Die Vielzahl von Fördersätzen fällt weg, auch der überbordende administrative Aufwand für die ständigen Anpassungen.
Erfahrungen mit Herkunftsnachweisen
Auch ist der Prozess der Ausstellung sowie des Handels mit Grünstromzertifikaten nichts gänzlich Neues in der Schweiz. Ähnliche Erfahrungen bestehen bereits mit sogenannten Herkunftsnachweisen (HKN). Allerdings sind HKN und Grünstromzertifikat nicht gleichzusetzen. Der HKN für Strom bezeichnet beispielsweise die Energiequelle, den Zeitraum der Erzeugung, den Standort bzw. Typ und Kapazität der Anlage, bereits erhaltende Förderbeiträge, Datum der Inbetriebnahme, Ausstellungsdatum. Gesetzliche Grundlagen für HKN existieren sowohl in Europa (Richtlinie 2009/28/EG, Artikel 15), als auch in der Schweiz (Herkunftsnachweis-Verordnung). Schon heute werden HKN für die Bezeichnung der Naturstromprodukte oder den Nachweis eines ökologischen Mehrwerts beim Export von Strom ins Ausland verwendet. Vor allem aber werden HKN bereits heute separat gehandelt – ähnlich wie dies bei Grünstromzertifikaten vorgesehen ist.
5.Vom Quotenmodell profitieren nur grosse Stromproduzenten. Ganz im Gegenteil ist das Quotenmodell technologieoffen und diskriminiert weder kleine noch grosse EE-Produzenten. Allerdings sind diese dazu angehalten, ihre Produktion künftig selber mit den Markt zu koordinieren – dafür aber werden sich selbständige Dienstleister etablieren.
Idealerweise ist ein Quotenmodell so gestaltet, dass es jede Technologie gleichwertig zulässt. Welche EE tatsächlich ausgebaut werden, hängt dabei nicht von politisch-administrativen Entscheiden, sondern von der Höhe der festgelegten Quote, den Produktionskosten der Technologie sowie dem Wert der produzierten Energie an der Strombörse ab. Es gibt a priori keinen Mechanismus, der grosse oder etablierte Akteure im Markt einseitig begünstigt. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass es im gegenwärtigen Marktumfeld vor allem für die kleinen, dezentralen PV-Anlagen – etwa auf den Dächern von Einfamilienhäusern – schwierig wäre, sich gegen tendenziell günstigere Technologien wie Onshore-Wind, Wasserkraft oder Biomasse durchzusetzen. Mittelfristig kann sich das ändern, wenn die Kosten für Solarpanels weiter sinken, effiziente (dezentrale) Speichertechnologien verfügbar sind und den Wert des PV-Stroms am Markt erhöhen. Doch selbst wenn der Ausbau von dezentral produzierenden EE wie der PV vorab gebremst wird, geht damit keine systematische Bevorzugung der etablierten Produzenten und Versorger einher. Schliesslich ist der EE-Markt für unabhängige oder gar ausländische Akteure offen.
Falsch verstandene «Demokratisierung» durch die KEV
Häufig wird mit der KEV eine Art «Demokratisierung» der Energiewirtschaft assoziiert, weil einzelne Bürger mit ihrer PV-Anlage persönlich zur Energiewende beitragen. Tatsächlich ist das KEV-Modell so gestaltet, dass es eine Marktteilnahme ausserordentlich einfach macht. EE-Produzenten installieren und betreiben ihre Anlage, der produzierte Strom wird vom Netzbetreiber oder einer anderen zentralen Institution abgenommen und fest vergütet. Man spricht auch von «produce and forget» – der Produzent muss sich um nichts kümmern, weder um die Vermarktung, noch um Produktions- und Lastprognosen oder um die Bereitstellung von Ausgleichsenergie. Doch dies ist gleichzeitig das Problem der KEV: Weil sich die EE-Produzenten nicht um den Markt kümmern müssen, richten sie weder ihre Produktion noch die Investitionen am Markt und den (erwarteten) Preisen aus. Mit dem wachsenden Anteil EE nehmen die Marktverzerrungen zu.
Es ist offensichtlich, dass sich diese Form der «Demokratisierung» nicht nachhaltig mit einem funktionierenden Strommarkt kombinieren lässt. Ein Übergang zu einem System mit Direktvermarktung ist unumgänglich, um die Betreiber von EE-Anlagen in den Markt zu integrieren. Das heisst, sie werden verpflichtet, ihren Strom selber zu vermarkten. Dadurch entstehen Anreize, den Strom vor allem während Perioden mit hohen Preisen anzubieten. Durch die Direktvermarktung sollen Anbieter und Abnehmer des EE-Stroms ausserdem Modelle aushandeln, bei denen eine intelligente Steuerung zu einer Reduktion der Ausgleichsenergie führt. Natürlich ist der Prozess der Direktvermarktung aufwändig und wird in der Praxis nicht durch jeden einzelnen Betreiber einer EE-Anlage bewältigt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich dazu separate Marktakteure etablieren, die diese Leistung gegenüber Dritten anbieten.
Direktvermarktung auch im bundesrätlichen Vorschlag
Die Direktvermarktung ist übrigens nicht nur im vorgeschlagenen Quotenmodell vorgesehen, sondern auch in den KEV-Anpassungen des Bundesrates. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Modellen liegt bei der Steuerung der Investitionen. Während im Quotenmodell auch die Investitionen und damit die Struktur des weiteren Ausbaus der EE durch die Marktpreise gesteuert wird, adressiert das vom Bundesrat vorgeschlagene Prämienmodell lediglich eine marktnähere Produktion. Denn die variable Prämie bemisst sich an der Differenz zwischen dem klassischen KEV-Vergütungssatz und einem Anlagetyp-spezifischen Referenzmarktpreis. Sinkt der Referenzmarktpreis (weil es z.B. schon zu viel Photovoltaik im Markt gibt), dann steigt automatisch die Prämie. Das heisst, die Prämie kompensiert den geringeren Marktwert einer spezifischen Technologie. Es gibt keinen Mechanismus, der die Investitionen in jene Technologien lenkt, die einerseits kosteneffizient sind, und anderseits auch einen relevanten Wert am Markt haben.
6.Das Fördermodell wird ohnehin bald durch ein Lenkungsmodell abgelöst. Im Strommarkt müsste ein solches Lenkungsmodell unbedingt auf europäischer Ebene installiert werden – ansonsten wären die Handels- und Wettbewerbsverzerrungen zu gross. Welches Gewicht der bereits heute existierende CO2-Emissionshandel nach 2020 haben wird, lässt sich schwer abschätzen. Umso wichtiger ist es, dass ein Schweizer Fördermodell flexibel auf Veränderungen reagiert – genau das garantiert ein Quotenmodell.
Die Strategie des Bundesrats sieht vor, dass in einer zweiten Phase der Energiewende eine sukzessive Ablösung des Förder- durch ein Lenkungssystem stattfindet. Dabei sind die Erhebung einer Energieabgabe und eine Verteilung der Erträge an Wirtschaft und Bevölkerung vorgesehen. Ob und in welcher Weise ein solches System auch in der Elektrizitätswirtschaft relevant würde, bleibt in der Botschaft des Bundesrats unklar. Grundsätzlich aber wären zwei Varianten denkbar:
- Auf den Stromverbrauch wird eine Lenkungsabgabe eingeführt. Diese hat in erster Linie das Ziel, den Verbrauch zu reduzieren. Die Schwäche dieses Ansatzes liegt auf der Hand: Aufgrund der geringen Preiselastizität der Stromnachfrage müsste die Lenkungsabgabe ausserordentlich hoch sein, so dass der Strompreis prohibitiv teuer würde. Nur dann könnte eine relevante Senkung der Stromnachfrage bewirkt werden. Eine Förderung des Ausbaus der EE geht mit den höheren Preisen jedoch nicht zwingend einher. Schliesslich profitieren die EE weder direkt noch indirekt von den Preisaufschlägen bei den Endkunden. Mit der Lenkungsabgabe verbunden sind dagegen Wohlfahrtsverluste und Umverteilungseffekte, die selbst mit einer (aufwändigen) Rückverteilung der Lenkungsabgabe nicht wirklich korrigiert werden könnten. Ohnehin würden stromintensive Unternehmen sich im politischen Prozess von einer solchen Abgabe ausnehmen lassen, damit sie im internationalen Wettbewerb weiter bestehen könnten. Zahlen müssten dann die Haushalte, deren Preiselastizität der Nachfrage besonders tief ist.
- Alternativ kann eine Lenkungsabgabe auf sämtliche CO2-Emissionen erhoben werden. Damit würde in erster Linie der Bau von fossilen Kraftwerken im Inland verhindert. Offensichtlich würde dies dazu führen, dass vermehrt Strom aus ausländischen fossilen Kraftwerken importiert würde. Um ein solches «Carbon Leakage» zu verhindern, müsste der importierte Strom an der Landesgrenze mit einer analogen CO2-Steuer belegt werden. Im Strommarkt ist ein solcher Grenzausgleich schwierig umzusetzen. Damit verbunden wäre eine Behinderung von Importen sowie des grenzüberschreitenden Wettbewerbs. Besonders behindernd wäre der Grenzausgleich für den kurzfristigen Stromhandel an der Börse (day-ahead oder intraday), da die Herkunft dieses Stroms ist unbestimmt ist, ebenso sein CO2-Gehalt. Das aber kann nicht die Idee einer Energiewende sein. Denn gerade die fluktuierenden EE sind auf grosse, liquide und kurzfristige Märkte angewiesen. Eine auf den Schweizer Strommarkt beschränkte CO2-Abgabe wäre daher auch ineffizient und kontraproduktiv für den Ausbau der EE.
Hoffen auf die europäischen CO2-Zertifikate
Eine CO2-Abgabe auf den fossil produzierten Strom muss in einem internationalen Strommarkt unbedingt auch international erfolgen. Mit dem CO2-Zertifkatehandel existiert in Europa bereits ein – im Grunde effizientes – grenzüberschreitendes Modell. Doch durch die Wirtschaftskrise und die wachsende Förderung der EE hat dieses an Bedeutung verloren, und die tiefen Zertifikatspreise konnten keine lenkende Wirkung entfalten. Damit hat in der EU-Klimapolitik eine faktische Gewichtsverschiebung hin zur direkten Förderung erneuerbarer Energien stattgefunden. Es ist unsicher, ob dem Zertifikathandel nach 2020 – wenn die EU ihre neuen Energie- und Klimaziele festgelegt hat – wieder ein stärkeres Gewicht zukommen wird. Vor dem Hintergrund eines mangelnden Konsenses in der globalen Klimapolitik sowie der günstigen Energiepreise in den USA tendiert die europäische Politik dazu, die finanzielle Belastung des CO2-Austosses auf tiefem Niveau zu halten. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die EU auch für die Periode nach 2020 konkrete Ausbauziele für erneuerbare Energien festlegen wird. Würde die Schweiz im Rahmen eines bilateralen Energie- bzw. Stromabkommens am europäischen Strombinnenmarkt teilnehmen, wäre auch sie dazu angehalten, entsprechende Ausbauziele zu übernehmen. Das aber heisst, dass sie in irgendeiner Form auch künftig ein Fördermodell für EE aufrechterhalten müsste.
Quotensystem als flexible Antwort auf die europäische Unsicherheit
Auf jedem Fall ist es schwierig abzusehen, ob der CO2-Emissionshandel mittel- und längerfristig wieder ins Zentrum der europäischen Energie- und Klimapolitik rücken wird. Für einen kleinen offenen Strommarkt wie die Schweiz ist es sinnvoll, die eigene Strategie so zu formulieren, dass sie flexibel auf die Veränderungen im europäischen Kontext reagieren kann. Das Quotenmodell weist sinnvollerweise eine solche Flexibilität auf. Fördern Nachbarländer bestimmte fluktuierende Technologien im Übermass, reduziert sich ihr Marktwert auch in der Schweiz. Im Quotenmodell entstehen Anreize, die bereits im Übermass angebotene EE-Technologie nicht ebenfalls auszubauen.
Sollte ausserdem das CO2-Zertifikat nach 2020 tatsächlich einen deutlich höheren Wert erhalten, sinken automatisch die Preise für Grünstromzertifikate. Sind die CO2-Preise hinreichend hoch, so dass erneuerbare Energien konkurrenzfähig werden und sich im Markt etablieren können, braucht es die Grünstromzertifikate im Grunde gar nicht mehr – denn Investitionen in EE lohnen sich auch bei einem Zertifikatspreis von null. Das aber bedeutet, dass sich das System der Grünstromzertifikate bei einem funktionierenden europäischen CO2-Emissionshandel quasi selber abschafft. Mehr Flexibilität kann man von einem Fördermodell nicht erwarten!
7.Am besten würde man auf jede Form der Förderung verzichten. Auch Avenir Suisse plädiert für eine Minimierung der Ausbauziele für EE in der Schweiz – zu gering ist deren Potenzial, zu hoch die Kosten. Will die Politik EE unbedingt ausbauen, oder ist sie aufgrund der bilateralen Verträge mit der EU faktisch dazu angehalten, dann muss ein Fördermodell technologieneutral und marktnahe sein.
Das Argument ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Einerseits wird die Schweiz alleine mit Subventionen keine Technologie marktreif machen – darüber entscheiden globale Entwicklungen. Anderseits ist der Ausbau der EE für die Schweizer Versorgungssicherheit auf absehbare Zeit wenig relevant. Grosses technisches Ausbaupotenzial gibt es vor allem bei der PV. Diese aber produziert vor allem im Sommer, wenn die Schweiz bereits über genügend Wasserkraft verfügt und die Nachfrage tief ist. Abgesehen davon versuchen Nachbarländer wie Deutschland und Italien während den sonnigen Mittagsstunden ihren überschüssigen PV-Strom im Ausland abzusetzen. (Die Diskussion um den Wert des PV-Stroms wurde unter dem Argument 1 geführt.) Effizienter wäre daher ein Ausbau von Windkraft, deren Kosten tiefer liegen und bei der die Produktion vor allem in den Wintermonaten anfällt. Doch dafür ist das Potenzial in der kleinräumigen Schweiz schlicht zu gering.
Einfluss eines bilateralen Stromabkommens
Man kann aus unterschiedlichen Gründen zum Schluss gelangen, dass eine Förderung von EE in der Schweiz nicht sinnvoll ist. Neben dem Argument eines mangelnden (wirtschaftlich attraktiven) Ausbaupotenzials kann man einwenden, dass Subventionen grundsätzlich nicht zweckmässig und aus ordnungspolitischer Sicht abzulehnen sind. Diese Einwände bringen die Diskussion wieder zum Argument 6, wonach ein Lenkungssystem im Grunde überlegen wäre. Doch gerade im vernetzten Strommarkt muss ein solches Instrument auf europäischer Ebene eingeführt werden – und über die Zukunft des europäischen CO2-Emissionshandels entscheidet nicht die schweizerische Politik.
Die europäische Energie- und Klimapolitik hat daher entscheidenden Einfluss auf eine (zweckmässige) Energiestrategie der Schweiz. Sollte die EU nach 2020 an einem expliziten Ziel für den weiteren Ausbau der EE festhalten, dann wären die Mitgliedstaaten dazu angehalten, irgendeine Form der Förderung aufrecht zu erhalten. Würde die Schweiz im Rahmen eines bilateralen Stromabkommens am europäischen Strombinnenmarkt teilnehmen, wäre auch sie dazu angehalten, entsprechende Ausbauziele zu übernehmen. Dies wiederum würde bedeuten, dass sie irgendeine Form von EE-Förderung beibehalten müsste.
Förderung minimieren und am internationalen Markt ausrichten
Der Vorschlag von Avenir Suisse zur Einführung eines Quotenmodells anstelle der KEV diskutiert daher nicht die Frage, ob die Schweiz überhaupt ein Fördersystem für EE haben sollte. Vielmehr geht das vierte «avenir standpunkte» davon aus, dass die Politik mehrheitlich an einer Förderung festhalten will, oder dass sie faktisch durch die bilateralen Verträge mit der EU dazu angehalten ist. Avenir Suisse plädiert jedoch dafür, dass ein solches Fördermodell strikt technologieneutral ausgestaltet ist und eng am Markt ausgerichtet wird. Dazu eignet sich ein Quotenmodell besser als das vom Bundesrat leicht reformierte KEV-Modell. Und gerade wegen des mangelnden Potenzials in der Schweiz sollte erstens der Ausbau der EE auf ein Minimum beschränkt bleiben, und zweitens müsste das Fördermodell auch attraktivere Investitionsmöglichkeiten im Ausland berücksichtigen. Vorteilhaft wäre eine Integration in ein länderübergreifendes Modell (wie Schweden/Norwegen). In einer zweitbesten Lösung könnten Erneuerbare aus dem europäischen Ausland einseitig angerechnet werden. Die EU-Regelungen erlauben derartige Transfers zwischen Mitgliedstaaten.