podium_wegbereiterinnen

Patrik Schellenbauer, Claudia Wirz, Eric Gujer, Petra Jenner, Doris Aebi (v.l.n.r.)

Die Frage «Was ist liberale Frauenpolitik?» stand in Zentrum einer Podiumsdiskussion anlässlich der Buchvernissage «Wegbereiterinnen der modernen Schweiz». Das von Verena Parzer Epp (Avenir Suisse) und Claudia Wirz (NZZ) herausgegebene Buch porträtiert 31 Pionierinnen der Schweizer Geschichte, die in Wirtschaft, Politik, Kunst, Wissenschaft oder Gesellschaft den heutigen Frauen den Weg ebneten für ein gleichberechtigtes Leben.

Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz schlug in seinen Begrüssungsworten den Bogen zur aktuellen Gleichstellungspolitik. Die Lebensgeschichten der Frauen, die sich ihre Karriere oder generell ein selbstbestimmtes Leben mühsam erkämpfen mussten, trügen auch eine – subtile – politische Botschaft. Sie zeigten, dass die Gleichstellung der Geschlechter kein genuin linkes Anliegen, sondern auch mit einer liberalen Sicht auf Gesellschaft und Wirtschaft geboten sei. Ausserdem zeige die Vielfalt der im Buch beschriebenen Rollenmodelle, dass das wichtige und berechtigte Anliegen nach gleichen Rechten nicht zu einem Streben nach gleichen Resultaten, also zu Quoten und Umverteilung, verleiten dürfe.

Nach der Buchpräsentation durch Verena Parzer Epp diskutierten Doris Aebi (Aebi+Kühne), Petra Jenner (Country Manager Microsoft Schweiz), Patrik Schellenbauer (Avenir Suisse) und Claudia Wirz (NZZ) über die Möglichkeiten liberaler Frauenpolitik, die Frauen Karrieren ermöglicht, aber auf Karrierefeminismus verzichtet.  Die von Eric Guyer (NZZ) geleitete Diskussionsrunde zeigte vor allem eines: Die Ursachen, warum viele Frauen zwar gute Positionen innehaben, den Karriereschritt nach ganz oben aber nicht schaffen –  oder anstreben – sind sehr vielschichtig.

Antiquierte Führungsstile

Für Petra Jenner liegt einer der Hauptgründe in den männlich dominierten, antiquierten Führungsstilen, die auch vielen Männer nicht behagten. Unternehmen müssten heute anders, nämlich kooperativer und teamorientierter, geführt werden. Auch für Doris Aebi sind es weniger wirtschaftliche als kulturelle Barrieren, die den Frauen, die dies überhaupt anstreben, den Weg nach ganz oben versperren. So tauchten –  bei gleicher Qualifikation von Mann und Frau –  immer wieder Zweifel auf, ob die Frau durchsetzungsfähig genug wäre, oder ob, gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Lage des Unternehmens, nicht doch ihre Kinder zum Hindernis werden könnten. Die Realität aber sei heute ein andere: Frauen, die auf Karriere setzen, können und wollen oft beides: Kind und Karriere. Doch der Markt allein sei machtlos gegen diese sehr stark verankerten Stereotype. Doris Aebi plädiert deshalb für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch Kampagnen und für Mentorenprogramme in den Unternehmen.

Selbstdiskriminierung und Opferrolle

«Die Frauen nehmen sich zum Teil auch selber aus dem Rennen», widersprach Claudia Wirz. Sie seien heute so frei von Konventionen wie nie zuvor. Doch viele zögen es bewusst vor, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und scheuten den mühsamen Aufstieg auf der Karriereleiter. Das zeige auch ein Vergleich der verwandten Studiengänge Pharmazie und Chemie: Ersterer verspreche Teilzeitstellen und eine ausgeglichene Work-Life Balance – und sei bei Frauen sehr beliebt. Die Forscherkarriere als Chemiker hingegen bleibe eine Männerdomäne. «Frauen brauchen keine staatliche Karriere-Spitex», ist Claudia Wirz überzeugt. Vielmehr sollte der Feminismus konsequent von der Freiheit her denken, sich auf gleiche Startchancen fokussieren, dann aber auch die gleichen Pflichten für alle fordern. In der Realität geschehe oft genau das Gegenteil, aktuell im neuen Scheidungsrecht, das geschiedene Männer wieder in die Rolle des Allein-Ernährers dränge und die Frau in die Rolle des mittellosen Opfers.

Therapierisiko bei unsicherer Diagnose

«In der Politik gilt es als ausgemacht, dass der Arbeitsmarkt die Frauen benachteiligt»: Patrik Schellenbauer hält es aber für gefährlich, den nicht erklärbaren Teil des Lohnunterschieds von 18% unbesehen mit Diskriminierung gleichzusetzen. Genauso gut würden statistische Messfehler eine Rolle spielen. Und: Warum sollten Unternehmen den Männern freiwillig mehr zahlen als nötig und wäre es dann finanziell nicht attraktiver, offene Stellen konsequent mit Frauen zu besetzen?. Ausserdem werde der Aufholprozess weitergehen, brauche aber Zeit. Schellenbauer warnte davor, ohne klare Diagnose in den funktionierenden Arbeitsmarkt einzugreifen und den Lohnunterschied quasi mit der Brechstange beheben zu wollen. Zu gross sei das Risiko, dass sich staatliche Lohnkontrollen letzlich als Bumerang für die Frauen selbst erweisen würden. Viel gescheiter wäre es, den Frauen gleich lange Spiesse auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen – etwa durch eine Reform des Steuersystems.

Arbeiten lohnt sich zu wenig

Einig waren sich die Podiumsteilnehmer darüber, dass die wirtschaftlichen Anreize für Frauen, sich noch mehr in der Arbeitswelt zu engagieren, in der Schweiz gering bzw. fast negativ sind. Die gemeinsame Steuerveranlagung, einkommensabhängige Tarife und die im internationalen Vergleich hohen Kosten für externe Kinderbetreuung führten dazu, dass sich höhere Pensen oder Karriereschritte für viele Frauen zumindest finanziell  kaum lohnen.  Paradox sei, dass derselbe Staat, der die Frauen in jungen Jahren immer besser ausbilde, sie später davon abhalte, mehr aus dem Gelernten zu machen.

Dies wäre ein wichtiger Ansatzpunkt für liberale Gleichstellungspolitik: Es gehe unter anderem darum, kreative Lösungen zu finden, die sich auf bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Kind und Karriere ausrichten, ohne dabei den Menschen staatlich verordnete Rollenbilder aufzuzwingen, wie dies bei Quoten der Fall sei. Die Entscheidung, wieviel Beruf eine Frau oder ein Mann wolle, sei eine individuelle.