Die im Blog letzter Woche diskutierten Klimaskeptiker waren um 2010 am besten zu hören, und es ist um sie inzwischen ruhiger geworden. Ihre Gegenspieler sind die Klimapaniker. Ihre Stimmen sind erst seit einigen Jahren (hauptsächlich dank Greta Thunberg) so richtig laut. Ihre Sprache ist oft anklagend, selektiv und unpräzise. Klimaaktivisten moralisieren, dramatisieren, und viele Medien übernehmen ihre Wortwahl unüberlegt. Der vorliegende Blog zitiert fünf (Sprach-) Phänomene und ordnet sie im wissenschaftlichen Kontext ein.
Das Klima und die Erde retten: Bei allem Verständnis für einprägsame Phrasen erstaunt es doch, wie oft «das Klima» personifiziert wird. Es kann ihm «schlecht gehen», man kann ihm schaden oder es sogar töten («Klimakiller»), nicht nur als Mensch – beispielsweise durch Flugreisen – sondern sogar als Kuh. Ebenso oft ist die Rede davon, dass wir die Erde vor dem Klimawandel retten müssen. Auf Klimademos ist diese Wortwahl nachvollziehbar. Dass aber sogar ein Professor für Wirtschaftsethik in der NZZ zum Besten gibt: «Der Parasit Mensch zerstört seinen Wirt, den Planeten», ist dann doch eher befremdlich.
Darum sei hier in aller Kürze einmal explizit festgehalten: Dem Klima ist es egal, wie warm es ist, und es kann auch keinen Schaden nehmen. Der Mensch zerstört mit seinem CO2-Ausstoss ganz sicher nicht den Planeten, und er schadet damit noch nicht einmal im engeren Sinne der Umwelt. CO2 ist kein Gift. CO2 ist keine Umweltverschmutzung. CO2 ist zwingender Bestandteil für den Stoffwechsel der Pflanzen. Sie wandeln dieses mit Hilfe der Photosynthese (und Wasser) in Glukose (und weniger Wasser) um, und als «Abfallprodukt» dieser Reaktion entsteht Sauerstoff. Sogar die heutige atmosphärische Konzentration von gut 400 ppm liegt unterhalb des für das Pflanzenwachstum optimalen Wertes. Nicht umsonst wird der CO2-Gehalt in Gewächshäusern künstlich erhöht.
Aber mehr CO2 bedeutet doch höhere Temperaturen? Ja. Doch die Temperaturen lagen während des grössten Teils der Erdgeschichte deutlich höher als heute. Die Erde per se, deren Flora und Fauna kommen also mit höheren Temperaturen bestens zurecht.
Aber bedroht die Geschwindigkeit des Klimawandels nicht gewisse Ökosysteme und damit auch Tierarten? Ja, Flora und Fauna werden sich verändern. Gewisse Ökosysteme würden mit einem ungebremsten Klimawandel nicht zurechtkommen und zusammenbrechen. Aber an ihrer Stelle würden sich mittelfristig – im Laufe von einigen Jahrhunderten, was aus geologischer Perspektive immer noch ein Wimpernschlag ist – neue Ökosysteme entwickeln. Es ist festzuhalten: Unter dem Strich, nach allen Adaptationen, würde eine wärmere Erde mehr lebende Biomasse (Flora, Fauna) beherbergen. So zeigen Untersuchungen der Nasa, dass die Welt schon während der letzten bald 40 Jahre deutlich grüner geworden ist.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Es geht beim Kampf gegen den Klimawandel nicht darum, die Erde vor höheren Temperaturen zu retten, sondern einzig und allein darum, langfristig einen Zustand des Klimas zu bewahren, der für unsere menschliche Zivilisation vorteilhaft ist und auf den wir unsere Lebensweise und Infrastruktur ausgerichtet haben. Das zu betonen, ist keine kleinkarierte Besserwisserei, sondern höchst relevant. Denn damit wird aus einem Problem, das oft moralisch oder gar (natur-) religiös aufgeladen wird, ein sachliches – ein Problem, das entsprechend nicht durch Symbolhandlungen geringer wird, sondern pragmatische, effiziente und effektive Lösungen fordert. Der «Klimaschutz» sollte daher als Schutz vor dem Klima verstanden werden, nicht ein Schutz des Klimas, also als eine – bezogen auf das Kollektiv unserer Spezies – vorwiegend egoistische Tat.
Biblische Bezeichnungen: Ohne sie ist – zumindest in Boulevardmedien – kein Klimaartikel mehr denkbar: Der Klimasünder, die Klimaapokalypse. Wir sündigen, und die Natur bestraft uns dafür. Früher wäre es noch ganz direkt Gott gewesen, heute wurde er von der Natur abgelöst, so als würde ihr ein Wesen mit zielgerichteten Absichten – ja: Rachegefühlen – innewohnen. Scheinbar kann der Mensch nicht ohne dieses sinnstiftende Schuld-und-Sühne-Korsett existieren. Richtig seltsam wird es aber, wenn sich sogar Datenwissenschafter dieser Wortwahl bedienen. So lautet die Überschrift einer Balkengrafik auf www.statista.com «Das sind die grössten Klimasünder Europas».
Wertung von Klimabulletins: Ende jeden Monats publiziert Meteoschweiz den Wetterrückblick für die vergangenen 30 Tage. Was in den Berichten noch sprachlich korrekt als «sehr viel Sonnenschein» oder «Temperatur über der Norm» wiedergegeben wird, ist bei vielen Medien oder umgangssprachlich schnell «zu sonnig» oder «zu warm». Was eigentlich die Frage provoziert: «Wofür? Für wen?». Das mag ein eher harmloses Beispiel sein, und doch lässt es tief blicken, denn es zeigt, dass gerade bei Umweltthemen ein sehr statischer Gleichgewichtsbegriff dominiert. Die Formulierung suggeriert, es gebe irgendeine Art von (unberührtem) Ursprungszustand, der «korrekt» sei, während Abweichungen davon grundsätzlich «zu [irgendwas]» seien. Damit das auch weiterhin passiert, hat das deutsche Pendant zu Meteoschweiz, der Deutsche Wetterdienst, angekündigt, für seine Vergleiche in den Wetterrückblicken künftig weiterhin auch die alte Klimareferenzperiode (1961–1990) heranzuziehen, obwohl seit 2021 die neue 30-Jahres-Referenzperiode von 1991–2020 zur Verfügung stünde: Aus dem Vergleich aktueller Wetterdaten mit der neuen Referenzperiode könnten die Leser fälschlicherweise schliessen, der Klimawandel sei gestoppt.
Fakten ohne Einordnung: Im Oktober 2020 publizierte die Non-Profit-Organisation «Carbon Disclosure Project» eine Studie, die die künftigen weltweiten – monetären wie nicht monetären – Kosten des Klimawandels schätzt und sie den künftigen Kosten der Klimaschutzmassnahmen gegenübergestellt. Ein von der Grundidee her ehrenwerter Versuch, der aber zum Scheitern verurteilt ist, denn kein Expertenteam der Welt kann ernsthaft prognostizieren, was irgendetwas in 50 Jahren, geschweige denn in 180 Jahren kosten wird – die Entwicklung verschiedenster technologischer und ökonomischer, diese Kosten fundamental beeinflussender Faktoren liegt im Ungewissen. Die Autoren berechneten für die Unterlassung jeglicher Klimaschutzmassnahmen (ein Szenario, auf dem wir uns aufgrund der derzeitigen Anstrengungen nachweislich nicht befinden) jährliche Klimawandelkosten von 5,1 Bio. $ im Jahr 2070 und 31 Billionen $ im Jahr 2200 (!). Selbstredend sind die Kosten zur Eindämmung des Klimawandels geringer, weshalb sich die Massnahmen laut Aussage der Studie lohnen.
Diese Zahlen wurden, auch weil sie die ersten ihrer Art sind, medial breit zitiert. Besonders beliebter Titel: «Kosten des Klimawandels könnten 2070 in die Billionen gehen». Die Zahl suggeriert: «Damit ist alles gesagt. Billionen! Ein unfassbar hoher Wert! Wir müssen sofort etwas dagegen tun!» Eine Einordnung suchte man in den Beiträgen vergeblich. Diese sei darum hier vorgenommen, denn sie ist verblüffend: 2019 betrug das weltweite BIP 67 Bio. $.[1] Bei einem jährlichen weltweiten Wirtschaftswachstum von 2% (in den vergangenen Jahrzehnten war es deutlich höher) beliefe es sich damit im Jahr 2070 auf 180 Bio. $ und im Jahr 2200 auf 2366 Bio. $. Die – für den Worst Case – prognostizierten Klimawandelkosten entsprächen 2070 folglich 2,8% und 2200 sogar bloss noch 1,2% des Welt-BIP. Das ist extrem wenig – eine Erhöhung des globalen BIP-Wachstums von 2,00% auf 2,01% würde schon ausreichen, um die im Jahr 2200 anfallenden Klimakosten zu kompensieren – und steht in starkem Kontrast zumüblichen Credo, dass wir unseren Planeten ohne Klimaschutzmassnahmen bis zur nächsten Jahrhundertwende unbewohnbar machen.
Man muss leider davon ausgehen, dass diese Zahlen in Wirklichkeit viel höher ausfallen würden. Die Autoren müssen – obwohl sie die Vorteilhaftigkeit strikter Klimaschutzmassnahmen unterstreichen wollten – diverse Faktoren unberücksichtigt gelassen haben. Eine Diskussion dazu wäre aufschlussreich gewesen. Die Medien begnügten sich aber damit, «Billionen!» in den Titel zu setzen und damit Klicks zu generieren – ironischerweise des Umstandes nicht gewahr, dass «Billionen» in diesem Fall ein unglaubwürdig niedriger Wert sind.
Alles ist Klimawandel: Was auch immer gerade auf der Welt witterungstechnisch passiert, seien es Hitze, Dürren, Waldbrände Regen, Stürme, Hochwasser oder sogar die Kältewelle in den USA im Februar 2021: Man tendiert dazu, als Ursache dafür den Klimawandel auszumachen. Die Zuordnung von Extremereignissen zum Klimawandel ist allerdings relativ kompliziert. Der Klimawandel ist nie die alleinige Ursache eines Extremereignisses. Ein solches entsteht immer durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die sich kumulieren. Und die Schwere seiner Auswirkungen ist immer auch entscheidend von technologischen, raumplanerischen und sozioökonomischen Faktoren abhängig.
Bei Hitzeereignissen ist der Einfluss des Klimawandels relativ einfach nachzuweisen: Ein August in Zürich mit über 20°C Durchschnittstemperatur ist ein deutliches Zeichen der Klimaerwärmung, denn gemäss dem Klima der Normperiode 1961–1990 wäre ein solcher nur etwa alle 1000 Jahre einmal zu erwarten, in Wirklichkeit waren seit 1991 aber vier Auguste so warm. Ebenso ist gemäss der deutschen Klimatologin Friederike Otto die sibirische Hitzewelle im Sommer 2020 auf den Klimawandel zurückzuführen. Otto hat jedoch auch diverse andere Extremereignisse nach ihrem Zusammenhang mit dem Klimawandel untersucht und herausgefunden: Dieser ist nicht immer gegeben. Hurricane Harvey, der 2017 Teile Houstons verwüstete: durch den Klimawandel zumindest verstärkt. Die australischen Buschfeuer um die Jahreswende 2019/2020: unklar. Eine Überschwemmung in Thailand aus dem Jahr 2011, mit der Greenpeace um Spendengelder warb: nein. Die Dürren des vergangenen Jahrzehnts in Kenia, Äthiopien und Somalia: nein. An der Differenziertheit von Ottos Aussagen hatte die NGO Oxfam, die sich in den letztgenannten Staaten humanitär engagiert, keine Freude.
Das jüngste Beispiel hat Otto noch nicht untersucht: Die katastrophalen Überschwemmungen diesen Sommer in Deutschland. Gemeinhin werden auch sie als Folge des Klimawandels betrachtet. Dabei ist das alles andere als klar: Die Sommer sollten in den gemässigten Breiten gemäss den üblichen Klimaszenarien trockener und sonniger werden – womöglich unterbrochen durch intensivere Gewitter. Die für die diesjährigen Überschwemmungen verantwortlichen langanhaltenden Starkniederschläge bei kühlen Temperaturen sind dagegen eher untypisch im Kontext des Klimawandels.
Kontraproduktiver Alarmismus
Die genannten Zuspitzungen und Verkürzungen setzen Klimapaniker (bzw. gewisse Medien) ein, um Wirkung zu erzielen (bzw. Klicks zu generieren). Nicht selten dürften sie sogar selbst daran glauben, dass das Ende der Welt bevorsteht. Das ist ein wenig verblüffend, denn würden sie die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aufmerksam lesen, müsste streikenden Schülern in Mitteleuropa durchaus klar sein, dass der Klimawandel nicht ihre eigene physische Existenz bedroht. Und es ist vor allem kontraproduktiv: Wenn beispielsweise – wie vor einigen Wochen – eine Bewegung wie Extinction Rebellion mit reichlich esoterischen oder sonstwie absurden Darbietungen den Verkehr in der Zürcher Innenstadt lahmlegt, um auf die Klimaproblematik aufmerksam zu machen, dann weckt das mehrheitlich Kopfschütteln, nicht Tatendrang. Glaubwürdigkeit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für wirksame Politik und also auch für die Mehrheitsfähigkeit einer wirkungsvollen Klimapolitik. Man gewinnt sie nicht durch Hysterie.
Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserem Buch «Wirkungsvolle Klimapolitik».
[1] Gemessen in denselben 2005-$ wie die Schätzungen des CDP zu den Klimakosten.