Der Bundesrat versucht nun, die zutage getretenen Probleme durch die Umwandlung der KTI, die heute den Status einer verwaltungsunabhängigen Behördenkommission hat, in eine öffentlich-rechtliche Anstalt in den Griff zu bekommen. Es ist binnen kurzer Zeit bereits die zweite organisatorische Veränderung, wurde doch die KTI erst 2011 vom beratenden Organ in den heutigen Status übergeführt. Offenbar scheint der Bundesrat von «structure matters» überzeugt. In den umfangreichen behördlichen Unterlagen überwiegen die Ausführungen über finanztechnische Fragen sowie über eine neue Corporate (Public) Governance. Angesichts des beträchtlichen finanziellen Umfangs der Fördertätigkeit der KTI ist es aus rechtsstaatlicher Sicht sicher angemessen, den Fragen über das Zusammenspiel zwischen strategischen und operativen Aufgaben der KTI und deren Beaufsichtigung breiten Raum einzuräumen. Bedauerlicherweise kommen dabei aber die Fragen über die Zukunftsfähigkeit des heutigen Förderkonzepts vor dem Hintergrund des globalen Innovationswettbewerbs zu kurz.
Inkrementelle Innovationsstrategie überwiegt
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die heutige Förderpolitik der KTI im Wesentlichen auf der Vorstellung eines inkrementellen Innovationsprozesses beruht. Danach verbessern die Unternehmen laufend Produkte, Prozesse, Vertrieb, Marketing und Organisation, wogegen eigentliche Marktneuheiten weniger im Fokus stehen.
Entsprechend zielt die heutige Strategie der KTI darauf ab, hauptsächlich kleinere, rasch umsetzbare Projekte zu unterstützen, die mit geringen Risiken verbunden sind. Es überwiegt ein projektorientierter wissenschaftlich-technischer Innovationsbegriff. Zu kurz kommt dabei die Innovationsentwicklung im Dienstleistungssektor. Obwohl dieser den grössten Anteil im volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess der Schweiz einnimmt, fliesst nur ein relativ kleiner Anteil der staatlichen Fördermittel dorthin. Trotzdem ist die Schweiz mit dieser Förderpolitik bis heute sehr gut gefahren, wie Spitzenpositionen unseres Landes in den verschiedenen Innovationsrankings bestätigen. Genügt diese Politik auch für die Zukunft?
Veränderungen im globalen Innovationswettbewerb
In diesem Zusammenhang relevant sind die Veränderungen im globalen Innovationswettbewerb. So fällt auf, dass sich einige osteuropäischen Länder (v.a. Polen, Tschechien, Slovakei, Ungarn) zu eigentlichen «Werkbänken» des Westens entwickelt haben. Sie wollen sich aber nicht mehr nur mit Vorleistungen für die (Auto-)Industrie zufrieden geben, sondern sind bestrebt, durch mehr Ausgaben in F+E und eigenständige Spitzenprodukte in der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu gelangen. Auch viele andere Schwellenländer haben den Ehrgeiz, in der globalen Wertschöpfungshierarchie aufzusteigen.
Auch in der kürzlich veröffentlichten «Global Innovation 1000»-Studie über die 1000 innovationsstärksten Unternehmen der Welt von PwC/Strategy & Inc. (früher Booz & Company) geben die Firmen an, sie würden ihre F+E- Ausgaben immer mehr von inkrementellen zu potenziell durchbrechenden Innovationen verschieben.
F+E-Gutschriften als möglicher Reformansatz
Mit diesen Fragen hat sich Avenir Suisse bereits 2013 in seinem Diskussionspapier zur Gesundheit des Schweizer Innovationssystems beschäftigt. Dabei wird erstens festgestellt, dass die Schweiz ihre Spitzenposition bei internationalen Innovationsrankings in erster Linie dem Gesundheitssektor im weitesten Sinn verdankt. Zweitens wird ein Mangel an bahnbrechenden, sogenannten disruptiven Innovationsprojekten, die technologische Durchbrüche schaffen und in völlig neue Bereiche vorstossen, diagnostiziert. Schliesslich wird davor gewarnt, sich allzu stark auf die Spitzenposition in den vergangenheitsorientierten Innovationsrankings zu verlassen, weil dies leicht zu einer trügerischen Selbstsicherheit und Selbstgefälligkeit führen kann.
Als Lösung hat Avenir Suisse damals vorgeschlagen, F+E-Gutschriften einzuführen. Dadurch würde den Unternehmen für F+E-Ausgaben eine Abzugsfähigkeit von z. B. 130% eingeräumt, wodurch die durchschnittliche effektive Steuerlast stark gesenkt werden könnte. Gleichzeitig würde damit ein wirksamer Anreiz für Innovationen auf breiter Basis geschaffen. Diese indirekte Förderpolitik liesse sich wegen der positiven externen Effekte ordnungspolitisch nicht nur gut begründen, sondern sie setzt auch keine Unternehmensgewinne voraus wie etwa bei den zur Zeit viel diskutierten Patent- oder Lizenzboxen. Gleichzeitig könnte damit die KTI entlastet werden und sich vermehrt auf risikoreichere, grössere Innovtionsprojekte konzentrieren, die durchschlagende Technologiesprünge und Innovationen versprechen.
Die Umstrukturierung der KTI sollte sich nicht nur auf organisatorische Fragen beschränken, sondern dazu benutzt werden, die schweizerische Innovationspolitik grundsätzlich zu überdenken. Weder sind es Strukturen, die allein entscheiden sind, noch hängt der Innovationserfolg ausschliesslich vom staatlichen Mitteleinsatz ab. Um die Worte von Steve Jobs zu gebrauchen: «Innovation has nothing to do with how many R+D dollars you have. When Apple came up with the Mac, IBM was spending at least 100 times more on R&D. It’s not about money. It’s about the people you have, how you’re led, and how much you get it.»