Im Zeitalter alternativer Fakten sind sachkundige Einordnungen gegenwärtiger Entwicklungen gefragt. Sie sind Ausgangslage für lösungsorientierte Debatten, gerade bei jenen Themenbereichen, die nicht nur an Stammtischen hochemotional diskutiert werden. Anschauliches Beispiel dazu ist die Migration. Darum eingangs ein paar einschlägige Fakten.

2015 zählte die Uno weltweit 244 Millionen Menschen, die als Migranten ausserhalb ihres Geburtslandes leben. Entgegen der hierzulande vielleicht verbreiteten Wahrnehmung sind es nicht die Afrikaner, welche die grösste Zahl an Migranten stellen, sondern mit 43 Prozent aller Migranten oder 144 Millionen Personen die Asiaten, gefolgt von den Europäern mit 62 Millionen, den Lateinamerikanern mit 37 Millionen und den Afrikanern mit 34 Millionen. Relativ geringe Migrationsbewegungen weisen nur die Nordamerikaner aus. Vier Millionen Personen leben ausserhalb ihres Geburtslandes, das macht gerade mal zwei Prozent der weltweiten Migrationsbewegungen aus. Besondere Erkenntnis: Gemäss den einschlägigen Untersuchungen der Uno findet die Migration zum überwiegenden Teil innerhalb der angestammten Region statt. Destinationsland von 60 Prozent der asiatischen Auswanderer bleibt ein asiatisches Land, Zielregion von 66 Prozent der europäischen Migranten ist Europa und 52 Prozent der afrikanischen Emigranten wandern innerhalb des afrikanischen Kontinents aus. Nur lateinamerikanische Emigranten lassen sich zu 84 Prozent ausserhalb ihrer angestammten Region nieder.

Gemäss den einschlägigen Untersuchungen der Uno findet die Migration zum überwiegenden Teil innerhalb der angestammten Region statt. (Fotolia)

Ungleich wachsende Weltbevölkerung

Wer über Migration spricht, tut dies vielfach aus momentaner Befindlichkeit heraus. Die Migrationsdiskussion sollte aber immer auch in Bezug zur erwarteten Bevölkerungsentwicklung geführt werden. Bis Ende dieses Jahrhunderts wird ein weiterer Anstieg der Weltbevölkerung erwartet. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung von gegenwärtig 7,4 Milliarden auf rund 9,7 Milliarden Menschen anwachsen. Bis 2100 dürfte die Zahl der Weltbevölkerung 11,2 Milliarden betragen. Während für uns in Europa und in Asien ein Bevölkerungsrückgang prognostiziert wird, erwarten Nordamerika und Afrika eine weitere Zunahme.

Europas Bevölkerung wird bis 2050 von 740 auf 710 Millionen zurückgehen. Der Bevölkerungsrückgang auf dem europäischen Kontinent ist vor allem durch die niedrige Geburtenrate begründet. Dazu kommt die demografische Entwicklung als politisch ungelöste Herausforderung, auch in unserem Land – Stichwort Altersvorsorge 2020. Bis zum Jahr 2030 werden in der Schweiz 670‘000 zusätzliche Rentner erwartet, ein Plus von 45 Prozent. Bis 2035 werden alle Babyboomer pensioniert sein. Dazu scheiden gegenwärtig mehr inländische Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt aus als solche nachrücken.

Altersvorsorge in Schieflage

Diese Diskrepanz wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Während 1960 noch fast sechs Erwerbstätige einen AHV-Bezüger finanzierten, werden im Jahr 2060 nur noch knapp zwei Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen müssen. Das reicht bei weitem nicht, um unsere Altersvorsorge nachhaltig zu finanzieren. Zugleich wird in unserem Land seit Jahren heftig über das «richtige» Ausmass der Zuwanderung gestritten. Die Zuwanderer selbst sind durchschnittlich jünger als die angestammte Bevölkerung und machen gegenwärtig 26 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz aus.

Diese Zahlen machen deutlich, dass wir uns unvoreingenommen mit der Thematik befassen sollten. Dringend notwendig ist eine langfristige Strategie. Die aktuelle Migrationsdiskussion und die alternde Gesellschaft sind differenziert zu betrachten – eine voneinander unabhängig geführte Diskussion greift zu kurz.

Dieser Beitrag ist am 22. Juni 2017 in den Printausgaben des «St. Galler Tagblatt» sowie der «Luzerner Zeitung» erschienen.