Rentenalter 67? – Steht am nächsten Abstimmungssonntag vom 25. September 2022 nicht zur Disposition. Trotzdem insinuiert die im Kampf gegen die AHV-21-Reform vereinigte Linke auf unzähligen Liftfasssäulen, dass mit der Vorlage solches zum Volksentscheid anstehe. Doch bei der AHV-21-Vorlage geht es lediglich darum, mit einem ausgewogenen Massnahmenmix die Finanzierung der 1. Säule für die nächsten zehn Jahre zu sichern: durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und einem einheitlichen Rentenalter für Frauen und Männer sowie Ausgleichsmechanismen für die Übergangsgeneration.

Die Fakten liegen auf dem Tisch

Die Fakten, die diesen Reformschritt notwendig machen, liegen auf dem Tisch. Die Zahl der Pensionierten wächst deutlich schneller als diejenige der Personen im erwerbsfähigen Alter. Der durchschnittliche tägliche Anstieg der Lebenserwartung beträgt heute vier Stunden. Mittelfristig bewegt sich die Schweiz hin zu einer Vier-Generationen-Gesellschaft. Für die im Umlageverfahren finanzierte AHV wird dies zum Problem. Infolge des baldigen Renteneintritts der Babyboomer-Generation steigt die Summe der auszuzahlenden Renten in den nächsten zehn Jahren von 48 auf 63 Mrd. Franken.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse wandeln sich: Vor 40 Jahren brachte der Pöstler die AHV noch in bar vorbei. (Christian Lanz, ETH Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Dass die AHV ohne Reformen in die tiefroten Zahlen schlittert und bis 2032 ein Defizit von jährlich 5 Mrd. Franken droht, wird von den Gewerkschaften abgestritten. Die Prognosen, erstellt im Departement des sozialdemokratischen EDI-Vorstehers Alain Berset und im von SP-Mitgliedern geführten Bundesamt für Sozialversicherung, werden als zu pessimistisch disqualifiziert. Konsequent ignorieren Gewerkschaften und SP das Faktum, dass bereits in den Jahren 2014 – 2019 die AHV ein Umlagedefizit auswies, das nur infolge der Steuerreform und der AHV-Finanzierung (STAF) temporär behoben werden konnte.

Dafür verwenden Gewerkschaftsfunktionäre im Gleichschritt mit der SP-Berufspolitikergarde alternative Fakten. Von Rentenklau an den Frauen, gar einer Rentenkürzung von 26’000 Franken ist die Rede. Dass die Erhöhung des Rentenalters um ein Jahr einen entsprechend späteren Rentenbezug bedeutet, ist logisch. Nach der gleichen «Logik» müssten die Gewerkschaften überall betonen, dass die Reform den Frauen ein zusätzliches Jahressalär garantiert. Doch mit einer solchen Aussage würde jede Bürgerin und jeder Bürger einsehen, wie irreführend die Argumentation der Rentenkürzung ist.

Die AHV-21-Vorlage wird zum Kampf zwischen den Geschlechtern hochstilisiert. Ironischerweise wird heute die 1956 in einem patriarchalischen Akt von der damaligen bürgerlich-konservativen, in einem ausschliesslichen Männerparlament beschlossene Senkung des Frauenrentenalters von Gewerkschaften und SP verteidigt, die sonst gerne die Fahne der Gleichstellungspolitik hochhalten. Es wird dabei immer wieder auf das Rentengefälle in der 2. Säule hingewiesen. Dabei wird ausgeblendet, dass in der AHV – nur diese steht am 25. September zur Abstimmung – Frauen aufgrund des früheren Rentenalters und ihrer längeren Lebenserwartung 23 Jahre Rente beziehen (Männer 19 Jahre). In Summe erhalten Frauen 55% der AHV-Leistungen, während sie zu 34% zu den Einnahmen beitragen.

Generationenübergreifendes Projekt

Doch die AHV ist vor allem ein generationenübergreifendes Projekt. In einer Art «Durchlauferhitzer» zahlen die Aktiven mit ihren Lohnbeiträgen die laufenden Pensionen der Rentner. Dieses Solidaritätsprinzip setzt das Vertrauen voraus, dass die heutige berufstätige Generation auch später von den nächsten jüngeren Generationen unterstützt wird. In der aktuellen hitzigen Genderdebatte geht zu oft vergessen, dass nicht nur die Solidarität zwischen Männern und Frauen, sondern vor allem diejenige zwischen den Generationen die Basis der AHV-Finanzierung darstellen. Von solcher Solidarität ist allerdings seitens der Gewerkschaften und der SP, die ansonsten am 1. Mai und an Parteitagen den kollektiven Zusammenhalt wortreich betonen, nichts zu spüren.

Das bedeutendste Schweizer Sozialwerk gilt es auf eine finanziell stabile Basis zu stellen, um der jungen Generation eine Perspektive für ihre eigene Altersvorsorge zu bieten. Die Fundamentalopposition von links gegen die Altersvorsorge-Reform zeugt dagegen von einem erschreckenden Mangel an gesellschaftlicher Verantwortung und fehlender Nachhaltigkeit. Eine Politik, die mittels alternativen Fakten propagiert, dass sich eine Generation auf Kosten der nächsten bereichern soll, wird mittelfristig in der Sackgasse landen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist vielmehr eine Politik notwendig, wo die Solidarität zwischen den Generationen spielt.