Mit 276 Spitälern verfügt die Schweiz über eine aussergewöhnlich hohe Dichte an Spitalangeboten. So können 99,8% der Schweizer Bevölkerung mit dem Auto in weniger als 30 Minuten das nächstgelegene allgemeine Krankenhaus erreichen. Drei Viertel der Bevölkerung kann in der gleichen Zeitspanne sogar zwischen mehr als acht verschiedenen Spitälern wählen.

Nähe ist jedoch nicht mit Qualität gleichzusetzen. Denn wie das Sprichwort sagt: Übung macht den Meister. Viele Schweizer Spitäler bieten immer noch zu viele verschiedene Leistungen an, was ihr Spezialisierungspotenzial einschränkt. Viele Institutionen verfügen über keine ausreichende Anzahl Patienten pro Erkrankung und Standort, geschweige denn pro Chirurgen, um eine angemessene Qualität zu gewährleisten. Dieser Mangel an Spezialisierung wirkt sich auch auf die Personalsuche aus, insbesondere in Randregionen. Für angehende Spezialisten, die in dieser Branche gefragt sind, ist der Zugang zu einer grossen Anzahl von Patienten und komplexen Fällen ein entscheidender Punkt bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Spitäler, die nicht genügend Fälle aufweisen, werden ihre Strategie anpassen müssen, um nicht mit einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern konfrontiert zu werden.

Ein Trend zur Spezialisierung macht sich also bemerkbar – was entweder zu Kooperationen oder Fusionen zwischen Spitälern, in der Schliessung bestimmter Abteilungen oder gar ganzer Standorte führt.

Hat die Pandemie die Karten neu gemischt?

Während der Pandemie gab es viele Stimmen, die sich gegen diesen Konsolidierungsprozess im Spitalsektor aussprachen und den Erhalt oder gar den Ausbau vieler peripherer Krankenhäuser forderten. Doch selbst wenn sich das Gesundheitssystem zur Bewältigung der Corona-Pandemie auf Hausärzte, Pflegeheime, Spitex-Organisationen und periphere Spitäler stützte, hat dies an der Notwendigkeit einer Spezialisierung nichts geändert. Die Behandlung von schwerkranken Covid-Patienten ist eine komplexe Aufgabe, die auf spezialisierte Ärzte und Pflegepersonal angewiesen ist, die Erfahrung in der Intensivpflege haben. Doch nur 75 der 276 Akutspitäler bieten zertifizierte Betten auf Intensivstationen (IPS) an – also nur etwa jede vierte Einrichtung. Auch unter diesen 75 Spitälern mit Intensivstationen konzentriert sich das Angebot: Die 20 grössten Spitäler verfügen über mehr als die Hälfte der zertifizierten IPS-Betten (55 %).

Die Covid-19-Krise hat also den Prozess der Konzentrierung und Spezialisierung im Krankenhaussektor nicht in Frage gestellt. Sie hat, im Gegenteil, ihre Notwendigkeit aufgezeigt. Allerdings bremsen politische Hemmnisse diesen Trend.

Transparentere gemeinwirtschaftliche Leistungen

Laut Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) können die Kantone aus regionalpolitischen Gründen Spitäler mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) unterstützen. Es gibt jedoch keine abschliessende Definition dessen, was als GWL betrachtet wird – und was nicht. Die Nutzung von GWL ist besonders in der Westschweiz beliebt, wo die Pro-Kopf-Beiträge zu den höchsten in der Schweiz gehören. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese GWL manchmal dazu dienen, mangelnde Effizienz bestimmter Spitäler auszugleichen. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen wären eine Form der versteckten Subvention, die dem Geist des Krankenversicherungsgesetzes widerspricht. Sie würden den Wettbewerb zwischen den öffentlichen Spitälern, aber auch mit den Privatkliniken verzerren und somit die Konzentrierung des Spitalsektors bremsen.

Um solche Verzerrungen zu vermeiden und einen besseren inner- und interkantonalen Wettbewerb zu ermöglichen, muss das Verfahren zur Vergabe von GWL transparenter gestaltet werden. Dies könnte beispielsweise dadurch ermöglicht werden, dass dafür die ausdrückliche Zustimmung des Kantonsparlaments verlangt wird oder für bestimmte gemeinwirtschaftliche Leistungen Ausschreibungen durchgeführt werden.

Bessere interkantonale Durchlässigkeit

Das Kirchturmdenken in der Gesundheitspolitik spiegelt sich nicht nur in der Vergabe der GWL wider. Um effizienter arbeiten zu können, sind Spitäler, Notfalldienste oder die Fachmedizin oft auf Einzugsgebiete angewiesen, die über Kantonsgrenzen hinausgehen. Die Organisation der Gesundheitsversorgung entlang kantonaler Grenzen stellt jedoch ein weiteres Hindernis für die Konzentration dar.

Eine Möglichkeit, um den überregionalen Wettbewerb zu fördern, wäre, die kantonalen Spitallisten durch einheitliche, schweizweit gültige Qualitätsstandards zu ersetzen. Spitäler, die diese Standards erfüllen, wären somit berechtigt, ihre Leistungen der Krankenkasse und dem Wohnkanton des Versicherten in Rechnung zu stellen.

Förderung eines bewährten Prozesses

Die Qualitätserwartungen der Patienten und Regulierungsbehörden, aber auch der Mangel an qualifiziertem Personal werden dazu führen, dass der Konzentrationsprozess im Spitalsektor weitergeht. Ein dualer Ansatz ist somit erforderlich: Einerseits braucht es hochspezialisierte Dienstleistungen in den Zentren und in Randregionen, andererseits ergänzende Angebote im ambulanten Bereich sowie Notfalldienste zur Stabilisierung von Patienten vor einer Überweisung zu einem Fachspezialisten. Diese Arbeitsteilung hat sich während der Pandemie weitgehend bewährt. Diese Anstrengungen sollten fortgesetzt werden.

Sommerserie: Vergessene Reformen – Reformen zum Vergessen 

In unserer diesjährigen Sommerserie erinnern wir an überfällige Reformen, die im politischen Prozess hängengeblieben sind: vergessene Reformen. Wir zeigen auf, wo und warum Avenir Suisse Erneuerungsbedarf ermittelt hat. Anderseits schwirren in der öffentlichen Diskussion auch immer wieder Vorschläge herum, die bisher zurecht nicht umgesetzt wurden. Wir erklären, weshalb es sich dabei um Ideen handelt, die möglichst schnell zu vergessen sind.