Michael Soukup: Ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich die Flat-Rate-Tax als langgehegten Traum der Bürgerlichen bezeichne – richtig?

Lukas Rühli: Das müssen Sie nicht mich fragen, sondern einen Bürgerlichen. Ich bin liberal. Aber ich träume generell eher selten von Steuersystemen.

Was sind die Vorteile einer Flat-Rate-Tax?

Sie ist transparent. Sie ist einfach – z.B. weil verschiedene Einkommensarten, die in einem herkömmlichen System mit herkömmlicher Progression unterschiedlich besteuert werden, und damit eine klare Zuordnung nötig machen, neu gleich besteuert werden. Und sie hat auch anreiztechnisch diverse Vorteile:

  • In Systemen mit steigendem Grenzsteuersatz besteht ein Anreiz, die erzielten Einkommen so auf verschiedene Zeitperioden (oder auch auf verschiedene Einkommensquellen) zu deklarieren, dass sie möglichst geglättet werden. Denn damit können Steuern vermieden werden. Bei einer Flat-Rate-Tax besteht dieser Anreiz nicht mehr. Die Steuervermeidung wird schwieriger.
  • Systeme mit steigendem Grenzsteuersatz senken im schweizerischen System der Ehegattenbesteuerung den Arbeitsanreiz des Zweitverdieners (bzw. meist: der Zweitverdienerin), weil deren Einkommen von Beginn weg zum hohen Grenzsteuersatz besteuert wird. Auch das kann mit einer einer Flat-Rate-Tax vermieden werden.
  • Mit sehr hohen Grenzsteuersätzen steigt auch der Anreiz der Hochverdiener, ihre Einkommen nicht mehr richtig zu deklarieren oder anderswohin zu verschieben. Die Flat-Rate-Tax entschärft dieses Problem.

Natürlich gewährleistet eine Flat-Rate-Tax auch eine niedrige Steuerbelastung für die hohen Einkommen und garantiert damit ein attraktives Steuerliches Umfeld für die Leistungsträger eines Landes.

Die Vorteile eine Flat-Rate-Tax

Der grosse Vorteil einer Flat-Rate-Tax ist ihre Transparenz und Einfachheit. (Bild: Fotolia)

Und die Nachteile?

  • Eine stark progressive Steuer glättet über die Zeit das verfügbare Einkommen eines Haushalts mit Einkommensschwankungen und wirkt so für den Haushalt als durchaus wünschenswerter Stabilisator. Diese Funktion entfällt bei einer Flat-Rate-Tax (ohne wesentliche Steuerfreigrenze) weitgehend.
  • Je nach Wahl der Steuerfreigrenze ist natürlich die Umverteilungswirkung einer Flat-Rate-Tax nicht so hoch wie politisch möglicherweise erwünscht. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass mit einer hohen Steuerfreigrenze auch ein Flat-Rate-Tax durchaus eine hohe implizite Progression und damit eine starke Umverteilung erzielen kann.

Uri führte 2009 eine Flat Rate ein. Da Uri die landesweit geringste Einkommensungleichheit aufweist, wird die Flat Rate selbst von der Urner Linken als ausgewogen bezeichnet. Schwyz hingegen weist die höchste Einkommensungleichheit auf. Kann das in Schwyz gutgehen?

Die Zweckmässigkeit einer Flat Rate Tax hängt nicht mit Einkommensungleichheit zusammen.

  • Erstens kann, wie oben schon erwähnt, auch mit einer Flat Rate Tax eine erhebliche Umverteilung erzielt werden, sofern die Steuerfreigrenze hoch genug gewählt wird.
  • Zweitens aber, und das ist in diesem konkreten Fall wichtiger: Uri weist eine sehr geringe Einkommensungleichheit auf, weil (etwas überspitzt formuliert) alle arm sind, oder (weniger überspitzt formuliert) weil es nur sehr wenige Reiche gibt. Uri hat gemäss NFA das geringste Pro-Kopf-Ressourcenpotenzial aller Kantone. Schwyz hingegen hat eine sehr hohe Einkommensungleichheit, weil es ein zweigeteilter Kanton ist: In der Region Innerschwyz liegen die Einkommen deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. Reich ist der Kanton Schwyz nur dank den extrem reichen Einwohnern in wenigen Gemeinden (Wollerau, Feusisberg, Freienbach) von Ausserschwyz. Das geht gerne vergessen. Diese Minderheit reicht aus, um den Kanton Schwyz zum Kanton mit dem zweitgrössten pro-Kopf-Ressourcenpotenzial (nach Zug) zu machen und diese Minderheit verursacht auch die hohen Einkommensunterschiede in der Statistik.
  • Hohe Grenzsteuersätze für Spitzenverdiener würden diese kurz oder lang einfach aus dem Kanton vertreiben. Damit wäre gar niemandem gedient, ganz sicher auch nicht den Wenigverdienern, die dann wohl sogar noch stärker zur Kasse gebeten werden müssten, damit sich der Kanton weiterhin finanzieren kann

Zwar will Schwyz ähnlich hohe Sozialabzüge wie Uri gewähren, doch wie die Berechnungsbeispiele der Schwyzer Regierung zeigen, würde beispielsweise ein Alleinstehender mit einem Bruttoeinkommen von 100’000 Fr. ähnlich stark belastet wie ein Alleinstehender mit einem Einkommen von 500’000 Fr.: 12’050 Fr. (plus 2000 Fr.) versus 78’048 Fr. (plus 2500 Fr.). Deshalb wird kritisiert, dass der Schwyzer Mittelstand die Hauptlast der Steuererhöhung trägt.

Erstmal geht bei dieser Rechnung die deutliche Erhöhung der Vermögenssteuern vergessen, die ausschliesslich die Reichen trifft. Dann aber zu den Einkommenssteuern: Hierzu vier Anmerkungen:

  • Ein Alleinstehender mit Bruttoeinkommen von 100‘000 Fr. gehört gemäss den gängigen Definitionen gar nicht mehr zum Mittelstand, sondern schon knapp zur Oberschicht.
  • Bei einem Einkommen von 100‘000 Fr. resultiert eine Steuerquote von 12%, bei 500‘000 Fr. eine von 15,6%, also spürbar mehr (was natürlich der Steuerfreigrenze zu verdanken ist).
  • Absolut gesehen steigt die Mehrbelastung für die hohen Einkommen stärker als für die mittleren (zugegeben: alles andere wäre seltsam). Darum kann man kaum davon sprechen, die Hauptlast trüge der Mittelstand. Dass die relative Zunahme für die Spitzenverdiener weniger hoch ist als für den Mittelstand, das kann man natürlich kritisieren, wenn man will, nur ist das wohl dem gut nachvollziehbaren Anliegen geschuldet, dass der Kanton seine Spitzenverdiener nicht verlieren will.
  • Zudem darf nicht vergessen werden, dass der Kanton Schwyz auch nach der Steuererhöhung noch die niedrigsten Steuerbelastungen aller Kantone aufweist – auch für den Mittelstand!
Interview: Michael Soukup/Tagesanzeiger