Die Digitalisierung hat in vielen Branchen zu einer spürbaren Intensivierung des Konkurrenzdrucks geführt. Damit schafft sie, was keine Wettbewerbsbehörde je so gut erreicht: Sie belebt den Wettbewerb nachhaltig und zum Wohl der Gesellschaft als Ganzes. Gleichzeitig hat die Digitalisierung verschiedene wettbewerbspolitische Herausforderungen geschaffen. Prägend sind zwei Entwicklungen: der Fokus auf Daten und die zunehmende Verbreitung von Plattformmärkten.

Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob das aktuelle Wettbewerbsrecht, das aus der vordigitalen Ära stammt, angepasst werden muss: Kann die Wettbewerbskommission (Weko) weiterhin ihre wichtigen ordnungspolitischen Aufgaben – insbesondere die Kontrolle von Kartellen, marktbeherrschenden Unternehmen und Fusionen – wahrnehmen? Klar ist: Auch im Internet gelten die hergebrachten Gesetze der Ökonomie.

Daten als Währung

Neu im Internetzeitalter ist die vorherrschende «Kostenlos-Kultur»: Auf vielen digitalen Märkten lassen sich keine monetären Preise beobachten. Die Nutzer bezahlen nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit oder mit persönlichen Daten über sich selbst sowie über ihr Such- und Einkaufsverhalten.

Dass Daten in der digitalen Welt ein wertvolles Gut sind, ist bekannt. Genau dieser Fokus auf Daten hat aber das Potenzial, Wettbewerbsveränderungen zu bewirken. So stellt sich etwa die Frage, ob der Zugang zu Daten in gewissen Situationen essenziell ist für die Teilnahme am Wettbewerb: Der Fotodienst Instagram war beispielsweise nicht zuletzt deshalb schnell erfolgreich, weil sich die Nutzer dank offenen Schnittstellen mit einem Klick mit all denjenigen Nutzern verbinden konnten, mit denen sie bereits auf Twitter vernetzt waren.

Die zunehmende Verfügbarkeit von persönlichen Daten erlaubt überdies gezielte Analysen des Kaufverhaltens. Solches Wissen macht eine gezielte Preisdifferenzierung möglich: Ein und dasselbe Gut wird je nach Profil des Nachfragers zu unterschiedlichen Preisen und Konditionen angeboten. Aus ökonomischer Sicht ist eine solche «Ungleichbehandlung» in der Regel unproblematisch – obwohl sie aus gesellschaftlicher Sicht ungerecht erscheinen mag.

Internetplattformen boomen

Plattformen bringen unterschiedliche Nutzergruppen – zum Beispiel Käufer und Verkäufer eines Gutes – zusammen. Plattformmärkte gab es zwar schon vor dem digitalen Zeitalter: Beispiele sind Messen, Tageszeitungen, Kreditkarten oder Dating-Clubs. Aufgrund geringer Transaktionskosten im Internet haben Plattformen wie Uber, Airbnb, Amazon und Booking.com in den letzten Jahren allerdings massiv an Bedeutung gewonnen.

Ein generelles Verbot von Preisparitätsklauseln, wie vom Ständerat kürzlich ausgesprochen, könnte für den Tourismus kontraproduktiv sein. (ETH Bibliothek, Bildarchiv)

Plattformmärkte übernehmen primär eine Vermittlungsfunktion und schaffen so einen Mehrwert für alle Beteiligten. Ein gewichtiger Unterschied zu herkömmlichen Märkten ist die Tendenz zu einer hohen Marktkonzentration, die sich hauptsächlich mit Netzeffekten erklärt: Plattformen werden attraktiver, je mehr Akteure daran teilnehmen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von digitalen Plattformmärkten ist, dass sie sich oft durch kurze Innovationszyklen, die überdies oftmals disruptiver Natur sind, charakterisieren.

Diese Besonderheiten stellen die Wettbewerbsbehörden vor neue Herausforderungen. Nur schon die Frage, auf welchen Märkten ein Unternehmen eigentlich tätig ist, kann sich in der digitalen Wirtschaft als komplex erweisen. Auf der Android-Plattform von Google beispielsweise interagieren – neben Google selber – mindestens fünf weitere Parteien: die Anbieter von Produkten, die Smartphone-Produzenten, die App-Entwickler, die Telekommunikationsunternehmen und die Nutzer. In einem solchen Umfeld kann es äusserst schwierig sein, die relevanten wettbewerblichen Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren korrekt zu erfassen.

Klassische Analyseinstrumente versagen

Um zu bestimmen, welche Produkte zum gleichen Markt gehören, spielen auf herkömmlichen Märkten die Preise eine entscheidende Rolle. Weichen die Nachfrager etwa bei Preiserhöhungen auf andere Produkte aus, können diese als Substitute und dem gleichen Markt zugehörig betrachtet werden.

Da viele digitale Güter unentgeltlich sind, entfällt die Möglichkeit von Preisanalysen. Selbst wenn Preise beobachtbar sind, können sich Probleme ergeben, da die Preisstruktur auf Plattformmärkten oft nicht neutral ausgestaltet ist: Bei Netzeffekten kann es ökonomisch durchaus sinnvoll sein, dass eine Marktseite eine andere subventioniert. Entsprechend kann die Nutzung einer Plattform für gewisse Gruppen – zum Beispiel Leser einer Onlinezeitung – sogar gratis sein, während andere Gruppen – beispielsweise Werbetreibende – die gesamten Kosten übernehmen.

Das Fehlen von Preisen bzw. die Nicht-Neutralität der Preisstruktur auf digitalen Märkten erschwert auch die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens. Nicht zufällig spricht man auf herkömmlichen Märkten von Konkurrenz- oder Monopolpreisen. Wenn nun aber Preise fehlen oder von der Zahlungsbereitschaft weiterer Nutzergruppen abhängen, muss zur Bestimmung der Marktstellung auf andere Kriterien zurückgegriffen werden. Ein Kriterium, das hierfür neben den Preisen regelmässig herangezogen wird, sind Marktanteile.

Trotzdem ist es aus zwei Gründen nicht ratsam, in der digitalen Welt «mechanisch» auf Marktanteile abzustützen: Erstens ist die Marktabgrenzung in Plattformmärkten mit den oben beschriebenen Problemen behaftet, was der Berechnung verlässlicher Marktanteile enge Grenzen setzt. Und zweitens tendieren Plattformmärkte aufgrund der Netzeffekte inhärent zu einer gewissen Konzentration. Isoliert betrachtet, sind Marktanteile also kaum aussagekräftig.

Zur Bestimmung der Marktstellung von Unternehmen in der digitalen Ökonomie drängt sich deshalb eine Einzelfallanalyse auf, wobei Kriterien wie der Qualitätswettbewerb, die Angreifbarkeit der Marktstellung aufgrund von Innovationszyklen oder die Finanzkraft eines Unternehmens im Zentrum der Analyse stehen sollten.

Klauseln fallweise untersuchen

Grundsätzlich sind in der digitalen Welt die gleichen Wettbewerbsbeschränkungen denkbar wie in der nicht digitalen Welt. Mit dem Aufkommen von internetbasierten Plattformen haben jedoch vertragliche Vereinbarungen wie Preisparitätsklauseln an Bedeutung gewonnen, um sogenanntes Trittbrettfahren zu verhindern. Denn für die Kunden besteht ein Anreiz, auf einer Plattform zu suchen und zu vergleichen, den Kauf aber an einem billigeren Ort zu tätigen – wodurch eine Plattform ihre Ertragsquelle verliert.

Preisparitätsklauseln sollen deshalb sicherstellen, dass die auf der Plattform gehandelten Produkte auf anderen Verkaufskanälen nirgendwo billiger angeboten werden. Diese Klauseln können unterschiedlich ausgestaltet sein. Während sogenannte enge Klauseln lediglich festlegen, dass der Anbieter selbst keine besseren Bedingungen anbieten darf, verlangen weite Klauseln zusätzlich eine Garantie, dass auf keiner anderen Plattform bessere Bedingungen angeboten werden. International stehen vor allem letztere in der Kritik. Es wird befürchtet, dass weite Klauseln nicht nur der Verhinderung von Trittbrettfahrerverhalten dienen, sondern den Markt abschotten.

Grundsätzlich gilt: Ob eine Preisparitätsklausel in der Praxis schädlich ist, ist immer im Einzelfall abzuklären. Bereits 2012 eröffnete die Weko eine Untersuchung gegen die Hotelbuchungsplattformen Booking.com, Expedia und HRS und untersagte diesen die Verwendung von weiten Preisparitätsklauseln. Zu Recht nicht verboten wurden hingegen enge Klauseln. Diese gelten als weitgehend unproblematisch, da sie den Wettbewerb zwischen den Plattformen nicht ausschalten. Sie verhindern nur, dass der Anbieter auf den Leistungen der Handelsplattform Trittbrett fährt.

Fusionskontrolle wird schwieriger

Eine Herausforderung in der digitalen Welt stellen unter Umständen auch Fusionen dar. Eine oft geäusserte Befürchtung ist, dass die traditionellen Umsatzschwellen in der digitalen Wirtschaft versagen. Denn: Eine Fusion muss der Weko erst ab einem gewissen Umsatz der beteiligten Unternehmen gemeldet werden. Bei Internetfirmen sagen Umsätze bisweilen jedoch kaum etwas über die Marktstellung eines Unternehmens aus. Als Beispiel dafür wird regelmässig auf die Fusion zwischen Facebook und Whatsapp verwiesen: Obwohl der Verkaufspreis bei rund 19 Milliarden Dollar lag, war die Transaktion in den meisten Ländern nicht meldepflichtig. Die Umsätze von Whatsapp waren zu klein.

Das Bestehen einer allfälligen «Lücke» in den Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle wird in der EU zurzeit intensiv und kontrovers diskutiert. In Deutschland wurde bereits eine zusätzliche Aufgreifschwelle für Fusionen geschaffen: Künftig sind auch Zusammenschlüsse meldepflichtig, die einen gewissen Transaktionswert überschreiten. Die Einführung dieses neuen Aufgreifkriteriums war umstritten. Im Zusammenhang mit der Bewertung von Transaktionen bestehen nicht nur verschiedene Unsicherheiten, vor allem ist auch fraglich, ob aufgrund eines einzelnen Präzedenzfalls überhaupt Handlungsbedarf besteht. Auf die Schweiz bezogen, entspräche eine Anpassung der Aufgreifkriterien auf jeden Fall kaum einem dokumentierten Handlungsbedarf. Vielmehr würde es sich um eine «Regulierung auf Vorrat» handeln.

Digitalisierung als Deckmantel für Lobbyisten

Abschliessend lässt sich sagen: Die Digitalisierung erfordert keine neuen Wettbewerbsregeln. Ein «digitales Wettbewerbsrecht» ist unnötig, denn auch im digitalen Raum sind Interventionen nur dann gerechtfertigt, wenn der Wettbewerb in Gefahr ist. Da die Herausforderungen jedoch in erster Linie methodischer Art sind, braucht es künftig für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Sachverhalten in der digitalen Welt vermehrt Einzelfallbetrachtungen und allenfalls punktuelle Anpassungen der Analysemethoden.

Wichtig scheint: Das Wettbewerbsrecht darf nicht «verpolitisiert» und unter dem Deckmantel der Digitalisierung für regional- oder industriepolitische Ziele missbraucht werden. Dass sich der Ständerat kürzlich für ein generelles Verbot von Preisparitätsklauseln in der Hotellerie ausgesprochen hat, muss vor diesem Hintergrund als fehlgeleiteter Interventionismus bezeichnet werden. Solche Vorschläge mögen einer unter Druck geratenen Branche zwar kurzfristig helfen, gefährden aber mittelfristig das mit der Digitalisierung einhergehende Momentum für den Wettbewerb.

Dieser Artikel ist am 25. September 2017 in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» erschienen.