Unternehmen besteuern, bevor sie auch nur einen Franken Gewinn erzielt haben – auf so eine Idee musste man erst kommen. Dies ist aber die eigenartige Logik der Emissionsabgabe, über deren Abschaffung am kommenden 13. Februar das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort haben wird.

Diese Abgabe wird dann erhoben, wenn Aktiengesellschaften oder Genossenschaften Eigenkapital aufnehmen, beispielsweise bei der Unternehmensgründung. Sie beträgt 1 Prozent der getätigten Einlagen, soweit die Finanzierung über eine Million Franken liegt. International stellt sie ein steuerliches Kuriosum dar: nur Japan und Südkorea kennen eine ähnliche Abgabe, wenn auch zu einem halb so hohen Satz.

Verletzung aller gängigen Steuerprinzipien

In der Not der Helvetik entstanden und im ersten Weltkrieg von den Kantonen an den Bund abgetreten, gehört die Emissionsabgabe zu den archaischen Transaktionssteuern. Archaisch, weil sie typisch für eine Zeit waren, in der dem Staat die administrative Kapazität einer umfassenden Besteuerung noch fehlte. Transaktionssteuern sind leicht zu veranlagen und erheben; eine Einfachheit, die aber zum Preis der Verletzung aller übrigen gängigen Prinzipien der modernen Besteuerung kommt.

So steht die Emissionsabgabe in keinem direkten Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit des Steuersubjektes. Ob das Unternehmen später ein Gewinn abwerfen oder das einbezahlte Kapital nur zur Deckung von Verlusten eingesetzt werden wird, spielt für die Höhe der Besteuerung keine Rolle.

Emissionsabgabe: fiskalisch unbedeutend, volkswirtschaftlich schädlich. (Claudio Schwarz, Unsplash)

Gravierender ist aber die Ineffizienz dieser Steuer, sprich ihr schlechtes Kosten/Nutzen-Verhältnis für die Volkswirtschaft. Für den Bund ist die fiskalische Bedeutung der Abgabe praktisch gleich null (genauer: 0,3% der Einnahmen). Die geringe Ergiebigkeit einer Steuer geht aber nicht automatisch mit geringen Schäden für die Volkswirtschaft einher. Gäbe es eine Millionensteuer auf Schuhe, würde sie zwar keine Einnahmen generieren, wir würden aber alle Barfuss durch die Gassen gehen.

Die BAK-Basel hat diese Frage in einer Studie sorgfältig untersucht. Sie kommt zum Schluss, dass die Abschaffung der Emissionsabgabe eher geringe gesamtwirtschaftliche Effekte hätte. Eventuelle Ausgabenkürzungen zur Gegenfinanzierung der öffentlichen Einnahmenausfälle würden aber mittel- bis längerfristig deutlich überkompensiert werden. Womöglich wäre das Kosten/Nutzen-Verhältnis noch schlechter, wenn man die negativen Effekte auf die Innovation dazu gerechnet hätte. Startups sind von der Abgabe stärker betroffen, da sie sich nicht aus einbehaltenen Gewinnen selbst finanzieren können.

Es gibt also Schlimmeres als die Emissionsabgabe. Transaktionssteuern wie die Umsatzabgabe und die Verrechnungssteuer richten grössere Schäden für die Schweizer Volkswirtschaft an. Bereits etablierte Unternehmen können die Emissionsabgabe oft umgehen, beispielsweise indem sie sich mit einbehaltenen Gewinnen finanzieren oder steuerminimierende Konstrukte verwenden. Nicht vor ungefähr stagnieren die Einnahmen aus der Emissionsabgabe seit Jahren.

Wird das Kapital geschont?

Und dennoch: Kann man kategorisch gegen die Abschaffung einer derart schlecht konzipierten und ungerechten Steuer sein? Offenbar schon. Die Linke hat eine Kampagne gestartet, mit der sie dieses steuerpolitische Kuriosum vehement verteidigt. – Na ja, wird man sagen, jedem sein Totem: den einen die Minarette, den anderen die Emissionsabgabe.

Die Anführer der Nein-Kampagne wollen aber partout einen «langjährigen Trend» zu einer Verschiebung der Besteuerung zugunsten der Kapitalerträge und zulasten der Löhne diagnostiziert haben, einen Trend, den es zu umzukehren gelte.

Doch wie steht es mit dieser Behauptung? Eine detaillierte Antwort dazu wird Gegenstand eines künftigen Blogbeitrages sein. Doch das (wohlbekannte) Hauptergebnis vorweg: Von einer Verschiebung der Steuerbelastung zulasten der Lohnempfänger kann in der Schweiz keine Rede sein. Sowohl der Beitrag der Unternehmensgewinnsteuer an den Gesamtsteuererträgen als auch jener der Kapitalsteuern insgesamt war in den letzten 25 Jahren ausserordentlich stabil.

Durch die gestiegene Bedeutung der zweiten Säule ist die scharfe Trennung zwischen «Arbeit» und «Kapital» ohnehin hinfällig. Denn früher oder später werden alle Schweizerinnen und Schweizer zu Kapitalisten: nämlich, wenn sie in die Rente gehen und ihr Pensionskassenguthaben beziehen. Es kann daher auch nicht in ihrem langfristigen Interesse sein, an einer obsoleten, schädlichen Emissionsabgabe festhalten zu wollen.