Rund um den Erdball erlebt das Instrument der Investitionskontrolle aktuell ein Revival. Dabei wird argumentiert, dass eine solche zur Wahrung der nationalen Sicherheit sowie aus wirtschaftspolitischen Interessen – etwa dem Schutz vor Übernahmen durch Staatsunternehmen aus Schwellenländern – notwendig sei.
Auch in der Schweiz wurde im Rahmen von verschiedenen parlamentarischen Vorstössen eine Verschärfung der Investitionskontrollen gefordert. Aber ist «Freihandel im Investitionsbereich» tatsächlich naiv, wie dies im politischen Diskurs immer wieder zu hören ist? Und welche Interessen und Branchen sind in der Schweiz besonders schutzwürdig? Unklar ist überdies, wie eine Investitionskontrolle konkret ausgestattet würde, wer für deren Umsetzung zuständig wäre und in welchem Verhältnis sie zu anderen Gesetzesnormen wie etwa der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle stehen würde.
Überflüssiger «Heimatschutz»
Ob Schweizer Unternehmen tatsächlich vor Übernahmen durch ausländische Investoren geschützt werden müssen, wurde am diesjährigen (dem mittlerweile 11.!) wettbewerbspolitischen Workshop intensiv diskutiert. Dabei überwog unter den Referenten und Teilnehmern die Skepsis, wenn teilweise auch aus unterschiedlichen Gründen:
Simon Jäggi, stellvertretender Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik beim Seco, erinnerte daran, dass in der Praxis das «nationale Interesse» viel zu oft für Zwecke des «Heimatschutzes» vorgeschoben werde und dass eine Investitionskontrolle auch ein abschreckendes Signal an die Gesamtheit der ausländischen Kapitalgeber senden könnte. Die EU etwa – der immer wieder ein Hang zu Überregulierung nachgesagt wird – sah während langer Zeit keinen Bedarf für Investitionskontrollen. Erst auf Drängen grösserer Mitgliedstaaten, wie z.B. Frankreich und Deutschland, wurde dieses Jahr die «Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen» (gültig ab Oktober 2020) erlassen, die gewisse Anforderungen an nationale Investitionskontrollen formuliert, die einzelnen Mitgliedstaat aber keineswegs verpflichtet solche Regeln einzuführen.
Auch im Schweizer Parlament ist aktuell eine Motion hängig, die für Investitionskontrollen nach ausländischem Vorbild eintritt. Jäggi erinnerte in seinem Referat an die Position des Bundesrates, der die Offenheit der Schweizer Volkswirtschaft als bewährtes Element des Wohlstandes bezeichnet. Zudem seien in der Schweiz kritische Infrastrukturen typischerweise in öffentlicher Hand und bedürften keines zusätzlichen Schutzes. Die Erfahrungen im Ausland würden zeigen, dass mit Investitionskontrollen in erster Linie Industriepolitik betrieben würde. Sie würden viel Bürokratie verursachen und kaum Nutzen stiften und seien deshalb weder zielführend noch notwendig.
Auch Daniel Daeniker, Senior Partner bei Homburger, warnte davor, neue Schranken hochzuziehen. Schon immer sei die Skepsis gegenüber gewissen ausländischen Investoren gross gewesen, gewechselt habe jeweils nur das Land, das kritisch beäugt werde. Waren es zu Beginn der 2000er Jahre die Investitionen der sogenannten «Sovereign Wealth Funds» (Staatsfonds), die weltweit für Unbehagen sorgten, sind es heute chinesische Übernahmen, die für Schlagzeilen sorgen.
Direktinvestitionen schaffen Stellen
Die praktische Erfahrung hätte aber vor allem eines gezeigt: Offenheit habe sich für die Schweiz immer gelohnt. Technologische Zusammenarbeit habe zu Innovation geführt, Freihandel und ausländische Direktinvestitionen Stellen geschaffen. Zudem habe die Rolle der Schweiz als internationaler Vermittler ohne Berührungsängste den hiesigen Unternehmen oftmals «First Mover»-Vorteile verschafft – so auch in China. Daeniker erinnerte überdies daran, dass fast alle SMI-Gesellschaften de facto bereits heute zur Mehrheit in ausländischen Händen seien.
Andreas Heinemann, Präsident der Wettbewerbskommission (Weko), betonte die zu erwartenden Probleme mit der Umsetzung einer Investitionskontrolle in der Praxis, vor allem, wenn man die Weko damit betrauen sollte. Diese würde sich nämlich nicht einfach bei der klassischen kartellrechtlichen Fusionskontrolle «anhängen» lassen – zwischen Fusions- und Investitionskontrolle bestünden so gut wie keine Berührungspunkte: Das Eingreifkriterium der «nationalen Sicherheit» habe mit den kartellrechtlich verfolgten Zielen (Sicherstellung des wirksamen Wettbewerbs) defacto nichts zu tun.
Missbrauch des Kartellrechts
Dies bestätige auch ein Blick ins umliegende Ausland, wo die Investitionskontrollen eigentlich nie – die prominenteste Ausnahme stellt Grossbritannien dar – bei den Wettbewerbsbehörden angesiedelt sei. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass den Juristen und Ökonomen der Weko in fachlicher Hinsicht die Expertise fehlen würde, um eine auf die «nationale Sicherheit» ausgerichtete Prüfung von Investitionsprojekten durchzuführen. Generell warnte Heinemann vor der wachsenden Gefahr, dass das Kartellrecht für allerlei protektionistische Anliegen missbraucht wird.
Auch Avenir-Suisse-Forschungsleiter Marco Salvi warnte davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten, indem er die wirtschaftlichen Tatsachen betonte. Innerhalb der OECD ist die Schweiz einer der wichtigsten Investitionsstandorte: Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen ist von unter 10% des BIP im Jahr 1985 auf knapp 130% des BIP im Jahr 2015 gestiegen. Der überwiegende Teil, nämlich nahezu 80%, dieser Kapitalflüsse stammt aus Europa. Wenn in der Politik von «Bedrohungen» durch ausländische Investitionen die Rede sei, gehe es aber zumeist um aussereuropäische Investitionen, etwa aus China.
Die nackten Zahlen zeigen jedoch: Die «gelbe Gefahr» ist viel kleiner als es den Anschein hat. Auch der «Mythos der schrankenlosen Schweiz» sei irreführend: In neun Branchen werden kritische Infrastrukturen schon heute durch den Bund überprüft, ebenso unterstehen «systemrelevante» Unternehmen speziellen Regeln. Der Immobilienmarkt kennt überdies die «Lex Koller», Absicherung gegen unerwünschte Übernahmen bietet auch die Rechtsform der spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft. Das Instrumentarium zur Prüfung bzw. Verhinderung ungewollter Investitionen ist somit schon heute gut – manche würden sagen sogar bereits zu gut – ausgebaut.