Das Coronavirus stellt nicht nur unser Gesundheitssystem und unsere Wirtschaft auf die Probe, sondern wirkt sich auch unmittelbar auf die berufliche Vorsorge aus. Um diese Auswirkungen zu untersuchen, muss zwischen der Situation von Personen, die ihren Arbeitsplatz behalten (und somit ihrer Pensionskasse angeschlossen bleiben), und derjenigen von Arbeitslosen unterschieden werden.

Geschützt, auch bei Kurzarbeit

Für Erwerbstätige werden die Beiträge an die berufliche Vorsorge nicht beeinträchtigt, sofern ihr Lohn nicht oder nur in geringem Masse von variablen Elementen abhängt. Dasselbe gilt für Personen in Kurzarbeit. Denn obgleich der Ersatzlohn nur 80 Prozent des versicherten Lohns beträgt, müssen die Lohnbeiträge, einschliesslich der Sparbeiträge an die berufliche Vorsorge, zu 100 Prozent geleistet werden.

Für voll erwerbstätige (oder kurzarbeitende) Versicherte ist demnach die finanzielle Situation der Pensionskassen entscheidend. Glücklicherweise hatten die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen vor der Krise komfortable Polster angehäuft. Gemäss der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) betrug der durchschnittliche Deckungsgrad per Ende Dezember 2019 112 Prozent, die Pensionskassen verfügten also über Wertschwankungsreserven von rund 12 Prozent.

Die Märkte haben sich erholt, die Pensionskassen befinden sich in einer mehrheitlich guten Lage. (William Iven, Unsplash)

Durch den weltweiten Einbruch der Finanzmärkte im ersten Quartal 2020 sind diese Reserven erheblich geschmolzen, inzwischen haben sich aber die Märkte wieder teilweise erholt. Ende April lag der durchschnittliche Deckungsgrad bei 106 Prozent. Angesichts des historischen Ausmasses der Krise befinden sich die meisten Pensionskassen also in einer bemerkenswert guten, wenn auch etwas anfälligeren Lage. Die dezentrale Struktur der 2. Säule und die breite Diversifikation des Vorsorgevermögens haben zur Widerstandsfähigkeit des Systems beigetragen. Die einer solchen Pensionskasse angeschlossenen Versicherten sind bisher ausreichend geschützt.

Für die 2. Säule wird die Entwicklung der Märkte in den kommenden Monaten entscheidend sein. Bewegen sich diese seitwärts oder gar aufwärts, so stehen die Pensionskassen gut da. Sollten sich die Märkte jedoch verschlechtern, so könnten die Deckungsgrade unter 100 Prozent fallen und Sanierungsmassnahmen notwendig werden, was Arbeitgeber und aktive Arbeitnehmer gleichsam belasten würde. Doch letztere finanzieren gemäss der OAK BV bereits heute Quersubventionen für die Rentner von jährlich 7,2 Milliarden Franken.

Vorsorgelücken

Problematischer ist die Lage für Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren. Tatsächlich unterstehen die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nur teilweise der beruflichen Vorsorge. Arbeitslose zahlen zwar weiterhin Risikobeiträge zur Absicherung gegen Tod und Invalidität, die Sparbeiträge werden jedoch sistiert. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen weniger Ersparnisse ansammeln, was bei der Pensionierung zu Leistungslücken führen kann. Arbeitslose scheiden zudem aus der Pensionskasse aus und müssen ihr Vermögen auf einem Freizügigkeitskonto «parkieren». Für diese Vermögenswerte gibt es keinen Mindestzinssatz.

Zurückhaltung und Flexibilität bei der Reform

Zumindest im Jahr 2020 wird die Coronavirus-Krise die finanzielle Lage der Pensionskassen nicht über Gebühr belasten. Was aber mitnichten bedeutet, dass die berufliche Vorsorge keiner Reform bedarf. Die Vernehmlassung dazu ist Ende Mai abgeschlossen worden.

Angesichts der drohenden Rezession gilt es, den Versuchungen standzuhalten. Die in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehene, grosszügige Regelung für die Übergangsgeneration, die eine lebenslange Erhöhung der BVG-Renten um 200 Franken pro Monat für alle Personen über 60 Jahre (bzw, 150 Franken für die 55-Jährigen und 100 Franken für die 50-Jährigen) vorsieht, muss in Frage gestellt werden. Mehr Zurückhaltung ist geboten.

Ebenso sollte die geplante Senkung des Koordinationsabzugs zur Verbesserung der (mehrheitlich weiblichen) Teilzeitbeschäftigten zwar ein langfristiges Ziel bleiben, jedoch nur etappenweise, über fünf oder sogar zehn Jahre eingeführt werden. Bei einem gestaffelten Übergang könnte ein abrupter Anstieg der Lohnbeiträge in Branchen mit einer grossen Anzahl von Teilzeitbeschäftigten vermieden werden, was bei der anstehenden Rezession von besonderer Wichtigkeit sein könnte. Die vorgesehene Rentenreform sollte daher von Zurückhaltung und Flexibilität geprägt sein.

Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge», Ausgabe 7/20, erschienen.