Logib, die statistische Wunderwaffe des Bundes im Kampf gegen die Lohndiskriminierung, ist ein Wolf im Schafspelz. Die biedere Aufmachung als Excel-Tabelle kontrastiert mit den grossen Plänen, die der Bund damit hegt. Bald soll Logib in allen Schweizer Unternehmen ab fünfzig Mitarbeitern überprüfen, ob das Gebot des gleichen Lohns für gleichwertige Arbeit eingehalten wird. Was ist von Logib zu halten? Die Website des Tools suggeriert, dass «Logib auf den Daten der Lohnstrukturerhebung basiert, welche alle zwei Jahre vom Bundesamt für Statistik durchgeführt wird». Von der Erhebung des Bundes wurde aber nur die Datenstruktur übernommen, nicht die Daten selbst. Ob ein KMU Lohndiskriminierung betreibt, müssen lediglich die eigenen Lohndaten beantworten können – auch wenn die Firma nur 50 Mitarbeiter zählt.

Hinter Logib steckt also nicht Big Data, sondern ein einfaches statistisches Modell. Darin werden sämtliche Lohnunterschiede auf eine Handvoll persönliche und stellenspezifische Merkmale zurückgeführt: Alter, Dauer der Ausbildung, Dienstjahre im aktuellen Betrieb, Anforderungsniveau und die berufliche Stellung. Systematische Lohndifferenzen zwischen Geschlechtern, die sich nicht mit Unterschieden in diesen Merkmalen begründen lassen, werden von Logib als Diskriminierung ausgewiesen.

Verzerrte Resultate

Wichtige Faktoren fehlen in der Liste, allen voran die Berufserfahrung. Damit werden die Resultate stark verzerrt. Frauen verfügen im Durchschnitt über eine kürzere Berufserfahrung als gleichaltrige Männer: Sie arbeiten häufiger Teilzeit, und werden sie Mütter, unterbrechen sie öfter ihre Karriere. Damit bilden sich Lohnunterschiede, die von Modellen wie Logib fälschlicherweise als Lohndiskriminierung ausgewiesen werden.

Nehmen wir an, dass in einem Betrieb ausschliesslich junge Mechaniker und ältere Buchhalterinnen arbeiten. In diesem Betrieb wäre es verfehlt, mit internen Lohndaten auf Diskriminierung testen zu wollen, denn die Merkmale der Frauen weichen zu stark von denjenigen der Männer ab. Nur wenn es genügend Buchhalter und Mechanikerinnen gäbe, könnte eine Schätzung der Lohndiskriminierung in Betracht gezogen werden. Das Beispiel ist nicht gesucht. Solche Unternehmen gibt es in der Schweiz zuhauf. Viele Berufe sind nach wie vor stark nach Geschlecht segregiert. Trotz wiederholten Anstrengungen der Industrie sind zum Beispiel 95% der Polymechanikerlehrlinge Männer. Diese Entmischung der Berufe ist zu bedauern. Alte Rollenmuster müssen aufgebrochen werden. Doch die Schweizer Unternehmen für den Mangel an Mechanikerinnen, Programmiererinnen oder Arztgehilfen zu bestrafen, wie es Logib tut, ist der falsche Ansatz.

Ein Risiko für die Frauen selbst

Zu einfache Lohnmodelle bergen grosse Risiken; nicht nur für die Unternehmen, sondern vor allem für die Frauen selbst. Welches Unternehmen möchte beim Lohntest durchfallen und offiziell als diskriminierend gebrandmarkt werden, nur weil es Mitarbeiterinnen eingestellt hat, die länger dem Arbeitsmarkt fernblieben, aber gemäss Logib mehr verdienen müssten?

Lieber werden die Unternehmen keine Frauen mehr einstellen oder wenn, dann nur junge. Der Bedarf nach statistischen Lohntests ist geringer, als der Bund meint. Auf einem flexiblen Arbeitsmarkt werden sich jene Frauen, die tatsächlich deutlich weniger Lohn erhalten, als sie der Firma einbringen, früher oder später eine neue Stelle suchen. Andere gewinnorientierte Unternehmen werden solche produktiven Mitarbeiterinnen gerne aufnehmen und besser entschädigen, sie haben jeden Anreiz dazu. Die Lohnstruktur wird bereits heute laufend «getestet», nicht durch Logib, aber durch den Arbeitsmarkt selbst.

Dieser Artikel erschien im «Tages-Anzeiger» vom 19. September 2015.