Nach der Katastrophe in Japan wurden die ältesten Kernkraftwerke (KKW) Deutschlands vom Netz genommen. Voraussichtlich gehen sie auch nicht mehr in Betrieb. Über höhere Preise am Markt ist auch die Schweiz davon betroffen. Vor allem am Terminmarkt ist ein spürbarer Preisanstieg festzustellen, wenn auch die Notierungen noch deutlich unter den Höchstwerten aus dem Jahr 2008 liegen.

Nur wenige Monate nach der Katastrophe in Japan sind die Auswirkungen am europäischen Strommarkt spürbar. Kurzfristig besonders einschneidend ist der Entscheid der deutschen Bundesregierung, sieben ältere KKW sofort vom Netz zu nehmen. Ein weiteres – das KKW Krümmel – ist zusätzlich seit einiger Zeit nicht in Betrieb. Geht es nach dem Willen der Politik, werden diese Kraftwerke auch nicht mehr hochgefahren. Damit reduziert sich die Leistung des deutschen Kraftwerkparks um mehr als 8 GW. Zum Vergleich: Die Schweizer KKW verfügen über eine aggregierte Leistung von rund 3,2 GW. Die beträchtliche Reduktion an Kraftwerksleistung droht sich in deutlich höheren Strompreisen niederzuschlagen. Davon wäre auch die Schweiz betroffen: Weil Strom über die Grenzen handelbar ist, übernimmt der Schweizer Markt die Preise seiner Nachbarländer. Je nach Jahreszeit und Importbedarf pendelt die Schweiz zwischen dem höheren italienischen und dem meist tieferen deutschen Preisniveau.

Im Juli dieses Jahres wurde Grundlaststrom für das Marktgebiet Deutschland an der Börse EEX bei 46,4 €/KWh gehandelt. Im Januar und Februar – also noch vor der Abschaltung der deutschen KKW – lag der Preis bei rund 50 €/MWh. Aufgrund der saisonalen Einflüsse ist ein Vergleich mit dem Vorjahresmonat sinnvoller. So lag der durchschnittliche Preis im Juli 2010 mit 45,8 €/MWh praktisch gleich auf. Aber auch hier ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt, schliesslich kann die Preisdifferenz auch auf temporäre Faktoren auf der Angebots- und Nachfrageseite zurückzuführen sein. Sichtbar ist hingegen der Einfluss des deutschen Atomausstiegs auf dem Terminmarkt. So verteuerte sich im März der für das Jahr 2012 gehandelte Strom sprunghaft von etwa 52 € auf 60 €/MWh. Allerdings lag gegen Mitte August der Preis wieder etwas tiefer bei rund 57 €/MWh. Zwar ist der prozentuale Preisanstieg gegenüber dem Jahresanfang bedeutend, doch ist das absolute Preisniveau noch deutlich unter dem Höchstwert im Jahr 2008, als für Grundlaststrom im Spothandel durchschnittlich rund 66 €/MWh bezahlt wurde.

Verhaltene Konjunkturaussichten und grosses Erdgasangebot halten Preise im Zaum

Die Marktakteure gehen offenbar nicht davon aus, dass sich im europäischen Markt eine besonders gravierende und preistreibende Angebotsknappheit abzeichnet. Tatsächlich gab es während der vergangenen Monate im europäischen Markt eher Überkapazitäten, die auf den Preis drückten.

Kurzfristig können die fehlenden KKW-Kapazitäten durch ältere, weniger effiziente Gas- und Kohlekraftwerke ersetzt werden, die bisher wegen ihrer höheren variablen Kosten eine relativ tiefe Auslastung aufwiesen. Damit einher geht zwangsläufig ein Preisanstieg. Das lässt sich einfach illustrieren. Die Angebotskurve im Strommarkt wird durch die variablen Kosten der Kraftwerke gebildet. Die Kosten des letzten, gerade noch nachgefragten bzw. eingesetzten Kraftwerks bilden dabei den Marktpreis. Üblicherweise handelt es sich dabei um ein Gas- oder Kohlekraftwerk.

Werden aufgrund der Abschaltung der KKW zunehmend ältere Kraftwerke mit tieferem Wirkungsgrad und höheren Kosten eingesetzt, steigt auch der Preis. Gleichzeitig nehmen der CO2-Ausstoss und die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten zu, was deren Preis und damit auch jenen des Stroms zusätzlich erhöht. Die Grösse des Preiseffekts am Terminmarkt wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, vor allem die erwartete wirtschaftliche Entwicklung und damit zusammenhängend die industrielle Stromnachfrage, die prognostizierten Preise für Kohle, Gas und CO2-Zertifikate sowie die Verfügbarkeit von (neuen) Kraftwerken. Aufgrund der wenig optimistischen Konjunkturprognosen, aber auch der anhaltend positiven Entwicklungen beim Gasangebot dürfte sich vorderhand auch der Strompreisanstieg in Grenzen halten.

Gestiegenes Risiko von Stromausfällen

Doch die Preisentwicklung an der Börse spiegelt die Risiken regionaler Stromengpässe nur begrenzt. Das gilt besonders im Fall Deutschlands, wo nur eine einzige landesweite Preiszone besteht, die keinen regionalen Angebotsmangel signalisieren kann. Fünf der abgeschalteten deutschen Kernkraftwerke stehen im Süden des Landes. Das bedeutet, dass die wirtschaftsstarke Region vermehrt auf den im Norden produzierten Strom angewiesen ist. Dies wiederum erhöht die Belastung des Übertragungsnetzes derart stark, dass auch die Risiken für die Systemstabilität zunehmen. Davon betroffen ist nicht nur Süddeutschland, sondern wegen der engen Vernetzung auch die Schweiz.