Wie weiter nach Ablehnung der Totalrevision des CO2-Gesetzes? Die Interpretation des «Wählerwillens» unterscheidet sich je nach politischem Standpunkt fast diametral und reicht von «Wir brauchen subito mehr Vorschriften» über «Das Konzept Lenkungssteuer wurde nicht konsequent genug umgesetzt» bis zu «Mehrkosten für Otto-Normalverbraucher sind nicht mehrheitsfähig».

Klar ist: Wir können nun nicht die Hände in den Schoss legen. Die Schweiz ist – wie über 190 andere Staaten im Rahmen des Übereinkommens von Paris – nationale Reduktionsverpflichtungen eingegangen. Bis 2030 soll der Treibhausgas-Ausstoss (THG-Ausstoss) gegenüber 1990 um mindestens 50%, bis 2050 gar auf null sinken. Das Ziel für 2020 (-20% gegenüber 1990) dürfte gemäss provisorischen Daten verfehlt werden. Kein guter Startpunkt also.

Vier Anforderungen an zukünftige Klima-Massnahmen

Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes ist vor der Ausarbeitung einer wirkungsvollen Alternative. Jede neue Klima-Massnahme sollte deshalb anhand transparenter Kriterien auf ihre langfristige Leistungsfähigkeit geprüft werden. Eine liberale Klimapolitik erfüllt folgende Anforderungen:

1_ Effektivität
Die Massnahme führt zu einer umfassenden Reduktion der THG-Emissionen. Es interessiert also die Reduktion in Prozent der Gesamtemissionen.

2_ Effizienz
Pro eingesetztem Franken sollte eine möglichst hohe Reduktion der THG-Emissionen erzielt werden. Gerade weil die Reduktionen dringlich sind, ist die Erfüllung dieses Kriteriums wichtig. Die Effizienz ist mit der Effektivität verwandt: Wird fast keine THG-Reduktion erreicht (Effektivität), dürfte das Kriterium Effizienz schwierig zu erfüllen sein – ausser die Massnahme ist sehr günstig. Die Dringlichkeit des Klimaschutzes berechtigt nicht, finanzielle Mittel in schlecht konzipierte Massnahmen zu investieren.

Die Relevanz dieses Kriteriums nährt sich auch aus dem Gedanken, dass jede Massnahme Opportunitätskosten generiert: Jeder Franken, der in Klimaschutz investiert wird, kann nicht für andere Anliegen, z.B. in der Bildung, ausgegeben werden. Effizienz heisst also, die Opportunitätskosten zu minimieren, indem die verfügbaren Mittel dort eingesetzt werden, wo sie am meisten erreichen können.

3_ Kostenwahrheit
Grundidee der Kostenwahrheit ist die Durchsetzung des Verursacherprinzips: Der Verursacher eines THG-Ausstosses sollte in Bezug auf die Klimawirkung seiner Emission nicht nur seine eigenen Kosten (die null betragen), sondern die gesellschaftlichen (und mehrheitlich in der Zukunft anfallenden) Kosten tragen. Eine praktische Schwierigkeit ist, die «wahren» gesellschaftlichen Kosten zu beziffern – doch dies ist strenggenommen ein untergeordnetes Problem. Wichtig ist das Eingeständnis, dass THG-Emissionen überhaupt Kosten verursachen. Die Weltbank identifizierte ein globales Preisband von 50 bis 100 $ pro Tonne CO2eq für 2030, um den Absenkpfad für das «unter zwei Grad»-Klimaziel von Paris einzuhalten.

4_ Technologieneutralität
Die Politik sollte nur das Reduktionsziel vorgeben, das mit der Massnahme erreicht werden soll. Die Wahl der Technologie, um die Zielvorgabe zu erfüllen, sollte den betroffenen Akteuren überlassen werden. Dadurch entsteht ein ergebnisoffener Wettbewerb zwischen verschiedenen Lösungsansätzen. Schliesslich werden sich jene durchsetzen, die am effizientesten und effektivsten wirken. Der Vorteil dieses Entdeckungsverfahrens ist, dass damit nicht schon im Voraus von zentraler Instanz antizipiert werden muss, welche Technologien sich durchsetzen könnten. Die Gefahr einer politischen Fehleinschätzung wird durch technologieneutrale Massnahmen gebannt.

Der Verkehr, Gebäudebereich und die Industrie machen 80% der inländischen THG-Emissionen aus.

Während im Gebäudebereich und der Industrie die bisherigen Verminderungen substanziell sind, ist die Entwicklung im Verkehr weniger erfreulich. Dies ist weniger dem Instrument der Kompensationspflicht anzulasten als der gesetzlich vorgegebenen auszugleichenden Menge. Für 2021 müssen gerade einmal 12% des Ausstosses kompensiert werden, was aufgrund des Mengenwachstums des Verkehrs zu gering ist, um eine effektive Reduktion zu bewirken. Die bisherige Politik, den Kompensationssatz schrittweise zu erhöhen, sollte weitergeführt werden.

Wenig konkrete Ansätze gibt es bisher im Bereich der Landwirtschaft. Im Gegenteil bestehen gar Fehlanreize, beispielsweise indem die Treibstoffsteuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge zurückerstattet wird. Solche Instrumente gilt es auszumerzen.

Weiterzuführen und auf weitere Länder auszuweiten sind die im letzten Jahr abgeschlossenen bilateralen Klimakompensationsabkommen. Zu den ersten beiden Vertragspartnern der Schweiz gehören Peru und Ghana, mit Thailand wurde vor kurzem eine Absichtserklärung unterzeichnet. Die Schweiz nimmt dabei eine Pionierrolle ein und nutzt ein Instrument des Übereinkommens von Paris. Die im Ausland finanzierten Reduktionsleistungen können dem eigenen Ziel angerechnet werden, sofern sie real, verifizierbar und dauerhaft sind.

Die Hebelwirkung einer wirkungsvollen Schweizer Klimapolitik

Weshalb der ganze Aufwand? Manch einer mag denken: Der schweizerische Anteil am globalen THG-Ausstoss beträgt gerade einmal ein Promille – wie können und sollen wir da einen spürbaren Einfluss haben? Dieser Einwand ist (rein rechnerisch) nicht von der Hand zu weisen. Und doch ist er wenig legitim, denn: genau dieses Denken hat überhaupt erst dazu geführt, dass beim (globalen) CO2-Problem weltweit noch nicht annähernd gleich grosse Fortschritte erzielt wurden wie bei diversen Umweltproblemen mit eher lokalen Auswirkungen. Gegeben das Eingeständnis, dass die Klimaproblematik real und fundamental ist, steht die Schweiz als eines der wohlhabendsten Länder in der Verantwortung, ihren Beitrag zu leisten.

Um allerdings die ehrgeizigen Reduktionsziele zu erreichen, muss die Schweiz auf jene Massnahmen setzen, die zu einer langfristigen, nachhaltigen Reduktion führen und bezahlbar sind. Der Wirkungsgrad der Klimapolitik muss erhöht werden. Dazu gehört der Einsatz marktnaher Instrumente des Klimaschutzes. Die soziale Akzeptanz kann gesteigert werden, indem die generierten Abgaben auf einer Pro-Kopf-Basis vollständig an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Damit werden übermässige Verursacher netto belastet, ein klimaschonender Lebensstil wird belohnt. Bereits heute geschieht eine solche Rückverteilung, jedoch nur teilweise und über die Reduktion der Krankenkassenprämien. Dies ist zu wenig spür- und greifbar.

Eine solchermassen ausgestaltete Schweizer Klimapolitik, die wirkungsvoll, bezahlbar und sozial akzeptiert ist, kann eine Blaupause für andere Länder darstellen. Die Hebelwirkung wäre gross und würde den eigenen Klimaeinfluss von einem Promille deutlich übersteigen. Packen wir es an!

Weiterführende Informationen finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».