Nach gut vier Jahren fasst der Bundesrat erneut die Modernisierung des Wettbewerbsrechts ins Auge. Der letzte Versuch galt als zu überladen und scheiterte 2014 an der Zustimmung des Parlaments. Nun sollen mit einer abgespeckten Vorlage zumindest die augenfälligsten Mängel des in die Jahre gekommenen Schweizer Wettbewerbsrechts ausgebessert werden. So auch im Bereich der Fusionskontrolle. Das Herzstück der heutigen Fusionskontrolle ist der sogenannte Dominanztest: Die Wettbewerbskommission (Weko) kann einen Zusammenschluss nur untersagen, wenn dieser eine marktbeherrschende Stellung («Dominanz») begründet oder verstärkt. Dieses Kriterium wurde in den vergangenen Jahren zunehmend kritisiert, da es mit dem international breit abgestützten Streben nach einem «More Economic Approach» im Wettbewerbsrecht kaum vereinbar ist.

Die EU-Kommission beurteilt Zusammenschlüsse bereits seit 2004 auf Basis des «Significant Impediment to Effective Competition»-Tests. Dieser fokussiert nicht nur auf die Struktur der fusionierenden Unternehmen, sondern auf die Auswirkung auf den Gesamtmarkt: Zusammenschlüsse können dann untersagt werden, wenn sie generell zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs führen. Dies ist im Einklang mit der ökonomischen Lehre. Denn empirische Studien belegen, dass Zusammenschlüsse – insbesondere naher Wettbewerber – signifikante Preiserhöhungen nach sich ziehen können, auch wenn sie nicht zu einer marktbeherrschenden Stellung führen. Umgekehrt geraten unter einem Dominanztest auch Zusammenschlüsse in den Fokus der Behörden, die kaum Auswirkungen auf den Wettbewerb haben. Erwirbt ein bereits marktbeherrschendes Unternehmen beispielsweise einen Wettbewerber, führt dies zwar mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung. Der Effekt auf Preis und Angebotsvielfalt ist aber oft vernachlässigbar.

Klare Rahmenbedingungen, fairer Wettbewerb, wie am Engadiner Skimarathon. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Diese Mängel des Dominanztests haben konkrete negative Folgen. So wirkt sich die 2007 unter Auflagen freigegebene Übernahme der Denner-Filialen durch die Migros nach Ansicht vieler Experten bis heute negativ aus. Die resultierende hohe Marktkonzentration im Schweizer Detailhandel gilt als mitverantwortlich für die gegenüber dem Ausland stark überhöhten Lebensmittelpreise.

Die Behörden versuchen den Missstand immer wieder über eine teilweise kreativ anmutende Umsetzung des Dominanztests zu kompensieren. Im Medienbereich werden die Marktgrenzen beispielsweise nach wie vor sehr eng definiert. Die resultierenden hohen Marktanteile der Unternehmen werden dann gerne als Hinweis auf eine drohende Marktbeherrschung gewertet. Mit der Realität der betroffenen Medienhäuser hat dies jedoch wenig zu tun: Diese sehen sich in den konvergierenden Medienkanälen einem harten Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Leser ausgesetzt.

Die Modernisierung der Fusionskontrolle würde die Schlagkraft des Wettbewerbsrechts erhöhen. Volkswirtschaftlich schädliche Zusammenschlüsse könnten gezielter unterbunden, unschädliche oder gar wünschenswerte Fusionen vielfach schneller genehmigt werden. Ausserdem würde ein effektiverer Dialog zwischen Behörden und Unternehmen ermöglicht. Die Weko könnte allfällige wettbewerbliche Bedenken direkt beim Namen nennen. Und die Unternehmen könnten im Gegenzug ihre Positionen wirkungsvoller darlegen und – falls angezeigt – in Zusammenarbeit mit der Weko Abhilfen erarbeiten. Wenig zielführende Diskussionen über interpretationsbedürftige Konzepte wie Marktabgrenzung oder -beherrschung würden in den Hintergrund rücken.

Das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) kürzlich veröffentlichte Weisspapier zur Teilrevision des Kartellgesetzes befindet sich zurzeit im Vernehmlassungsprozess. Ob nun endlich Schwung in das reformbedürftige Schweizer Wettbewerbsrecht kommt, wird sich in den nächsten Monaten weisen.

Dieser Artikel ist am 22.11.2018 in der NZZ erschienen.