In der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen hat sich vielerorts das Credo festgesetzt, wonach gewichtige Aufgaben und Lasten von Bund und Kantonen gemeinsam gestemmt werden sollen. Ein Beispiel dazu ist die Individuelle Prämienverbilligung (IPV). Seit ihrer Einführung 1996 wird dieses Instrument zur Unterstützung von Personen mit «geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit» beim Bezahlen der Krankenkassenprämien von Bund und Kantonen gemeinsam getragen. Die gemeinsame Finanzierung macht die öffentliche Last nicht kleiner, mindert aber den Gestaltungsraum der Kantone und hat eine ungenaue Umverteilung gefördert.

Die interaktive Grafik zeigt Ausgaben für die IPV von Bund und Kantone von 2008 bis 2015. Mit der NFA wurde per 2008 die Finanzierung neu geregelt und den Kantonen mehr Verantwortung übertragen. Im neuen Modus entsprechen die Beiträge des Bundes 7,5% der Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung. Die Kantone erhalten Anteile ihrer Einwohnerzahl entsprechend. Sie sollen den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen gewähren. Wie genau sie das tun, bleibt ihnen überlassen – mit Ausnahme der IPV für Kinder und Jugendliche, wo der Bund festlegt, dass die Prämien für untere und mittlere Einkommen um mindestens 50% verbilligt werden müssen. Trug der Bund unter dem alten Regime noch über 85% mehr als die Kantone zur IPV bei, reduzierte sich die Mehrbelastung des Bundes auf das Jahr 2008 auf rund 10%. Im Jahr 2010 finanzierten Bund und Kantone die IPV sogar fast zu gleichen Teilen, seither divergieren die Ausgaben wieder zum alten Gewicht. Im aktuellsten Jahr der Statistik, 2015, gab der Bund mit 2,36 Mrd. Fr. knapp 34% mehr aus als die Kantone zusammen.


Die Entwicklung der IPV-Ausgaben von Bund und Kantonen zeigt zwei übliche Probleme von Verbundfinanzierungen. Zum einen lässt sich vermuten, dass durch die grosszügige Beteiligung des Bundes übermässig umverteilt wurde. Das heisst nicht nur, dass eine ungenaue Art der Umverteilung gewählt wurde, sondern auch, dass für eine gegebene Geldmenge Bedürftige weniger erhalten haben als sie bei zielgerichteter Unterstützung erhalten hätten.

Aktuell befreit die Hälfte der Kantone ihre Bevölkerung bis in den Mittelstand ganz oder teilweise von der Pflicht, selbst für ihre Krankenversicherung aufzukommen (gemessen für eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern). Ein Kanton finanziert gar bis in den oberen Mittelstand. Zum anderen tragen weder der Bund noch die Kantone die volle Verantwortung für ihre Entscheide. Die beiden Staatsebenen sind abhängig vom Verhalten der jeweils anderen und sehen in ihren Büchern nur einen Teil der finanziellen Last. Das erschwert die öffentliche Diskussion darüber, wie hoch die Umverteilung ausfallen soll. Um eine möglichst effiziente Erbringung öffentlicher Leistungen sicherzustellen, lohnt es sich, die Möglichkeiten der Entflechtung zu prüfen. Verschiedene Gründe sprechen für eine Entflechtung hin zu den Kantonen.

  • Die Grundsätze der NFA machen eine Verbundfinanzierung nicht notwendig: Weder die fiskalische Äquivalenz, noch Subsidiarität sprechen für eine Beteiligung des Bundes: Über seine Kompetenzen im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung hat der Bund zwar auf viele Bereiche der Gesundheitsversorgung einen Einfluss. Daraus auf eine Mitfinanzierungspflicht des Bundes zu schliessen, ist aber verfehlt: Mit dieser Argumentation könnte für jede Aufgabe der Kantone im Gesundheitswesen Geld des Bundes gefordert werden. Auch im Sinne der Subsidiarität braucht es keine Beteiligung des Bundes. Die Kantone sind in der Lage, das Verfahren und die Überweisungsmodalitäten selbst zu verantworten (Bundesrat 2014: 33).
  • Die Kantonsbeiträge an die IPV variieren sehr stark: Sie betrugen 2015 im Kanton Nidwalden nur gerade 11% von jenen des Bundes. Basel-Stadt dagegen liess sich die IPV im selben Jahr 205 % der Bundesausgaben für ihren Kanton kosten. Die Varianz der kantonalen Prämien ist sogar noch grösser unter Einbezug der IPV als ohne. Kantone zeigen also nicht das Verlangen zur Vereinheitlichung. Sie wollen und sollen ihr Bündel an Leistungen selbst schnüren.

Aufgaben ohne Denkblockaden verteilen

Die Dezentralisierung der Prämienverbilligung ist nur einer von vielen Vorschlägen, die Avenir Suisse in «NFA 2. Für eine Revitalisierung des Schweizer Föderalismus» gemacht hat. Die konkreten Vorschläge zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen sollen Antworten liefern auf die Frage, die heute zu wenig diskutiert wird: Welche Staatsebene kann eine bestimmte Aufgabe am besten erfüllen?

Weitere Informationen zum Thema: «NFA 2. Für eine Revitalisierung des Schweizer Föderalismus»