Jährlich gehen in der Schweiz rund 15% aller Arbeitsstellen verloren. Doch im gleichen Zeitraum werden noch mehr neue geschaffen. Zwischen 2006 und 2016 wurden 7,3 Mio. neue Stellen angetreten und 6,7 Mio. Arbeitsverhältnisse aufgelöst. Zugleich wurden 700’000 zusätzliche Stellen geschaffen. Der Schweizer Arbeitsmarkt ist bereits heute dynamischer als allgemein angenommen.

Dennoch geht das neue gewerkschaftliche Narrativ umher, wonach mit der Digitalisierung ein grosser Teil der heutigen Arbeitsplätze verschwinden werde. Der technologische Wandel führe zu Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt: Temporäre Arbeiten würden sprunghaft zunehmen, die ortsunabhängige Tätigkeit sei rapide im Steigen begriffen, bislang unbefristete Stellen würden unter Druck geraten. Entsprechend sind zunehmend Tendenzen zu konstatieren, die zu Vorkehrungen aufrufen, um den prophezeiten Verlusten traditioneller Arbeitsplätze regulativ entgegenzuwirken. Angesichts des erwarteten Strukturwandels steigt der Druck auf politische Einflussnahmen auf kantonaler wie auch auf eidgenössischer Ebene.

Den vermeintlichen Angriff der Roboter als Chance statt als Bedrohung sehen. (Wikimedia Commons)

Im Kanton Genf etwa wird eine Strafsteuer für Self-Scanning-Kassen diskutiert. Im Bundeshaus postulieren Gewerkschafter unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes ein Geschäfts-E-Mail-Verbot nach Feierabend und laufen Sturm gegen eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit. All diesen Bemühungen ist gemeinsam, dass mit dem Kochbuch der Regulierung und der staatlichen Intervention das Zeitalter der digitalen Veränderungen gestoppt oder verzögert werden soll. Vergessen wird dabei, dass die Digitalisierungswelle nicht nur wirtschaftliche Tätigkeiten erfasst, sondern ebenso gesellschaftlich und sozial zu neuen Kommunikations- und Verhaltensmustern führt. Auch nach Feierabend werfen wir alle regelmässig einen Blick auf unser Handy-Display.

Der von vielen mit der Digitalisierung befürchtete Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt stellt eine Konstante dar – und dies nicht erst seit dem 21. Jahrhundert. Beispiele: Waren im Jahr 1880 noch rund 60% der erwerbstätigen Bevölkerung im Kanton Appenzell Ausserrhoden in der Textilindustrie tätig, reduzierte sich die Zahl der Beschäftigten infolge der Mechanisierung erheblich. Im 21. Jahrhundert ist nur noch ein kleiner Teil der Appenzeller Arbeitskräfte in der Textilindustrie tätig.

Eine analoge Entwicklung lässt sich in der Landwirtschaft beobachten. 1870 waren noch über 40% der Erwerbstätigen in der Schweiz in der Landwirtschaft tätig. Heute ist die volkswirtschaftliche Bedeutung der Schweizer Landwirtschaft verschwindend klein, der Anteil der Erwerbstätigen liegt mittlerweile unter 3%. Dennoch führte dieser Strukturwandel auf dem einheimischen Arbeitsmarkt nicht zu Armut und Massenarbeitslosigkeit, da in der gleichen Zeitperiode der Industrie- und Dienstleistungssektor an Bedeutung gewann. Auch die gewerkschaftliche These, wonach der technologische Fortschritt Arbeitslosigkeit schaffe, weil er bestehende Arbeitsplätze vernichte, ist irreführend. Einen direkten Zusammenhang zwischen Innovation und Arbeitslosigkeit gibt es nicht, vielmehr weisen innovations- und technologieintensive Länder wie die Schweiz eher tiefere Arbeitslosenquoten auf als Länder mit schwacher Innovationsneigung.

Das Seco in Bern wie auch Avenir Suisse gehen unabhängig voneinander davon aus, dass es im Zuge der Digitalisierung zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten kommt. Anstatt also die dynamische Entwicklung unseres Arbeitsmarktes vor den digitalen Veränderungen mit neuen Regulierungen zu verhindern zu versuchen, ist die Flexibilität im Zeitalter der vierten industriellen Revolution zu erhalten und zu erhöhen. Alles andere kommt einer Verweigerung der digitalen Realitäten gleich.

Dieser Beitrag ist am 13. November 2017 in der «Luzerner Zeitung» sowie im «St. Galler Tagblatt» erschienen.

Weitere Informationen zum Thema: «Wenn die Roboter kommen: Den Arbeitsmarkt für die Digitalisierung vorbereiten».