Angesichts der komfortablen Lage der Schweizer Städte gerät schnell in Vergessenheit, dass sich diese bis in die frühen 90er Jahre hinein in einem Prozess des Niedergangs befanden und als «A-Städte» bezeichnet wurden. Während die wohlhabend Mittelschicht in die Agglomerationen zog, blieben in den Zentren Arme, Alte, Arbeitslose und Ausländer zurück.
Der Aufschwung der Schweizer Städte ist ein relativ neues Phänomen. Noch in den 1980er und frühen 1990er Jahren befanden sie sich in einer Negativdynamik. Im Rahmen der Suburbanisierung, die auch in vielen anderen Ländern Europas und Nordamerikas zu beobachten war, wanderten vor allem junge Familien und Gutverdienende aus den Kernstädten in den Speckgürtel des Umlands ab – und mit ihnen Kaufkraft und Steuersubstrat. In den Zentren blieben die Armen, die Arbeitslosen, die Alten, die Ausländer zurück – das Schlagwort von den «A-Städten» machte die Runde (Arend 2009). Verstärkt wurde die missliche Lage in der Schweiz durch das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld nach dem Platzen der Immobilienblase.
Symptome des urbanen Malaises waren Besetzungen leerstehender Häuser, aber auch offene Drogenszenen in grossen Städten wie auf dem Zürcher Platzspitzareal. Besonders ausgeprägt war der Suburbanisierungsprozess in Basel: Während die Einwohnerzahl von Basel-Stadt zwischen 1970 und 2000 um 44’000 Personen schrumpfte, wuchs jene von Basel-Landschaft um 60’000 Personen. Die Pendlerströme in umgekehrter Richtung nahmen in einer ähnlichen Grössenordnung zu. Folgen der «Stadtflucht» waren fallende Immobilienpreise und Haushaltsdefizite in der Stadt, die Zersiedlung des Basler Umlands sowie zunehmende Verkehrsprobleme.
Der Turnaround begann Mitte der 1990er Jahre und mündete in einer urbanen Sonderkonjunktur, die bis heute anhält. Ähnliche Entwicklungen gab es auch jenseits der Schweizer Landesgrenzen. Die historische Pendelbewegung zwischen «Suburbanisierung» und «Reurbanisierung» war in den meisten westlichen Industriestaaten noch ausgeprägter als in der Schweiz – besonders in den USA.
Niedergang und Wiederaufstieg der US-amerikanischen Städte
Der Niedergang vieler US-Städte begann nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst schleichend durch die Verbreitung des Automobils und wurde befeuert vom billigen Öl (Hall 1998). Die prosperierende Mittelschicht zog in die Vorstädte, der Einzelhandel auf die grüne Wiese. Die Suburbanisierung entzog den Zentren Bevölkerung, Kaufkraft und Steuereinnahmen. Viele Städte gerieten in eine Abwärtsspirale aus Kriminalität, Immobilienpreisverfall und Verwahrlosung. Noch heute ist Detroit Sinnbild dieses «Donut-Effekts»: Ein ausgehöhltes urbanes Zentrum, umgeben vom «zuckrigen» Kranz der Vorstädte.
Die Renaissance der US-Städte begann Ende der 1980er Jahre. Eine entscheidende Rolle spielten dabei «CEO-Bürgermeister» wie Rudolph Giuliani in New York oder Richard Daley in Chicago, der fünfmal wiedergewählt wurde. Diese charismatischen Persönlichkeiten führten ihre Städte mit einer Mischung aus Visionen und straffer Hand. Sie sanierten die Finanzen, krempelten die Verwaltung um und investierten in die öffentliche Infrastruktur. Darüber hinaus kooperierten sie mit privaten Immobilienentwicklern zur Revitalisierung städtischer Brachen. Durch die erfolgreiche Bekämpfung der Kriminalität und beherzte Reformen des öffentlichen Schulwesens schufen sie die Voraussetzung zur Rückkehr der Mittelschicht. Sie vermarkteten ihre Erfolge offensiv und verstärkten so die Aufwärtsdynamik. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren erleben viele-US Städte eine neue Blüte – als Wohnort der «kreativen Klasse», als Zentren eines neuen urbanen Lebensstils und als Standorte innovativer Firmen.
Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «20 Jahre Schweizer Stadtpolitik».