Kürzlich wurde die Vernehmlassung zur Individualbesteuerung abgeschlossen. Diese ist gemischt ausgefallen. Das hat nicht zuletzt mit den vom Bundesrat vorgeschlagenen Umsetzungsvarianten zu tun. Obwohl die beiden Kommissionen für Wirtschaft und Arbeit Modelle auf der Grundlage einer modifizierten Individualbesteuerung (auch als Vorschlag Ecoplan bekannt) ausgearbeitet hatten, entschied sich der Bundesrat letztlich gegen die Übernahme der Empfehlungen. Stattdessen wurden Varianten ausgearbeitet, die das Ziel zu mehr Chancengleichheit aus den Augen verlieren.
Bundesrätliche Vorschläge
Konkret schlug der Bundesrat zwei Varianten für die Umsetzung der Individualbesteuerung vor. Ein erster Vorschlag in Form einer reinen Individualbesteuerung verlangt, dass alle Steuerpflichtigen zum gleichen Tarif besteuert werden. Ausserdem ist vorgesehen, dass die Kinderabzüge eines Ehepaares bei den getrennten Steuererklärungen künftig zu gleichen Teilen angerechnet werden. Die zweite Variante sieht zusätzlich vor, dass bei Ehepaaren mit keinem oder einem tiefen Zweitlohn ein Abzug beim höheren Einkommen vorgenommen werden kann.
Der Ecoplan-Vorschlag einer modifizierten Individualbesteuerung hatte im Gegensatz zu den genannten Varianten des Bunderats die finanzielle Entlastung für Familien mit Kindern vorgesehen. Spezielle Entlastungsmöglichkeiten für Ehepaare mit nur einem Einkommen wären nicht hinzugekommen.
Kritik an den Vorschlägen des Bundesrats
Selbst wenn sowohl die Variante von Ecoplan als auch jene des Bundesrats die ungeliebte Heiratsstrafe abschaffen könnten, so sind in anderen Punkten grosse Unterschiede zu erkennen. Unter Umständen entscheiden gerade diese vermeintlichen Details über den Erfolg des Systemwechsels. Das zeigt sich in dem vom Bundesrat geforderten Einheitstarif für alle Personen: Dieser würde zu einer klaren steuerlichen Bevorzugung von Verheirateten ohne Kinder führen. In erster Linie müssten aber zwingend die negativen Arbeitsanreize für Mütter abgebaut werden, um mehr Chancengleichheit im Erwerbsleben zu erreichen. Dieser Aspekt geht jedoch mit dem geplanten Einheitstarif in den Varianten des Bundesrates gänzlich unter. Die modifizierte Individualbesteuerung könnte hingegen genau diesem Anliegen durch den speziellen Tarif für Ehepaare mit Kindern Rechnung tragen.
Noch kritischer zu bewerten ist die zweite Variante des Bundesrates, die einen Abzug für Ehepaare mit ungleicher Einkommensverteilung in unser (bereits genug komplexes) Steuersystem einführen will. Dabei würde ausschliesslich die Steuerlast des besser verdienenden Ehepartners reduziert. Das grösste Potential für positive Beschäftigungseffekte bestünde aber darin, die Hürden für die Steuerbelastung des Zweiteinkommens zu senken. Denn nur auf diese Weise können die Hindernisse für ein höheres Engagement der Frauen auf dem Arbeitsmarkt abgebaut werden. Dies würde im Modell der modifizierten Individualbesteuerung entsprechend berücksichtigt werden. Da dieser Faktor aber in der bundesrätlichen Variante nicht miteinbezogen wird, ist von der Umsetzung dieses Vorschlags abzuraten.
Administrative Kosten des Systemwechsels
Wie zu erwarten war, wurden in der Vernehmlassung die administrativen Kosten, die durch den Systemwechsel aufkommen, breit kritisiert. Im direkten Vergleich zwischen den Modellen des Bundesrates und dem Modell von Ecoplan kann letzteres jedoch mehr punkten: Mit einem höheren möglichen Beschäftigungszuwachs der Zweitverdienenden um bis zu 60 000 Vollzeitstellen bei geringeren Steuerausfällen weist die modifizierte Individualbesteuerung das überzeugendste Kosten-Nutzen-Verhältnis auf. Ohne die Staatskasse zu stark zu belasten, kann das Ziel, Beschäftigungsanreize für Zweitverdienende zu schaffen, durch die Umsetzung des Ecoplan-Modells also besser erreicht werden.
Die positiven Beschäftigungseffekte für Frauen stehen im Gesetzesentwurf des Bundesrates offensichtlich im Hintergrund – und damit auch der Kampf gegen den Fachkräftemangel. Daher ist der Vorschlag einer modifizierten Individualbesteuerung zu bevorzugen, der mit einem speziellen Elterntarif sowie dem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis die Varianten des Bundes ausstechen kann. Es liegt nun am Parlament, den Gesetzentwurf so zu korrigieren, dass die angestrebten Gleichstellungsziele dennoch erreicht werden können.