Und wieder einmal fällt die Jahresrechnung des Bundes deutlich besser aus als budgetiert. 2019 betrug der Überschuss 3,1 Mrd. Fr. – budgetiert waren 1,2 Mrd. Franken. Seit 2008 türmt sich die Differenz zwischen den effektiven Rechnungen und den Voranschlägen auf die beeindruckende Summe von 32,2 Mrd. Franken! (Unterm Strich wurde im Durchschnitt in etwa eine schwarze Null budgetiert, tatsächlich resultierten aber kumulierte Überschüsse von 32,7 Mrd. Fr.).

Das kann man einerseits erfreulich nennen. Der Bund konnte so seine Schulden deutlich reduzieren. Aktuell beträgt die (Brutto-) Verschuldung gerade noch sehr niedrige 14% des BIP. Anderseits muss eingewendet werden: Ein deutlicher Schuldenabbau erfüllt das Kriterium «Generationengerechtigkeit» ebenso wenig wie ein signifikantes Schuldenwachstum. Denn ein Schuldenabbau bedeutet letztlich nichts anderes, als dass der Bund den jetzigen Steuerzahlern zu viel Geld für die Leistungen abnimmt, die sie von ihm empfangen. Noch weniger drängt sich eine derartige Schuldenreduktion angesichts des aktuellen Zinsumfelds auf: Der Bund könnte seine Schuldschreiben derzeit kostenlos ersetzen, ja mehr noch: er könnte damit sogar Geld «verdienen» – für schweizerische Bundesobligationen resultiert selbst für eine 45-jährige Laufzeit eine negative Rendite.

Ausgabentreibend

Ein weiteres Problem dieser strukturell zu konservativen Budgetierung liegt darin, dass sie höchstwahrscheinlich ausgabentreibend ist. Die Verwaltungseinheiten verlangen grosszügige Budgetkredite, um die Gefahr zu minimieren, dass das Geld nicht ausreicht und Nachtragskredite beantragt werden müssen. Wenn sich aber gegen Jahresende regelmässig abzeichnet, dass das Budget nicht ausgeschöpft wird, regt das kaum zur Sparsamkeit an. Wer in einer entsprechenden Position eines – auch privaten – Betriebs mit Budgetposten pro Abteilung arbeitet, kennt das Phänomen: Bleibt Ende des Jahres etwas übrig, werden Ausgaben deutlich freimütiger getätigt – nur schon, um zu verhindern, dass einem das Budget auf nächstes Jahr gekürzt wird, da man ja offenbar nicht so viel benötigt.

Trotz angezogener Schuldenbremse ist der Bund luxuriös unterwegs. (Agatha, Unsplash)

Es ist also wünschenswert, richtig zu budgetieren. Erstens, damit die Schuldenbremse, deren Zweck die Stabilisierung der Schulden ist, nicht in Tat und Wahrheit zu einer kontinuierlichen Reduktion führt, und zweitens, um die Sparsamkeitsanreize in der Bundesverwaltung zu stärken.

Eine Korrektur des Budgetprozesses (oder der Formel für die Schuldenbremse) weckt aber leider Begehrlichkeiten. Dass die Linke mit der Stopfung des AHV-Lochs liebäugelt, dürfte nicht überraschen: Ein noch höherer steuerfinanzierter (statt lohnabgabenfinanzierter) AHV-Anteil stösst bei ihr auf grosse Sympathie, gerade angesichts der starken Progression der Bundessteuer. Auch Sonderbeiträge gegen den Klimawandel könnten als probater Einsatzzweck zur Diskussion kommen.

Prognostizierte Überschüsse

Solchen Forderungen muss Einhalt geboten werden. Nur schon darum, weil mit einer Korrektur der bisher zu pessimistischen Budgetierung nicht im eigentlichen Sinne Geld frei wird, sondern bloss neu Überschüsse auch als solche vorhergesehen würden. Solche prognostizierten Überschüsse bedeuten letztlich nur eines: Dass der Bund für die Bewältigung der Aufgaben, zu denen er von seinen Stimmbürgern verfassungsmässig und gesetzlich verpflichtet worden ist, weniger Geld braucht als befürchtet. Die einzig logische Reaktion auf diesen Sachverhalt ist eine Senkung der Steuern. In allen anderen Fällen zieht der Bund seinen Steuerzahlern zu viel Geld für seine Aufgabenerfüllung aus der Tasche.