Grob gesagt kann man die Ökonomenzunft in zwei Gruppen teilen. In eine, die lieber dem Markt als dem Staat vertraut, und in eine andere, die es genau umgekehrt sieht. Kritische Auseinandersetzungen mit den Positionen des gegnerischen Lagers finden viel zu selten statt. Die Journalistin Karen Horn porträtiert deshalb in ihrem Buch «Verlockungen zur Unfreiheit» 99 Werke namhafter freiheitsfeindlicher und marktskeptischer Autoren, die die politische Ideengeschichte geprägt haben. Sie will damit zum «Nachdenken über die Idee der Bevormundung» anregen. Gerhard Schwarz hat einen Text über John Kenneth Galbraith beigesteuert, den wir an dieser Stelle zusammenfassen.

John Kenneth Galbraith: Gesellschaft im Überfluss

Unter Präsident Kennedy war John Kenneth Galbraith US-Botschafter in Indien. Hier bei einem Gepräch mit Jawaharlal Nehru (Bild: Wikimedia Commons)

Professor an der Harvard University; Präsident der American Economic Association; Herausgeber des Wirtschaftsmagazins Fortune; Autor von mehr als 40 Sachbüchern, einigen Romanen und über 1000 Artikeln; Berater der Präsidenten Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson, Jimmy Carter und Bill Clinton. Es ist nicht leicht, eine abschliessende Liste über John Kenneth Galbraiths Lebenswerk zu verfassen, der zu den einflussreichsten Ökonomen seiner Generation gehört.

Galbraith wurde 1908 als Sohn eines Lehrers geboren. Die Weltwirtschaftskrise, die er als junger Mann miterlebte, war das Schlüsselerlebnis, das seine Arbeit ein Leben lang prägte. Seine Kritik am Kapitalismus zieht sich durch alle Publikationen – einmal ist sie mehr, einmal weniger explizit.

Sein bekanntestes Werk «The Affluent Society» erschien 1959 auf Deutsch unter dem Titel «Gesellschaft im Überfluss». Er prangert darin die moderne Konsumgesellschaft an, die aufgrund der aus seiner Sicht im System eingebauten Neigung zur Überproduktion die Verschuldung der Konsumenten und die Inflation befeuere. Galbraith plädierte deshalb für Preis- und Lohnkontrollen und für ein umfassenderes Angebot öffentlicher Güter. Auch die Macht der Grosskonzerne war ihm ein Dorn im Auge, weshalb er sie bis zu seinem Tod im Jahr 2006 immer wieder kritisierte.

Seine grosse Staatsgläubigkeit bescherte ihm unter liberalen Ökonomen verständlicherweise wenig Lorbeeren. Man kann von Glück reden, dass sich die recht vereinfachte Weltsicht Galbraiths nicht durchsetzen konnte. Mit ein Grund war vielleicht auch seine Radikalität im Denken. Ein Vorschlag lautete z.B. einmal, die 100 grössten amerikanischen Konzerne zu verstaatlichen.

Ausgezeichnet haben Galbraith seine breite Art des Denkens, seine Begabung, das Unbehagen der Bevölkerung in seine Thesen aufzunehmen und eine verständliche Sprache. Richtigerweise waren für ihn Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur untrennbar.

«Ich glaube nicht, dass jemand, der nur Ökonom ist und soziale wie politische Gedanken ausklammert, irgendeine Bedeutung für die reale Welt hat.» Diese Aussage von Galbraith könnte auch von Friedrich August von Hayek stammen, der einmal etwas Ähnliches formulierte. Unabhängig von der ideellen Ausrichtung sollten sich Ökonomen eines immer wieder bewusst machen: Forschung ist bei einer Gesellschaftswissenschaft kein Selbstzweck.

Das Porträt über John Kenneth Galbraith wurde im Juni 2015 in «Verlockungen zur Unfreiheit» von Karen Horn bei NZZ Libro publiziert. Der vollständige Beitrag steht hier zum Download bereit: John Kenneth Galbraith: Gesellschaft im Überfluss.