Sparen macht keinen Spass. Und eigentlich wird auch mit dem geplanten Sanierungsprogramm des Staatsrates nicht wirklich gespart: Der Aufwand steigt weiter, aber weniger stark als geplant. Wie immer bei solchen Sparübungen bringen sich gut organisierte Interessensgruppen rasch in Stellung, um von Budgetkürzungen verschont zu bleiben.
Doch eine Gruppe hat keine Lobby und wird deshalb selten gehört: die breite Masse der Steuerzahlenden. Das Sanierungsprogramm sieht jedenfalls «erhebliche Einnahmenerhöhungen» vor. Eine davon ist aus demokratiepolitischer Sicht problematisch: Der Ausgleich der sogenannten kalten Progression soll ausgesetzt werden. Das bringt jährlich zusätzlich 20 Millionen Franken in die Kantonskasse. Das ist bequem für den Staatsrat – aber intransparent gegenüber den Steuerzahlenden.
Das Phänomen der kalten Progression
Den meisten dürfte bekannt sein, dass wir in der Schweiz ein progressives Steuersystem haben. Bei den Einkommenssteuern bedeutet das: Menschen mit höherem Einkommen bezahlen höhere Steuersätze. Sie zahlen also nicht nur absolut mehr Steuern, sondern auch einen höheren Anteil ihres Einkommens. Die Idee dahinter ist, dass diejenigen, die viel Geld verdienen, auch viel zum Gemeinwesen beitragen sollen.
Ein progressives Steuersystem hat ohne Korrekturen jedoch zahlreiche Nebeneffekte: Dazu gehört die kalte Progression. Wenn wegen der Inflation – also allgemeinen Preissteigerungen – auch die Löhne steigen, rutschen die Steuerzahlenden in eine höhere Steuerklasse. Sie bezahlen damit immer mehr Steuern, obwohl es ihnen gar nicht besser geht. Ein Beispiel: Wenn mein Einkommen um 2 Prozent steigt und die Teuerung ebenfalls bei 2 Prozent liegt, kann ich mir damit nicht mehr leisten. Doch wegen der Progression wird man steuerlich so behandelt, als wäre man reicher, obwohl man es real gar nicht ist.
Diverse Kantone korrigieren automatisch – Freiburg hinkt hinterher
Wenn es keine Teuerung gibt, wirkt das Phänomen der kalten Progression nicht. Doch spätestens seit den Covid-Zeiten wissen wir: Auch die Schweiz ist nicht vor Inflation gefeit. Deshalb sollte das Steuersystem regelmässig und automatisch so angepasst werden, dass die kalte Progression ausgeglichen wird. Die meisten Kantone und der Bund passen die Einkommensgrenzen der Steuertarife denn auch jährlich oder zumindest regelmässig an die Teuerung an – und zwar automatisch.
In Freiburg hingegen schreibt das Gesetz nur einen teilweisen Ausgleich vor, und er muss entweder mindestens alle drei Jahre stattfinden oder wenn die Konsumentenpreise seit der letzten Anpassung um mindestens 5 Prozent gestiegen sind. Beides ist nun erfüllt. Trotzdem schlägt der Staatsrat in seinem Sanierungsprogramm vor, den Ausgleich auszusetzen.
Eine Steuererhöhung muss transparent diskutiert werden
Sanierungsprogramme stossen immer auf Widerstand, gerade wenn sie bei den Ausgaben ansetzen. Dass der Staatsrat deshalb auch die Einnahmenseite in den Blick nimmt, ist nachvollziehbar. Doch das nun diskutierte Vorgehen ist denkbar intransparent: Die kalte Progression nicht auszugleichen ist eine Steuererhöhung durch die Hintertür.
Hält der Staatsrat eine Steuererhöhung für unausweichlich, soll er sie offen beantragen – und zugleich eine Vorlage für den künftigen automatischen Ausgleich der kalten Progression präsentieren. Damit hätte das Sanierungsprogramm zumindest langfristig einen schönen Nebeneffekt zugunsten der am schlechtesten organisierten Interessensgruppe: den Steuerzahlenden.
Dieser Beitrag ist in den «Freiburger Nachrichten» vom 10. Juni erschienen.