Travail Suisse hat mit einer Medienmitteilung den Kampf gegen die Versicherer in der beruflichen Vorsorge lanciert. Für die Gewerkschaft ist das Konzept der Vollversicherung systemwidrig. Diese geballte Wut gegen die Versicherer ist schwer verständlich.

Unternehmen auf der Suche nach beruflichen Vorsorgelösungen können frei zwischen zwei Modellen wählen: einer Vollversicherungslösung, die jederzeit die einbezahlten BVG-Beiträge zu 100% garantiert und einer Pensionskassenlösung, bei der die Versicherten zwar direkt von Kapitalgewinnen profitieren können, aber auch Kapitalverluste selber tragen müssen. Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile und werden im freien Wettbewerb am Markt angeboten. Die Unternehmen, vertreten durch ihre paritätisch besetzte Vorsorgekommission, entscheiden sich freiwillig für jenes Modell, das den Bedürfnissen ihrer Firma und ihrer Mitarbeiter am besten entspricht.

Unterschiedliche Risikofähigkeit

Gemäss FINMA sind 1,13 Mio Versicherte, grösstenteils aus dem KMU-Sektor, einer Vollversicherung angeschlossen. Für jeden dritten Mitarbeiter ist damit der Kapitalschutz zu jeder Zeit besonders viel Wert. Nicht nur die Risikoneigung der Mitarbeiter spielt bei der Lösungswahl eine wichtige Rolle, sondern auch die Risikofähigkeit des Unternehmens. Bei einer Pensionskassenlösung müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sanierungsmassnahmen im Fall einer Unterdeckung gemeinsam tragen. Laut einer Umfrage von Ernst und Young wären jedoch 70% der kleineren Unternehmen nicht in der Lage, diese zu finanzieren. Der Risikoschutz einer Vollversicherung bietet deshalb nicht nur «peace of mind», sondern kann zum finanziellen Erfolg eines Unternehmens beitragen.

Bei einer Vollversicherung wird das Vermögens- und Leistungsrisiko vom Unternehmen auf die Versicherungsgesellschaft übertragen, und dafür wird diese entschädigt. Genau daran stört sich nun Travail Suisse. Laut dem Arbeitnehmerdachverband betrugen die Kosten für diesen Risikotransfer im vergangenen Jahr 600 Mio. Fr. bzw. 530 Fr. pro Versicherten. Diese Zahl mag hoch wirken. Nach einer einfachen Schätzung entspricht diese Summe einer Eigenkapitalrendite von ca. 7% für die Versicherungsaktionäre, was in Anbetracht der eingegangen Risiken eher massvoll scheint.

Pensionskassensanierungen sind auch nicht günstig

Vielmehr blendet Travail Suisse die Kosten für Sanierungen aus, die den Pensionskassen bei schlechten Anlageergebnissen anfallen. Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik wurden allein im Jahr 2010 für die Sanierung von Pensionskassen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer 2.68 Mrd. Fr aufgewendet. Verteilt man diese Kosten auf jene Versicherten, die nicht von einer Vollversicherung profitieren, ergibt sich ein Beitrag von 1‘070 Fr. pro Kopf – doppelt so hoch wie die Kosten der kritisierten Vollversicherungslösung. Dazu müsste man noch die 35 Mrd. Fr. rechnen – oder 14‘000 Fr. pro Versicherten -, die in den kommenden Jahren für die Vollkapitalisierung von Pensionskassen in Unterdeckung fällig werden. Notabene betrifft dieser Kapitalisierungsbedarf zu 86% öffentlich-rechtliche Pensionskassen.

Sowohl Pensionskassen- als auch Vollversicherungslösungen haben ihre Daseinsberechtigung in der beruflichen Vorsorge der Schweiz. Die Modellvielfalt ist eine Stärke unserer Zweiten Säule. Der Kampf der Gewerkschaften gegen die Versicherer ist deshalb nicht nachvollziehbar. Ein Ausschluss der Versicherer aus der beruflichen Vorsorge würde nicht nur die «bösen Kräfte aus der Finanzwelt» treffen. Er würde auch diejenigen Mitarbeiter und Unternehmer im KMU-Sektor bestrafen, die sich bewusst und freiwillig für eine Lösung entschieden haben, die ihren Risikopräferenzen und -fähigkeiten am besten entspricht.