Vor 107 Tagen verordnete der Bundesrat den Lockdown per Notrecht. Im Blätterwald wurde die Arbeit der Behörden mehrheitlich positiv kommentiert. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesrat stellt in einem Zeitungsgastbeitrag mit Befriedigung fest, dass die Wirtschaft während der Pandemie «stets zu 70 bis 80 Prozent» weitergearbeitet habe.

Nur drei Tage später veröffentlicht das Staatssekretariat für Wirtschaft seine neue Konjunkturprognose. Erwartet wird für das laufende Jahr der stärkste Rückgang des BIP seit Jahrzehnten. Mittlerweile wird fast täglich von Stellenabbau berichtet. An seinen Sitzungen öffnet der Bundesrat weiterhin die mit Steuergeldern alimentierte Schatulle, um Anspruchsgruppen mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Neuerdings fordert gar der mit Milliarden subventionierte öffentliche Verkehr zusätzliche Staatsgelder für Ausfälle. All diese Ausgaben führen zu neuen Schulden.

Statt diese rasch wieder abzubauen, will das Parlament die Regeln der Schuldenbremse aufweichen. Doch auch hier gilt das Bonmot des Nobelpreisträgers Milton Friedmann: «Man kann nicht essen, ohne zu bezahlen.» Es ist Zeit, falsche Lehren aus Covid-19 zu benennen.

Falsch ist die Vorstellung, dass nur mit weiteren öffentlichen Geldern die Wirtschaft wieder in die Gänge zu bringen ist. Zu Beginn der Pandemie gehörten die Bereitstellung von Liquidität für die Realwirtschaft und die Kurzarbeitsentschädigungen zu den wirksamsten Massnahmen. Von einer Vollversicherung für jeden Betrieb ist hingegen klar abzusehen. Umfassende Staatshilfen bergen das Risiko eines ineffizienten Strukturerhalts.

Was die Wirtschaft wieder zum Laufen bringt, sind neben der Erholung des Aussenhandels unternehmerische Freiheiten, Abbau von Bürokratie und eine sich aufhellende Konsumentenstimmung. Das bedingt, dass Bund und Kantone die Einschränkungen des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens konsequent zurückfahren. Das verlangt auch, dass der ungehinderte Zugang zu ausländischen Märkten rasch wiederhergestellt wird; die Schweizer Wirtschaft verdient ihr Geld primär mit dem Ausland. Eine Re-Nationalisierung der Wirtschaftstätigkeit führt in die ökonomische Sackgasse.

Abgesperrtes Seeufer in Zürich während dem Lockdown. (sru.)

Die zweite Fehlannahme war der behördliche Glaube, dass allein die staatlichen Verantwortlichen wissen, was für die Gesundheit das Beste ist. Stadtpärke wurden geschlossen, Restaurants mussten Zwischenwände installieren, die dann auf Höhe und Breite nachgemessen wurden. Diese Kontrollmentalität blendet aus, dass die Unternehmen vitales Interesse daran haben, die Gesundheit von Mitarbeitenden und Kunden zu schützen. Darum ist in den weiteren Phasen der Pandemiebewältigung wieder mehr Eigenverantwortung zu gewähren – gegenüber der Bevölkerung und dem Unternehmertum. Trotz lokalen Risikoherden infolge grobfahrlässigen «Superspreadern» sollte das liberale Primat der individuellen Eigenverantwortung anstelle der staatlichen Verbotspolitik gelten.

Mehr Vertrauen ist auch gegenüber dem Souverän angebracht. Die Suspendierung des Urnengangs vom 17. Mai 2020 bleibt fragwürdig. Wenn Bundesrat und Bundeskanzlei die Verschiebung damit begründeten, dass eine umfassende Meinungsbildung in Zeiten von Versammlungsverboten nicht möglich und damit die Information der Stimmbürger nicht gewährleistet sei, blenden sie die Tatsache aus, dass die Schweizer Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert wahrscheinlich noch nie besser informiert war als heute. Wir alle befolgen fleissig die Hygienevorschriften des Bundes, halten damit die Verbreitung des Corona-Virus niedrig, und die Zugriffsraten auf die Websites der Zeitungen sind rekordverdächtig. Ob sich die Verschiebung der Volksabstimmung zur Abschaffung der Personenfreizügigkeit auf den nächsten Abstimmungstermin als Eigengoal herausstellt, wird sich am 27. September weisen.

Vertrauen ist deshalb gefragt: Das richtige Signal seitens des Bundesrats dafür wäre, die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz aufzuheben und zu einer neuen, eigenverantwortlichen Normalität zurückzukehren.

Dieser Beitrag ist am 1. Juli 2020 in den CH-Media erschienen.