Das Klima ist global – ob ich eine Tonne CO2 in Bern oder Buenos Aires ausstosse, ist für die Klimawirkung gleichbedeutend. Internationale Ansätze zur Reduktion der Klimagase scheitern deshalb oft an der Trittbrettfahrerproblematik: Staaten, die nichts zum Klimaschutz beitragen und folglich keine zusätzlichen Kosten auf sich nehmen, profitieren dennoch von den Anstrengungen anderer. Zusätzlich erschwerend gibt es keine griffigen Sanktionsmöglichkeiten für Länder, die sich verweigern.

Durch den von Nobelpreisträger William D. Nordhaus entwickelten Club-Ansatz lässt sich das Problem allerdings lösen – bislang zumindest in der Theorie. Seine Idee: Um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren und gleichzeitig eine Sanktionsmöglichkeit gegen nicht-kooperative Profiteure zu haben, gründen mehrere Länder zusammen einen Klimaclub. Er besteht aus einer Art «Koalition der Willigen» im Einsatz gegen den Klimawandel. Die Mitglieder verpflichten sich zur Einführung eines Mindestpreises für den Ausstoss von Treibhausgasen. Der Unterschied zu anderen Mechanismen besteht in einem wesentlichen Schlüsselelement: Nichtmitglieder werden durch den Club bestraft.

Gefährliche Verpolitisierung des Klimaclubs…

Jüngste Bestrebungen in eine ähnliche Richtung hat die EU-Kommission vorgestellt. Sie strebt einen «Grenzausgleichsmechanismus» – eine Art Strafzoll – an. An der Grenze sollen Treibhausgase eines jeden Importgutes berechnet und verzollt werden. Dieser Mechanismus hat jedoch Potential, ein gewaltiges Bürokratiemonster zu erschaffen. Ferner weist diese Ausgestaltung des Strafzolls Züge einer plumpen Industriepolitik auf. Eigene Unternehmen sollen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden, um die Nachteile der Klimamassnahmen auszugleichen. Ebenso soll die Abwanderung («leakage») von Unternehmen und deren Treibhausgasausstössen verhindert werden. Das Bürokratiemonster erhält so einen Schwachpunkt: ein Einfallstor für Protektionismus. Dadurch wird der eigentliche Klimaschutz zu einem Nebenschauplatz. Interessens- und Industriepolitik würden das Vehikel des Leviathans «Grenzausgleichmechanismus» dominieren.

Einen Schritt hin zu einem Klimaclub haben auch die G7-Staaten an ihrem Gipfel in Schloss Elmau im Juni 2022 gemacht: Die G7 will einen Vorschlag von Bundeskanzler Scholz für einen Klimaclub umsetzen. «Wir werden mit Partnern daran arbeiten, im Einklang mit internationalen Regeln bis Ende 2022 einen offenen und kooperativen internationalen Klimaclub ins Leben zu rufen», heisst es in der G7-Erklärung. Das veröffentlichte Dokument ist jedoch vorerst noch äusserst vage, lässt aber auf eine ähnliche Stossrichtung schliessen, wie sie die EU einschlägt.

…dabei wäre der Ansatz einfach und wirkungsvoll

Avenir Suisse hat den Ansatz in der Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik» bereits 2021 als effizientes Mittel vorgestellt. Der Strafzoll des idealtypischen Klimaclubs käme ohne komplizierten Berechnungsschlüssel aus. Denn es geht bei diesem primär gar nicht um den Treibhausgasausstoss. Was der Strafzoll sanktioniert, ist die Nicht-Mitgliedschaft im Staatenclub der Klimaschützer. Ausdrücklich kein Ziel ist, Klima-Kostenwahrheit zwischen Club- und Nicht-Mitgliedern herzustellen. Der Strafzoll soll einzig ein Anreiz zur Club-Mitgliedschaft sein. Nicht-Mitglieder haben keine andere Möglichkeit, die Sanktion zu umgehen, als selbst Teil des Clubs zu werden. Trittbrettfahren erhält somit ein Preisschild.

Je wirtschaftlich vernetzter ein Land (gemessen am BIP-Anteil der Exporte) und/oder je geringer die Kosten der Umstellung auf eine klimaverträglichere Wirtschaft desto attraktiver ist eine Teilnahme am Klimaclub, um den Strafzoll nicht tragen zu müssen.

Die linke Säule zeigt die zusätzlichen sozialen Kosten im Sinne von Externalitäten, die aufgrund des höheren CO2-Ausstosses anfallen würden, wenn ein Land nicht am Klimaclub teilnimmt. Berechnungsgrundlage sind 25$ pro Tonne CO2. Die mittlere Säule zeigt den extremen Fall des Nutzens einer Mitgliedschaft im Klimaclub, wenn dieser nur aus dem betreffenden Land bestehen würde. Mit jedem zusätzlichen Teilnehmer steigt der Nutzen für alle Teilnehmer, weil sich aufgrund der Klimamassnahmen die sozialen Kosten (und damit der Externalitäten) des Klimawandels verringern. Die rechte Säule zeigt schliesslich den Wohlfahrtsverlust des betreffenden Landes (aufgrund des zu zahlenden Strafzolls, berechnet mit 2%), falls – im extremen Fall – alle anderen Länder im Klimaclub sind. Interessanterweise haben alle drei Säulen die «richtigen» Vorzeichen, d.h. ein Klimaclub würde Vorteile schaffen: Für die dargestellten Länder wären die Externalitäten um die entsprechende Säule geringer, der Nutzen der Mitgliedschaft bzw. die Kosten der Nicht-Mitgliedschaft positiv.

Lob der Einfachheit

Berechnungen zur Höhe des Strafzolls zeigen, dass ein Zuschlag von zwei Prozent auf den Importen bereits genügen, um für das Gros der Staaten einen Anreiz zum Beitritt zu bieten. Der Club erreicht damit rasch eine «kritische Masse», ab derer er zum Selbstläufer wird. Denn je mehr Mitglieder der Club umfasst, desto grösser ist das betroffene Handelsvolumen und damit der Anreiz zum Beitritt.

Die Schweiz, als wirtschaftlich stark verflochtenes Land und mit bereits bestehenden Ansätzen zur Bepreisung von Treibhausgasen, hätte einen starken Anreiz, Mitglied eines Klimaclubs zu sein. Doch die Regeln dafür werden aller Voraussicht nach die EU und die G7 ohne Einbezug Berns definieren. Es absehbar, dass das Instrument des Klimaclubs im politischen Prozess der praktischen Umsetzung mit verschiedensten Interessen konfrontiert sein wird und Ausnahmen gewährt werden. Dies schmälert Effektivität und Effizienz der Klimapolitik, was politisch wiederum die Begründung liefern wird, die Massnahme punktuell weiter anzupassen.

Weniger wäre mehr – die EU und die G7 täten gut daran, das von Nordhaus erarbeitete Konzept möglichst unverfälscht umzusetzen. Die Folge wäre nicht nur weniger Bürokratie, sondern auch ein wirkungsvollerer Schutz des globalen Klimas.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».

Vergessene Reformen – Reformen zum Vergessen

In unserer diesjährigen Sommerserie erinnern wir an überfällige Reformen, die im politischen Prozess hängengeblieben sind: vergessene Reformen. Wir zeigen auf, wo und warum Avenir Suisse Erneuerungsbedarf ermittelt hat. Anderseits schwirren in der öffentlichen Diskussion auch immer wieder Vorschläge herum, die bisher zurecht nicht umgesetzt wurden. Wir erklären, weshalb es sich dabei um Ideen handelt, die möglichst schnell zu vergessen sind.