Der inzwischen ehemalige Finanzminister Ueli Maurer bezeichnete es als «mission impossible» aufgrund der erwarteten administrativen Aufwände beim Vollzug: die Senkung der Wertfreigrenze, d.h. den Höchstbetrag, bis zu dem Waren aus dem Ausland mehrwertsteuerfrei in die Schweiz eingeführt werden dürfen. Aktuell liegt er bei 300 Franken pro Person und Tag. Die Reihe «Mission Impossible» brachte es bisher auf sieben Filme, mindestens so viele Male versuchten in den letzten Jahren Exponenten des inländischen Gewerbes für eine markante Senkung der Wertfreigrenze zu lobbyieren. Zwei Grenzkantone fordern gar eine vollständige Streichung der Wertfreigrenze. Nun könnten sie zumindest teilweise Erfolg haben. Denn der Bundesrat plant eine Halbierung des Betrags. In Zukunft könnten also nur noch Waren im Wert von 150 Franken ohne Schweizer Mehrwertsteuerabgabe eingeführt werden.

Vordergründlich verständlich

Die Forderung des Gewerbes, insbesondere in Nähe der Grenze, ist vordergründig verständlich. Denn Schweizer Einkaufstouristen können ihre Waren innerhalb der Wertfreigrenze nicht nur abgabefrei einführen, sondern erhalten bei einem neuerlichen Einkauf ennet der Grenze die ausländische Mehrwertsteuer zurück. Voraussetzung ist die Vorlage der abgestempelten Ausfuhrbescheinigung des ausländischen Zolls. In Deutschland beträgt der Regelsteuersatz 19%, in Österreich und Frankreich 20%, in Italien gar 22%. Eine Rückforderung ist also lohnend. Einkaufstouristen profitieren damit von einem zusätzlichen Rabatt durch die legale Vermeidung der Mehrwertsteuer dies- und jenseits der Grenze.

Einkaufstouristen.

Dem Einkaufstourismus wird in der Schweiz der Kampf angesagt. (Adobe Stock)

Doch die Sache hat bereits heute einen Haken: Denn die Nachbarstaaten führten sogenannte Bagatellgrenzen ein, d.h. Mindestbeträge pro Kassenbon, die für eine Rückforderung der lokalen Mehrwertsteuer erforderlich sind. In Deutschland sind dies 50 Euro, in Österreich 75, in Italien 155 und in Frankreich 175 Euro. Ein Einkauf ennet der Grenze in Genf ist also erst dann besonderes lohnend, wenn mehr als 175 Euro, aber weniger als 300 Franken ausgegeben werden.

Senkt nun die Schweiz die Zollfreigrenze von 300 auf 150 Franken, bezahlt man die Mehrwertsteuer unter Umständen doppelt: Für Einkäufe in Frankreich zwischen 150 Franken und 175 Euro. Zugegeben, dies ist ein Spezialfall und dürfte den Gesetzgeber kaum interessieren. Denn wichtiger ist das Signal an die Einkaufstouristen: Ihr Verhalten ist unerwünscht, sie sollen gefälligst im Inland einkaufen – getreu dem Motto des Interessenverbands der Detailhändler: «Shopp Schwiiz – Hier lebe ich, hier kaufe ich.» Die Ausgaben der Einkaufstouristen von rund 8 Milliarden Franken im Ausland schmerzen.

Markt öffnen statt abschotten

Statt den Schweizer Markt durch die Senkung der Wertfreigrenze weiter abzuschotten, sollte er zum Vorteil der Konsumenten geöffnet werden. Dazu gehört die Abschaffung des Grenzschutzes für Agrargüter, einem der Haupttreiber für das hohe Preisniveau in der Schweiz. Gemäss den Preisniveauindizes des Bundesamtes für Statistik beträgt der Schweizer Aufpreis für Fleisch gegenüber dem EU-Durchschnitt 139%, Milchprodukte und Eier kosten 54% mehr, und Obst und Gemüse sind immerhin noch ein Drittel teurer. Um den Einkaufstouristen die ausländischen Produkte madig zu machen, gelten bereits heute – neben den Mehrwertsteuervorschriften – eng definierte Freimengen für Lebensmittel. Wer über ein Kilo Fleisch importiert, bezahlt für die Mehrmenge 17 Franken pro Kilogramm. Ähnliches gilt für Milchprodukte. Immerhin dürfte das Fleisch von Kängurus zollfrei eingeführt werden, doch bislang hält sich deren Population in unseren Nachbarländern in engen Grenzen.

Dass hohe inländische Preise nicht einfach gegeben sind – oft werden die Lohn- und Mietkosten für den Handel als Begründung ins Feld geführt – belegt die Produktgruppe Elektronikgeräte. Ihr Preisniveau liegt in der Schweiz 5% unter dem EU-Durchschnitt. Ein Grund könnte sein, dass der Wettbewerb intensiver ist als bei den Gütern des täglichen Bedarfs: Je nach Schätzung decken allein die beiden Grossverteiler 70 bis 80% des inländischen Marktes ab.

Da es politisch unmöglich scheint, den Agrarschutz aufzuheben oder die Struktur des Lebensmittelhandels wettbewerbsintensiver zu gestalten, bleibt der Einkaufstourismus: Als Druckmittel für die Branche und die Politik, bei den inländischen Preisen nicht zu übertreiben. Die Menschenmassen, die aus dem Basler 8er-Tram strömen, um im deutschen Shoppingcenter einzukaufen, erweisen insofern allen Konsumenten in der Schweiz einen Dienst.