Von Konsumentenschutz sind heute alle möglichen und unmöglichen Lebensbereiche betroffen – bei weitem nicht nur die Gesundheit und die Produktesicherheit, wo man dies vielleicht noch erwarten würde. Längst hat sich die Politik öffentlichkeitswirksam des «Wohls der Konsumenten» bemächtigt: Knapp 60 Gesetzesänderungen wurden in der Vergangenheit in der Schweiz pro Jahr im Namen der Konsumenten vorgenommen. Natürlich sagt die nackte Zahl der Gesetzesänderungen nichts über die Qualität, die Notwendigkeit oder den Nutzen einzelner Regulierungen aus. Ob jedoch jede dieser – sicherlich in guter Absicht erlassenen – Regulierung tatsächlich nötig war, und vor allem ihr Ziel erreichte, ist mehr als fraglich. Ein gutes Beispiel für eine weitgehend wirkungslose und deshalb überflüssige Regulierung ist etwa die im Herbst 2015 beschlossene Revision des Konsumkreditgesetzes.

Kaum Schutz vor impulsiven Kaufentscheidungen

Diese enthielt zwei Massnahmen. Erstens wurde – mit dem Ziel der Schuldenprävention – der Maximalzinssatz für Konsumkredite von 15 auf 10% gesenkt. Zweitens wurde die Widerrufsfrist von 7 auf 14 Tage erhöht: Kreditnehmer haben neu eine Woche mehr Zeit, um einen bereits unterschriebenen Vertrag schriftlich zu widerrufen. Mit dieser Massnahme sollen die Konsumenten besser vor impulsiven Kaufentscheidungen und somit vor Überschuldung bewahrt werden. – So weit so gut. Aber konnten die Konsumenten mit diesen Massnahmen effektiv besser geschützt werden? Vieles deutet darauf hin, dass dies nicht der Fall ist.

Die vordergründige Logik der Senkung des Maximalzinssatzes bestand darin, das Angebot für Kreditnehmer mit schlechter Bonität einzuschränken. Zudem sollten diejenigen Kreditnehmer, die weiterhin bedient werden, von tieferen Zinsen profitieren, womit sich Ausfallsrisiko und Verschuldungsgefahr verringert. Was sich nun seit Ende 2015 beobachten lässt, ist das folgende: Die Anzahl der vergebenen Konsumkredite ist effektiv etwas zurückgegangen. Gleichzeitig ist jedoch die Kreditsumme insgesamt – es handelte sich gemäss der Zentralstelle für Kreditinformationen (ZEK) 2017 um rund 3,8 Mrd. Fr. – über die Zeit mehr oder weniger konstant geblieben. Dies bedeutet, dass die vergebenen Konsumkredite betragsmässig im Zeitablauf gestiegen sind.

Regulierungen schützen nur bedingt vor der problematischen Erfüllung von Konsumträumen. (Wikimedia Commons)

Dies könnte als Anzeichen gewertet werden, dass weniger kleine, kurzfristige Kredite an Haushalte mit schlechter Bonität vergeben wurden. Selbst wenn dem so wäre, heisst das jedoch noch lange nicht, dass diese Haushalte tatsächlich auf einen Konsumkredit verzichtet haben. Genauso gut möglich ist, dass sie einfach auf informelle, oftmals sehr teure Kreditquellen ausgewichen sind. Letzteres hätte die Überschuldungsgefahr der gefährdetsten Haushalte nicht gesenkt, sondern erhöht. Eine viel plausiblere Erklärung für die Zunahme des durchschnittlichen Konsumkredits ist aber letztlich eine andere: Die Kosten der Kreditvergabe sind für die Finanzinstitute grösstenteils fix. Wenn nun der Maximalzinssatz sinkt und die Banken keine Fixgebühren für die Kreditvergabe verlangen dürfen, resultieren schlicht Anreize, höhere Kredite mit längerer Laufzeit zu vergeben, um die Einnahmeausfälle aus der regulatorisch verordneten Zinssenkung zu kompensieren.

Genau dies lässt sich beobachten: Nicht nur die Höhe des Durchschnittskredits ist gestiegen, sondern auch dessen Laufzeit hat signifikant zugenommen. Sie liegt heute bei 53 Monaten, also beinahe viereinhalb Jahren. Das bedeutet konkret, dass die Kreditnehmer heute zwar allenfalls tiefere, dafür aber länger Zinszahlungen zu leisten haben. Somit ist höchst fraglich, ob die Kreditnehmer heute tatsächlich von besseren Konditionen profitieren. Zudem, gerade aus Perspektive der Schuldenprävention ist dies keine wünschenswerte Entwicklung, denn je länger der Zeithorizont von Krediten, umso weniger lässt sich die künftige finanzielle Situation eines Haushalts voraussehen bzw. einschätzen. Wer weiss schon, ob er in fünf oder zehn Jahren nicht plötzlich ohne Arbeit auf der Strasse steht?

Mehr Probleme schaffen als lösen

Bleibt abzuklären, ob wenigstens die zweite Massnahme – die Erhöhung der Widerrufsfrist von 7 auf 14 Tage – den gewollten Präventionseffekt erzielt hat. Auch hier ist die Antwort negativ: So zeigt eine Studie der Universität St. Gallen, dass die Widerrufsfrist im Schweizer Konsumkreditmarkt generell kaum genutzt wird. Bei knapp 0,5% der abgeschlossenen Kreditverträge kam es zu einem Widerruf, und eine Wirkung der verlängerten Widerrufsfrist auf das Kundenverhalten lässt sich nicht feststellen. Weder die Häufigkeit der Widerrufe bereits abgeschlossener Verträge, noch die Häufigkeit der Verzichte auf einen Vertragsabschluss (Nichtannahme der Vertragsofferte) wurden von der Änderung beeinflusst.

Die Revision des Konsumkreditgesetzes kann als ein Paradebeispiel fragwürdiger Regulierung bezeichnet werden: im besten Fall nutzlos, im schlechtesten Fall gesellschaftlich schädlich. Allgemein gehen Regulierungen oft mit der Gefahr einher, dass mehr Probleme geschaffen als gelöst werden. Letztlich ist es mit dem Verhalten der regulierten Akteure – inklusive derjenigen, denen die Politik Schutz angedeihen lassen will – ähnlich wie mit dem Wasser: Staut man es an einer Stelle, sucht es sich einfach einen anderen Weg. Und trotzdem scheint der Glaube an die Lösung von gesellschaftlichen und ökonomischen Problemen mittels Regulierung in weiten Kreisen der Politik und der Administration ungebrochen. Wünschenswert wäre auch in diesem Bereich eine Rückbesinnung auf die Maxime «Weniger ist mehr».

Dieser Text ist am 21. 7. 2018 in der «Finanz und Wirtschaft» erschienen.