Die weltweite Klimapolitik befindet sich auf einem fatalen Irrweg – auch weil sie lange nur bei links-grünen Exponenten oben auf der Agenda stand. Diese sehen den Klimawandel gerne als Ergebnis kapitalistischer Strukturen und propagieren darum als Lösung Bescheidenheit und Verzicht.

Angetrieben durch dieses Narrativ wird der Fokus beim Klimaschutz stark auf den Konsum beziehungsweise den Verbrauch fossiler Energieträger gelegt – also auf die Nachfrageseite. Das beginnt mit dem Pariser Klimaabkommen, in dessen Rahmen mittlerweile die meisten grossen Staaten Netto-null-Ziele für ihre Treibhausgasemissionen kommuniziert haben. Und es endet bei kommunalen Bürger-Panels, wo eifrig diskutiert wird, wie man sein Konsummuster verändern und den persönlichen CO2-Fussabdruck verkleinern kann.

Was vergessen geht, ist die Angebotsseite. Länder mit Erdöl-, Erdgas- oder Kohlevorkommen werden diese fördern, solange der Marktpreis die Förderkosten übersteigt. Da letztere meist gering sind, waren in der Vergangenheit keine Auswirkungen des Preises auf die Fördermengen sichtbar. Das Angebot fossiler Energieträger ist äusserst preisunelastisch – es wird also kaum beeinflusst von unseren Konsummustern.

Die Fördermengen von fossilen Energieträgern werden bis mindestens 2040 nicht etwa abnehmen, geschweige denn auf null sinken. (Grant Durr, Unsplash)

Und tatsächlich: Während vielerorts verbissen darüber gestritten wird, ob netto-null erst bis 2050 oder schon bis 2040 zu erreichen sei, werden die Fördermengen von fossilen Energieträgern laut den Plänen von Ländern mit entsprechenden Vorkommen bis mindestens 2040 nicht etwa abnehmen, geschweige denn auf null sinken – sondern weiter steigen! So planen die zwei grössten Erdölproduzenten, die USA und Saudiarabien, die tägliche Förderquote in den nächsten zehn Jahren von 17 auf 20 beziehungsweise von 12 auf 15 Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen. Und die beiden wichtigsten Erdgasproduzenten, die USA und Russland, planen bis 2040 einen Ausbau der Fördermenge von 950 auf 1130 beziehungsweise von 750 auf 850 bis 1000 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Sogar bei der Kohle – dem Energieträger mit der schlechtesten CO2-Bilanz – zeichnet sich bis 2040 weltweit bloss ein leichter Förderrückgang ab.

Das Problem dabei ist offensichtlich: Was gefördert wird, wird auch verbraucht werden. Sinkt die Nachfrage von ökologischen Ländern mit restriktiven Klimaschutzmassnahmen, wird der Preis der verfügbaren fossilen Energieträger derart sinken, dass der gesamte Angebotsüberschuss von eher nicht so grünen Ländern nachgefragt wird. Die Anstrengungen grüner Länder entfalten so keine Klimawirksamkeit, sie fungieren einzig als Ölpreis-Subvention für die nicht-grünen Länder. Eine Klimapolitik, die diesen Sachverhalt nicht adressiert, ist schlicht wirkungslos. Es bestehen drei Möglichkeiten, dieser Angebotsfalle zu entkommen.

  1. Die direkteste Antwort wäre es, Länder mit fossilen Energievorkommen davon zu überzeugen, diese im Boden zu lassen. Am ehesten wäre das über eine Entschädigung möglich. Finanziell we das tragbar, realpolitisch läge das jedoch im Bereich der Utopie. Zum einen müssten diese Deals – mit politisch oft unstabilen Ländern – Jahrzehnte lang Bestand haben und von beiden Seiten eingehalten werden, zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass sich die Weltgemeinschaft einigen könnte, etwa Saudiarabien jährlich über 100 Milliarden Dollar fürs Nichtstun zu überweisen.
  2. Die Produktion fossiler Energieträger würde versiegen oder zumindest stark gedrosselt, wenn ein Marktumfeld erreicht ist, in dem die Produzenten auf absehbare Zeit auch jene fossilen Rohstoffe mit tiefen Förderkosten nicht mehr gewinnbringend an den Markt bringen können. Das wird erst der Fall sein, wenn alternative Energieträger den Fossilen nicht nur im Preis, sondern auch in der Handhabung schlicht überlegen sind. Letztere würde damit obsolet – und entsprechend ungenutzt bleiben. Der Weg dahin führt über Innovationen, nicht über die Anpassung von Konsummustern.
  3. Da Punkt 2 kaum früh genug erreicht wird, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, sind technologische Methoden zur Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre konsequent voranzutreiben. Diese existieren schon heute, haben ihre Marktreife aber noch nicht erreicht, da sie derzeit noch zu teuer sind. Würde in solche Methoden nur ansatzweise so viel Geld investiert wie für andere Klimaschutzmassnahmen, so könnten sie vermutlich schon sehr bald erheblich zur Eindämmung des Klimawandels beitragen.

Allen drei Ansätzen geht natürlich die «Jeder-kann-dabei-helfen-die-Erde-zu-retten»-Romantik von Konsumappellen ab. Aber sie sind die einzigen Wege, von denen man sich im Kampf gegen den Klimawandel eine Wirkung erhoffen kann.

Dieser Artikel ist in der «NZZ am Sonntag» vom 9. Januar 2022 erschienen.