Die Vorhersagen über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz (KI) auf die Beschäftigung schwanken zwischen unbegrenztem Optimismus und der Furcht vor einem plötzlichen Ersatz menschlicher Arbeit. Wie kann man sich an solch widersprüchlichen Positionen orientieren? Ein Blick in die Vergangenheit, vielleicht durch ein wenig Ökonomie geschärft, verspricht Abhilfe – schliesslich ist es nicht das erste Mal, dass Technologie unsere Gewohnheiten durcheinanderbringt.

Sehr aufschlussreich ist ein Besuch der Website über die Geschichte der PTT, auf der ehemalige Angestellte über herausragende Episoden ihres Berufslebens berichten. Besonders interessant sind die Erinnerungen der Telefonistinnen – damals ein typisch weiblicher Beruf –, da sie viel über die Verbreitung neuer Technologien aussagen.

Telefonistinnen bei der Arbeit |ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Obwohl die Technik schon lange weiter war, standen Telefonistinnen in der Schweiz noch mehr als ein halbes Jahrhundert im Einsatz. (ETH-Bildarchiv Commons)

Obwohl die Schweiz bei der Automatisierung des Telefonnetzes an vorderster Front stand, wurde die letzte manuelle Telefonzentrale (im bündnerischen Scuol) erst 1959 geschlossen. Das Wörtchen «erst» ist durchaus angebracht, denn die Selbstwahl (die automatische Verbindung von Benutzer zu Benutzer) ist eine Technologie, die damals schon seit mehr als sechzig Jahre zur Verfügung stand. Bereits im Jahr 1892 war in den USA die weltweit erste automatische Telefonzentrale in Betrieb genommen worden. Um 1900 gab es schon Telefongesellschaften, die gänzlich auf die manuelle Telefonvermittlung verzichteten.

Die lange Karriere der Schweizer Telefonistinnen ist nicht primär auf technische Gründe zurückzuführen. Es waren praktische Gründe, die die PTT und viele andere Telefonanbieter auf der ganzen Welt dazu veranlassten, die Einführung der Selbstwahl zu verzögern; Gründe, die auch mit der Qualität der angebotenen Dienste zusammenhingen. Wie sich die PTT-Rentnerinnen erinnern, war es damals üblich, die Telefonzentrale anzurufen, um die Verbindung zu einer Person anzufordern, deren Nummer man nicht hatte. Die Telefonistinnen überprüften ferner die Qualität der Verbindung, und, wenn die angerufene Person nicht antwortete, kam es vor, dass sie Nachrichten zur späteren Übermittlung entgegennahmen. Ähnliche Dienste werden heute von Siri oder anderen digitalen Assistenten angeboten.

Sollte also die künstliche Intelligenz eines Tages wirklich intelligent werden, ist es keineswegs sicher, dass mit ihr auch die Berufe, die sie theoretisch überflüssig macht, verschwinden werden. Letztlich gaben die steigenden Löhne der Frauen und die stark wachsende Nachfrage nach Telefondienstleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg die entscheidenden Impulse für die Automatisierung des Telefonnetzes. Von diesem Moment an mussten die Benutzer selbst lernen, wie man eine Nummer wählt.