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Die neueren Daten zur Entwicklung der Regulierungsdichte sprechen eine deutliche Sprache: Die Schweiz hat sich nicht nur absolut verschlechtert, sondern auch im internationalen Vergleich. Zu diesem Resultat kommt man unabhängig von der gewählten Methode oder von der verwendeten Datenbasis. Für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft ist das gefährlicher als es vielleicht im ersten Moment scheint. Effiziente Regulierung und, damit verbunden, ein geringer bürokratischer Aufwand zählen zu den wichtigsten Grundlagen für hohe Produktivität, Wachstum und Innovation.

Hinzu kommt, dass eine zu hohe Regulierungsdichte das Vertrauen in Verwaltung und Regierung untergräbt und einen Nährboden für Schattenwirtschaft und Korruption schafft. Der bekannte Harvard-Professor Niall Ferguson sieht in der Regulierungswut den Niedergang der Zivilgesellschaft und spricht deshalb von der zunehmenden Herrschaft der Anwälte.

Besonders stark zugenommen haben in den letzten Jahren die Regulierungen des Finanzmarkts. Dies ist primär auf die ab 2008 einsetzende Finanzkrise zurückzuführen. Konsolidierte Zahlen zu den Regulierungstexten sind zwar nicht vorhanden, aber es gibt andere Indikatoren, welche klare Indizien liefern. Beispielsweise zeugen allein bei der FINMA die um 44% gestiegenen Mitarbeiterzahlen (seit 2009), die um 64% gewachsenen Gebühreneinnahmen (von 2009 bis 2012) und die um 25% höheren Aufsichtsabgaben (von 2009 bis 2012) vom Tempo, mit dem die Finanzmarktregulierung ausgebaut wurde. Resultat sind unter anderem 61 «Rundschreiben» (Merkblätter der FINMA), die insgesamt auf ca. 1000 Seiten kommen (FINMA 2008-2014).

Damit sind wir aber bei weitem nicht am Ende! Die Bundesverwaltung hat unter dem irreführenden Namen «Neue Architektur» für den Finanzplatz Schweiz ein legislatives Grossprojekt angestossen. Nebst dem heute geltenden Finanzmarktaufsichtsgesetz (Finmag) sollen drei weitere Gesetzesmonster erlassen werden, weshalb die verniedlichende Formulierung der «Kleeblattreform» in keiner Weise gerechtfertigt ist. Neu dazu kommen sollen das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg), das Finanzinfrastrukturgesetz (Finfrag) und das Finanzinstitutsgesetz (Finig).

Avenir Suisse schlägt zur Überprüfung neuer Gesetzesvorhaben einen «Quality Check» vor. Bereits beim ersten Kriterium, nämlich der Frage nach den konkreten Zielen der Gesetzesvorhaben, gibt es ernsthafte Fragen, die bei diesen Gesetzesvorhaben nicht geklärt sind. Macht das vorgeschlagene Regulierungsvorhaben als Ganzes überhaupt Sinn? Welche konkreten Ziele werden verfolgt, welche Marktineffizienzen sollen behoben werden?

Aber auch die zentralen Fragen der Effektivität und der Effizienz der neuen Regulierungen bleiben unbeantwortet. Namhafte Wissenschaftler, wie Prof. Hellwig oder Prof. Fama bezweifeln die von der Regulatoren – auch von der FINMA – gewählten Ansätze mit guten Argumenten. Gleichzeitig steigt der administrative Aufwand der Banken und Versicherungen exponentiell. Keine Sparte wächst bei den Banken so stark wie Compliance, im Gegenzug dazu schrumpfen die echten Bankgeschäfte.

Ohne fundierte Abklärungen sollte der Finanzbereich in der Schweiz nicht mit weiteren Regulierungen eingedeckt werden. Abzuwarten wären vor allem der Bericht und die Empfehlungen der Brunetti-Kommission. Sie wurde genau dazu eingesetzt, um den Weg zu einem zukunftsorientierten Finanzplatz aufzeigen. Deshalb: Marschhalt bei weiteren Regulierungen, bevor wir wissen wohin die Reise geht!

Dieser Artikel erschien in der Kolumne der «Finanzmesse» vom 3. Oktober 2014.