Die Digitalisierung und das Internet haben die bisher separierten Medien Print, Radio und TV näher aneinander rücken lassen. Die Online-Angebote von Tageszeitungen werden mit Bildstrecken, Audio- und Videomaterial angereichert, um in der «Gratiskultur» des Internets eine minimale Zahlungsbereitschaft zu wecken. Ähnliches gilt für Radio- und TV-Anbieter, die ihre Audio- und Videoinhalte online stellen und um Texte, Bilder und Blogs ergänzen.

Public Content Provider

Das aktuelle Medienförderungsregime kann diesen Entwicklungen nicht gerecht werden. Im Gegenteil behindern die technologiespezifischen Subventionen für Presse und Rundfunk den Strukturwandel und verzerren den Markt immer stärker. Das gilt besonders für die (anhaltend wachsende) Gebührenfinanzierung der SRG, die in einer konvergenten Medienwelt immer mehr zum direkten Wettbewerber der privaten Anbieter wird. Die exklusiven audiovisuellen Inhalte verschaffen ihr online wichtiges Differenzierungspotenzial, und damit einen erheblichen Vorteil gegenüber den Privaten.

In ihrer neuen Studie hat Avenir Suisse eine Reformagenda für die Medienförderung in der Schweiz skizziert. Kurzfristig sind Massnahmen gegen eine übermässige Expansion der SRG sinnvoll. Längerfristig aber braucht es grundlegende Reformen am SRG-Modell. Die Studie schlägt die Überführung der SRG in einen «Public Content Provider» vor. Als reiner Inhaltsproduzent würde die SRG ihren medialen Content (Text, Audio, Video) nicht mehr über eigene Kanäle und Plattformen verbreiten. Der Public Content Provider agiert dabei ähnlich wie eine Nachrichtenagentur. Allerdings hätte er weiterhin einen Programmauftrag, der ihn dazu verpflichtet, vielfältige mediale Inhalte in allen vier Landessprachen zu produzieren. Auch können sich die Governance und Trägerschaft des Public Content Provider an den bestehenden Strukturen der SRG anlehnen.

Nur noch Gebührenfinanzierung

Da der Public Content Provider keine eigene Vertriebsplattform mit Endkundenkontakt verfügt, kann er weder Nutzer- noch Werbeerträge generieren. Auch stellt er die Beiträge den Abnehmern nicht in Rechnung. Diese können die Inhalte auf einer Business-to-Business-Plattform gratis beziehen. Finanziert wird der nicht-gewinnorientierte Public Content Provider einzig durch Gebühren. Das Modell lehnt sich gedanklich an die vertikale Separierung natürlicher Monopole bei Netzinfrastrukturen (z.B. Swissgrid) an.

Die Wertschöpfungsstufe mit potenziellem Marktversagen – in diesem Fall die Produktion vielfältiger Inhalte – wird organisatorisch von marktlichen Leistungen separiert. Der Vertrieb der Inhalte über Internetplattformen gilt als marktfähig. Schliesslich besteht hier weder ein meritorisches Motiv, noch ein natürliches Monopol: Plattformen zur Verbreitung der Inhalte werden von konkurrierenden Medien, aber auch von Dritten wie Suchmaschinen oder Telekomunternehmen, betrieben. Mit dem Modell gehen drei wesentliche Vorteile einher:

  • Wettbewerbsneutralität: Weil die SRG keine Endkunden-Plattform betreibt, konkurriert sie weder um Nutzer noch um Werbeerträge. Der Fokus auf die Inhaltsproduktion minimiert zudem die Gefahr von wettbewerbsverzerrenden Quersubventionen. Auch hat die SRG keine Anreize, private Akteure zu diskriminieren, indem sie ihnen Inhalte vorenthält oder zu besonders hohen Preisen abgibt. Weil die Inhalte ohnehin gratis zur Verfügung gestellt werden, können sämtliche privaten Plattformen – auch solche mit geringer Reichweite – von den Vorleistungen profitieren.
  • Fokus auf Eigenproduktionen: Bisher füllt die SRG einen wesentlichen Teil der Sendezeit mit (günstig) eingekauften kommerziellen Inhalten (Filme, Serien). Durch die Konvergenz und das veränderte Nutzerverhalten nimmt die Relevanz des linearen Medienkonsums ab (Ausnahme v.a. Live Sport). Durch den Verzicht auf den eigenen Vertriebskanal werden Mittel freigesetzt, die der stärkeren Fokussierung auf Eigenproduktionen nützen. Solche Inhalte mit lokalem/nationalem Bezug, die tatsächlich zur Meinungsvielfalt beitragen, würden in einem Markt (etwa aufgrund mangelnder Skaleneffekte) nicht produziert.
  • Vereinfachung der Medienförderung: Die Zur-Verfügung-Stellung der medialen Inhalte stellt eine indirekte Förderung der privaten Medien dar. Sie können die Inhalte der SRG gratis übernehmen und – je nach Geschäftsmodell – mit eigenen Beiträgen anreichern und differenzieren. Dies trägt zur Vielfalt des Medienangebots bei und fördert indirekt die Produktion von lokal-regionalen Inhalten. Zudem sollen mit der Einführung des Public Content Providers alle bisherigen Fördermodelle abgeschafft werden.

Man könnte einwenden, dass das Modell die Gefahr birgt, dass die SRG-Inhalte gar nicht den Weg zum Publikum finden, da private Plattformen nicht gezwungen sind, sie zu verbreiten. Ein solches Gleichgewicht ist in einem offenen Markt jedoch nicht zu erwarten. Weil die Verwendung von SRG-Inhalten keine Grenzkosten verursacht, findet sich in jedem Fall eine Plattform, die ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterverbreitung hat. Dazu gehören besonders jene Plattformen, die weniger auf die Maximierung von Nutzererträgen, sondern auf die Anzahl Nutzer fokussieren. Selbst Nischenprodukte bei Kultur oder wenig populären Sportarten würden Verwendung finden. Ohnehin gibt es Evidenz dafür, dass sich im Internet auch Nischenprodukte aufgrund der tiefen Vertriebskosten gewinnbringend vermarkten lassen («The Long Tail»).

Minimierung subventionsbedingter Wettbewerbsverzerrungen

Grössere Berechtigung hat der Einwand, dass das Modell weiterhin von einem monopolistischen Service-public-Anbieter ausgeht. Positive Effekte, die von einem wettbewerblichen Rahmen ausgehen könnten (Qualität, Effizienz), bleiben dadurch ungenutzt. Das Modell trägt jedoch der Tatsache Rechnung, dass Ausschreibungen bei medialen Inhalten aufwändig und wenig effektiv sind.

Auch wäre ein «künstlicher» Wettbewerb mit einer zweiten subventionierten Organisation (wie etwa in Deutschland mit der ARD und dem ZDF) wenig effektiv: Erstens wäre die Konkurrenz zwischen nur zwei Anbietern gering, zweitens würde die Aufteilung die Nutzung von Skaleneffekten behindern – was im kleinen Schweizer Markt bedeutend ist. Das Modell des Public Content Providers ist daher eine zweitbeste Lösung: Es minimiert subventionsbedingte Wettbewerbsverzerrungen, indem es weder Werbe- noch Nutzererlöse generiert, und daher keine direkte Konkurrenz zu den privaten Medien darstellt. Ausserdem sind seine Leistungen komplementär und können dadurch zur Medienvielfalt beitragen.

Weitergehende Informationen finden Sie im Diskussionspapier «Medienförderung im digitalen Zeitalter».