Die Kernkraft ist keine Bedrohung, sondern eine Chance im Kampf gegen den Klimawandel: So lautet die Hauptbotschaft des Films «Pandora’s promise» von Regisseur Robert Stone, zu dessen Vorführung Avenir-Suisse kürzlich ins Zürcher Kino Riffraff bat. Knapp 150 Personen folgten der Einladung. Im Anschluss an die Filmvorführung wollte der Avenir-Suisse-Energieexperte Urs Meister von den beiden Nationalräten Christian Wasserfallen (FDP) und Bastien Girod (Grüne) wissen, welche Erkenntnisse aus dem Film für die schweizerische Energiepolitik relevant sind.

Überstürzter Atomausstieg?

«Pandora’s promise» will Vorurteile gegenüber der Kernkraft widerlegen: Diese sei sauber (vor allem im Vergleich mit Kohle), dank neuer Technologie sicherer – wobei die Bedrohung ohnehin überschätzt würde -, und sogar für das bisherige Problem der Atommülllagerung sei eine Lösung in Sicht. Statt Fässer für die nächsten zehntausend Jahre in Berge einzumauern oder mit zig Tonnen Beton umhüllt im Meer zu versenken, könnte der Atommüll von den künftigen, effizienteren und sicheren Kraftwerksgenerationen als Brennstoff weiterverwendet werden. War der überstürzte Atomausstieg unter dem Eindruck des Atomunfalls in Fukushima – der vor allem die Folge einer Tsunamikatastrophe war – voreilig? Vergibt die Schweiz mit dem Verzicht auf Atomstrom eine grosse Chance?

Vergibt die Schweiz mit dem Verzicht auf Atomstrom eine grosse Chance? von links: Christian Wasserfallen (FDP), Urs Meister (Avenir Suisse) und Bastien Girod (Grüne) im Gespräch.

Christian Wasserfallen (FDP), Urs Meister (Avenir Suisse) und Bastien Girod (Grüne, von links) im Gespräch.

Keine Gesundstrahlung

Der Film ändere nichts an der Energiefrage, hielt Bastien Girod dagegen. Er sei ein Propagandafilm, der die Folgen der Strahlung verharmlose. Der Atomausstieg sei nicht nur ein politischer, sondern vor allem auch ein wirtschaftlich begründeter Entscheid. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit sei Atomstrom heute sehr teuer, während die Produktionskosten für alternative Energien wie die Photovoltaik oder Wind dank einer steilen Lernkurve deutlich gesunken seien. Atomkraftwerke der neusten Generation seien zwar tatsächlich rund zehnmal sicherer als Mühleberg oder andere AKW’s aus den 1970er und 1980er-Jahren. Aber: Atomstrom sei heute schlichtweg unrentabel, neue AKW’s weder finanzier- noch versicherbar. Wenig Sinn ergebe allerdings auch die Schweizer Strategie, aus Sicherheitsgründen zwar den Atomausstieg zu verkünden, jedoch die alten (unsichereren) AKW’s weiter zu betreiben. Konsequenterweise müssten diese so schnell wie möglich durch alternative Energieformen ersetzt werden.

Subventionen statt CO2-Steuer

Wäre es dann nicht an der Zeit, die Photovoltaik und die Windenergie aus den Kinderschuhen zu entlassen, sprich nicht weiter zu subventionieren, fragte Urs Meister, zumal an windigen und sonnigen Tagen der Markt regelrecht mit Wind- und Sonnenenergie überflutet werde?

Wasserfallen und Girod waren sich nicht einig darüber, ob eine CO2-Steuer das bessere Förderinstrument wäre – und ob ein genug hoher CO2-Preis den derzeitigen Kohlekraftwerkboom in Deutschland hätte verhindern können. Wasserfallen forderte vielmehr eine Einigung über Kapazitätsmärkte innerhalb der EU und bei der bestehenden CO2-Abgabe sei das gut funktionierende EnAW-System mit Zielvereinbarung und Befreiungsmöglichkeit für alle Unternehmen und Hauseigentümer einzuführen. Aber die Politiker befänden sich weltweit im Dilemma, so Girod. Weil Steuern sehr viel schwieriger zu verkaufen seien als Subventionen, habe man halt pragmatisch auf letztere gesetzt. «Um eine neue Technologie an den Markt zu bringen, braucht es staatliche Unterstützung.»

Gegen Denkverbote

Christian Wasserfallen hingegen ist kein Freund einer staatlichen Förderindustrie. Die derzeitige Energiestrategie Europas und der Schweiz mit Förderung und Verboten für bestimmte Energieformen gehe für ihn in die falsche Richtung. Politiker müssten nicht die Technologien im Detail verstehen, sondern vor allem die Grössenordnung kennen. Wasserfallen erinnerte daran, dass das AKW Mühleberg – wo der Entscheid zur Abschaltung im Übrigen wirtschaftlich gut begründet und richtig sei – rund 740 Windkraftwerken entspreche, aber bisher auf dem Mont Croisin lediglich ca. deren 16 stünden.

Er wisse nicht, welche Technologie zur Stromproduktion in 20 oder 30 Jahren die beste sein werde, und wolle auch keine Prognose über den Strommix der Zukunft abgeben. «Aber gerade deshalb ist es falsch, eine bestimmte Technologie zu verbieten, also quasi ein politisches Denkverbot über die Atomenergie zu verhängen. Es braucht echt langfristig verlässliche Rahmenbedingungen.» Genauso falsch sei es auch, eine bestimmte Technologie zu fördern – wie der Blick nach Deutschland eindrücklich beweise. Deutschland, das den Atomausstieg noch vor der Schweiz beschlossen hat und alternative Energien massiv subventioniert, ersetzt Atomstrom zunehmend durch günstige Kohlekraftwerke – das Nachsehen hat das Klima. Den Entscheid über die zukünftig beste Technologie solle man dem Markt überlassen und jenen, die auch tatsächlich in diese Anlagen und Technologien investierten, also nicht dem Bund.