Das Gaspipeline-Projekt TAP, an dem auch die Axpo beteiligt ist, soll künftig Erdgas aus Aserbeidschan nach Europa transportieren. Zwar ist der Nutzen für die schweizerische Energieversorgungssicherheit sehr beschränkt, doch könnten Gas- und Stromverbraucher in der Schweiz womöglich längerfristig von tieferen Preisen profitieren – jedenfalls in einem freien Markt.EU-Quarterly Report Gaspreise

Die «Trans-Adriatic Pipeline (TAP)» soll künftig Gas aus dem Offshore-Feld Shah-Deniz-2 vor Aserbeidschan nach Europa transportieren. Die TAP verbindet dabei die Türkei über Griechenland und Albanien mit Italien. Der Transport durch die Türkei, die zu einer Art Erdgas-Handelsdrehscheibe werden möchte, wird über die «Trans Anatolian Pipeline (TANAP)» erfolgen, jener Verbindung durch Aserbeidschan und Georgien bis zur türkischen Grenze über die Südkaukasus-Pipeline (Baku-Tiflis-Erzurum, BTE), deren Kapazität ausgebaut werden kann. Mit der Etablierung dieses südlichen Gaskorridors werden die europäischen Importkapazitäten in einer ersten Phase um rund 10 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr steigen. Der damit verbundene Beitrag zur gesamteuropäischen Gasversorgungssicherheit hält sich jedoch in engen Grenzen – schliesslich lag der Verbrauch in der EU im Jahr 2012 bei 444 Mrd. m3. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit muss die TAP als eine Art Baustein in einem grösseren Kontext gesehen werden – etwa in Kombination mit anderen Pipeline- und Erdgasspeicherprojekten sowie einem weiteren Ausbau von LNG-Importkapazitäten.

Von höherer Versorgungssicherheit in Italien profitieren

Von grosser Bedeutung ist die TAP für Italien, wo die Pipeline endet, denn sie könnte rund einen Siebtel des dortigen Verbrauchs decken. Die Vermutung liegt daher nahe, dass auch die Schweiz von einer höheren Versorgungssicherheit in Italien indirekt profitieren kann. Bisher war die Schweiz für die italienische Versorgungssicherheit besonders relevant, das sie – wie auch beim Strom – ein wichtiges Transitland für italienische Erdgas-Importe ist. Über die schweizerische Transitgas-Leitung, die im Norden an die Trans-Europa-Naturalgas-Pipeline (TENP) angeschlossen ist, deckte Italien bisher rund einen Fünftel seines Gasbedarfs, also rund 15 Mrd. m3. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung ist die Transitgas-Leitung ihrerseits ein Versorgungsrisiko für Italien. Beispielsweise musste die Pipeline, deren Durchmesser zwischen 90 und 120 Zentimeter beträgt, im Jahr 2010 wegen Erdrutschen im Berner Oberland während mehrerer Monate ausser Betrieb genommen werden. Die neuen Kapazitäten der TAP könnten einen Unterbruch der TENP oder Transitgas nicht vollständig kompensieren, doch dürften sie in Kombination mit Gaslagern und anderen Importmöglichkeiten zusätzliche Versorgungsstabilität für den italienischen Gasmarkt schaffen.

Auch für die Schweiz besteht ein analoges Versorgungsrisiko, die bis dato rund 80% der Importe über die Transitgas-Leitung abwickelt. Ein Unterbruch im nördlichen Pipeline-Abschnitt würde nicht nur die italienische, sondern auch die schweizerische Gasversorgungssicherheit beeinträchtigen. Mittelfristig wird mit der TAP – so ist es jedenfalls vorgesehen – auch ein Süd-Nord-Gasfluss über die Transitgas-Leitung möglich werden (Reverse-Flow). Damit könnte die Schweiz auch über Italien mit Gas versorgt werden. Ob das in Krisensituationen tatsächlich stattfinden würde, hängt aber von der jeweiligen Versorgungssituation in Italien ab, etwa dem saisonalen Bedarf oder der Füllung der Gasspeicher. Ganz grundsätzlich stellt sich zudem die Frage, ob die Schweiz ohne bilaterales Energieabkommen mit der EU in allfällige europäische Krisenmechanismen integriert würde, was vor allem bei der Mitbenutzung von Gasspeichern relevant ist. Heute verfügt die Schweiz über keine solchen strategischen Speicher.

Niedrigere Preise für Gas und Strom

Doch Pipeline-Investitionen werden nicht nur wegen der Versorgungssicherheit, sondern auch – oder vor allem – aufgrund von ökonomischen Gesichtspunkten getätigt. Hier hat die TAP vermutlich einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem um das Gas aus Aserbeidschan konkurrierenden Nabucco-Pipeline-Projekt. Schliesslich gilt Italien noch immer als eine Art Gashochpreisinsel in Europa (vgl. Abbildung) – auch wenn die Preisdifferenzen in den vergangenen Jahren eher abnahmen. Daneben könnte die TAP für die Belieferung von weiteren Märkten in Südosteuropa interessant sein.

Nabucco West dagegen hätte ihren Endpunkt im niederösterreichischen Hub Baumgarten gehabt, wo das Erdgas – jedenfalls bisher – zu tieferen Preisen gehandelt wird. Die bedeutenden zusätzlichen Importkapazitäten dürften den italienischen Erdgas-Markt liquider und wettbewerblicher machen – Davon könnten auch Schweizer Verbraucher profitieren: Tiefere Preise im Erdgas-Grosshandel sind längerfristig möglich, was sich wiederum in tieferen Strom-Grosshandelspreisen niederschlagen würde, da diese meist durch Gaskraftwerke bestimmt werden. Im Stromgrosshandel übernimmt der kleine Schweizer Markt im Sommer üblicherweise die tieferen deutschen und im Winter die etwas höheren italienischen Preise. Sinkende italienische Preise würden also auch das Schweizer Preisniveau etwas senken – zur Freude von Verbrauchern, die dann, wenn die TAP einmal gebaut sein sollte, auch tatsächlich im freien Strommarkt partizipieren können.

Für Schweizer Stromproduzenten dagegen sind dies nicht unbedingt gute Nachrichten (von künftigen Gaskraftwerkbetreibern einmal abgesehen). Bleibt noch die Frage, ob auch Gasverbraucher von niedrigeren Preisen profitieren würden. Das ist schwer zu sagen, denn der Schweizer Erdgas-Markt ist nach wie vor nicht liberalisiert. Tendenziell aber könnte der Effekt ähnlich wie im Strommarkt sein. Hätte die Schweiz einen eigenen Gas-Handelshub, würden die Preise vermutlich ähnlich wie im Strommarkt je nach Saison zwischen dem nördlichen und südlichen Niveau schwanken und tiefere Preise im Süden würden auch die Durchschnittspreise im Inland senken.

Schliesslich stellt sich noch die Frage, ob der Schweizer Steuerzahler vom TAP-Projekt profitieren kann. Immerhin ist die Axpo ein öffentliches Unternehmen. Ob das Projekt tatsächlich rentiert, lässt sich schwer abschätzen. Viele Prognosen gehen davon aus, dass längerfristig Gas eine zunehmend wichtige Rolle in der europäischen Energie- und vor allem Stromversorgung spielen wird. Bei abnehmenden europäischen Reserven dürften die Gasimporte zunehmen – und mit ihnen der Wert von Pipelinekapazitäten. Doch die Unsicherheiten sind gross:

  • Derzeit sinkt der Gasverbrauch in Europa, weil sich Gaskraftwerke aufgrund der tiefen Kohlepreise, der günstigen CO2-Zertifikate und der Förderung erneuerbarer Energien kaum mehr wirtschaftlich betreiben lassen.
  • Unsicher ist auch das Ausmass der künftigen innereuropäischen Gasförderung, vor allem im Hinblick auf unkonventionelle Ressourcen.
  • Daneben spielen regionale Effekte eine Rolle: Wie entwickelt sich die italienische Wirtschaft, die Industrieproduktion und damit der Strom- und Gasbedarf?
  • Und schliesslich wird mit der neuen South Stream Pipeline von Russland nach Italien zusätzlicher Wettbewerb entstehen.

Die Axpo kann das unternehmerische Risiko des Projekts in Grenzen halten, etwa wenn sie nach der erfolgreichen Projektentwicklung das Engagement bei den eigentlichen Pipeline-Investitionen in Grenzen hält.