Dank Bitcoin und Co. rücken digitales Geld und Krypto-Währungen zunehmend ins öffentliche Interesse. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Bargeld ab. Diese Entwicklungen setzen die Schweizer Geldpolitik von zwei Seiten unter Druck.

Die einen sehen den Franken durch den Aufstieg der Krypto-Währungen bedroht. Die neue «Konkurrenz» würde das Schweizer Zahlungsmittel bald überflüssig machen, weshalb die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen eigenen Krypto-Franken auf den Markt bringen sollte. Die anderen stören sich an der Tatsache, dass Private kein elektronisches Zentralbankgeld halten können. Wenn die SNB selbst Konten für das Publikum anbieten würde, wäre aus dieser Sicht nicht nur ein Dienst an der Gesellschaft getan, sondern auch gleich der Vollgeldinitiative der Wind aus den Segeln genommen. Deren Promotoren stören sich daran, dass Sichteinlagen bei Geschäftsbanken nicht direkt «SNB-Franken» enthalten.

Fraglicher Nutzen

Bei näherer Betrachtung ist der Nutzen eines digitalen SNB-Frankens allerdings fraglich. Erstens verkennen dessen Anhänger das Wesen von Bitcoin und Co. Ähnlich wie Zentralbankgeld haben diese keinen inneren Wert, sondern leben von der Erwartung, dass sie in Zukunft gegen Güter getauscht werden können. Sie bieten damit eine Absicherung gegen den Missbrauch von Zentralbanken. Diese Erwartung ist dann aber die einzige Ähnlichkeit zu gebräuchlichen Zentralbankgeld. Gegenwärtig dienen Krypto-Währungen primär als faktisch hochspekulative Anlage – mit entsprechend hoher Volatilität und wenig Relevanz für den Austausch von Waren und Dienstleistungen – und haben deshalb keine Geldfunktion.

Selbst wenn der Wert der Krypto-Währungen stabil wäre, könnten diese dem Schweizer Franken aber nicht den Rang ablaufen. In stabilen Ländern verfügen existierende Währungen über enorme Netzwerkeffekte. Weil der Wert der Währung davon abhängt, wie viele potenzielle Zahlungspartner diese nutzen, führt der Netzwerk-Druck dazu, dass man sich innerhalb einer Volkswirtschaft auf ein dominantes Zahlungsmittel einigt, um die Transaktionskosten niedrig zu halten. Weil die Staatsquote in westlichen Ländern deutlich mehr als einen Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht, setzt der öffentliche Sektor einen entscheidenden Anker. Für die Frage, welche Währung sich durchsetzt, ist relevant, welche der Staat selber nutzt oder zur Zahlung der Steuern akzeptiert. Ausnahmen sind nur bei grossen Verwerfungen, beispielsweise bei Hyperinflationen, zu beobachten.

Ein Krypto-Franken drängt sich für die Schweiz nicht auf. (Avenir Suisse)

Der Franken wird also in nächster Zukunft nicht durch Bitcoin und Co ersetzt werden, doch warum sollte die SNB nicht trotzdem einen eigenen E- oder Krypto-Franken schaffen? Immerhin haben einige Zentralbanken (wie z.B. Schweden mit der e-krona) bereits solche Projekte lanciert. Diese scheinen allerdings eher mit der Verdrängung von Bargeld motiviert denn durch geldpolitische Notwendigkeit.

Keine geldpolitische Notwendigkeit

Erstens wird die Nachfrage nach Digitalgeld genügend durch den Privatsektor gedeckt, man denke an bekannte Formen wie Kontokorrente oder Innovationen, die das bargeldlose Zahlen via Handy erlauben. Die Innovationstätigkeit auf diesem Gebiet ist hoch. In einem Land mit funktionierendem Finanzsektor gibt es keine geldpolitische Notwendigkeit, digitales Notenbankgeld durch die Zentralbank anzubieten.

Zweitens stünde es den Geschäftsbanken frei, Konten mit voller Deckung durch Zentralbankgeld (also mit einer Art «E-Franken») anzubieten. Während die Vollgeldinitiative diese Form zum einzigen legalen Standard erheben möchte, kann aus dem Fehlen eines solchen Angebots geschlossen werden, dass keine genügende Nachfrage für solche Konten existiert. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass die Kosten für den Endkunden relativ zum Risikoschutz zu hoch wären. Ausserdem sind die Risiken durch die Einlagensicherung und expliziten oder impliziten Staatsgarantien bereits zu einem beträchtlichen Teil gedeckt. Ein teurer Infrastrukturausbau durch die SNB ist darum nicht sinnvoll.

Schliesslich beisst sich die dezentrale Konzeption der Krypto-Währungen mit dem Wesen einer «Zentral»-Bank. Das Vertrauen in die Krypto-Währungen basiert auf der Idee, dass sie nicht unbegrenzt vermehrt werden können, und darauf, dass Transaktionen auf mehreren unabhängigen Rechnern protokolliert werden, um Missbrauch zu verhindern. Eine Zentralbank will hingegen die Geldmenge zentral kontrollieren.

Ausreichendes Instrumentarium

Die Nationalbank verfügt auch in der Zeit von Krypto-Währungen über das ausreichende Instrumentarium, um ihre Geldpolitik umzusetzen. Einen digitalen SNB-Franken braucht es hierfür nicht. Die Krypto-Währungen haben – im Gegensatz zur Technologie des Blockchain – nur limitiertes Potenzial. Und schliesslich wäre es schon fragwürdig, wenn die Schweiz mit ihrem starken Finanzsektor nur dank der SNB zum Hub für Blockchain-Anwendungen gemacht werden könnte.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel «Die Schweiz braucht keinen Krypto-Franken» in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 17. Februar 2018 erschienen.