Die Krise ist weiblich. Dieses oder ähnliches ist seit Beginn der Covid-19 Pandemie immer wieder zu hören: Anders als in früheren Rezessionen sei die Erwerbstätigkeit der Frauen stärker von der Krise getroffen als jene der Männer, und das sei ein Rückschlag für die Gleichstellung der Geschlechter.

Gemäss einer IMF-Studie sank die Erwerbstätigkeit der Frauen tatsächlich in rund zwei Drittel der 38 untersuchten Länder während der ersten Welle stärker als jene der Männer. Auch hierzulande kam es zu einer leichten «She-cession» (abgeleitet vom englischen Wort «recession»): Im zweiten Quartal 2020 sank die Erwerbstätigenquote der Frauen im Vergleich zur durchschnittlichen Quote von 2019 um rund 0,5% stärker als bei den Männern.

Als Ursachen für die «She-cession» werden in der Literatur vor allem folgende Faktoren diskutiert: Erstens ist der Beschäftigungsanteil von Frauen in kontaktintensiven Branchen oft höher. Auch in der Schweiz ist der Frauenanteil in der Gastronomie, im Handel sowie in der Kunst-, Erholungs- und Unterhaltungsbranche hoch – also in Bereichen, die stark unter dem Lockdown litten.

Zweitens übernehmen Frauen tendenziell einen grösseren Teil der Kinderbetreuung, wenn die Schulen oder Betreuungsangebote geschlossen sind. Wie eine Befragung im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann zeigt, reduzierten im Mai 2020 37% der Mütter, aber nur 25% der Väter (mit Kindern unter 16 Jahren) ihre beruflichen Arbeitskapazitäten.

Gesamthaft nur geringe Unterschiede

Und nun die gute Nachricht: Die Erwerbstätigenquote der Frauen erholte sich im Sommer und Herbst schneller als jene der Männer – die «She-cession» war also von kurzer Dauer. Zudem lag die Arbeitslosenquote der Frauen 2020 stehts unter jener der Männer. Die Pandemie hat jedoch nicht nur einen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit, sondern vor allem auf das Arbeitsvolumen: Die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden nahm zwischen 2019 und 2020 bei den Frauen (-3,8%) nahezu gleich stark ab wie bei den Männern (-3,7%).

Gesamthaft gesehen waren die geschlechterspezifischen Auswirkungen am Arbeitsmarkt in der Schweiz bisher nur gering. Ob die Unterschiede in der längeren Frist zunehmen, wird sich zeigen. Unabhängig davon kann die Gleichstellung am Arbeitsmarkt nur mit den richtigen Rahmenbedingungen vorangetrieben werden: Neben der Einführung der Individualbesteuerung ist auch die Verfügbarkeit von Betreuungsmöglichkeiten entscheidend für eine höhere Erwerbstätigkeit der Frauen. Gerade letzteres haben uns die Schulschliessungen vor Augen geführt.

In der Sommerreihe «Corona in Zahlen» beleuchten die jüngeren Forscherinnen und Forscher von Avenir Suisse die Folgen der Pandemie für unterschiedlichste Bereiche unserer Gesellschaft: die Staatsausgaben, den Aussenhandel, Verkehrsfragen, die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, die Gleichstellung – und vieles mehr.