Ostern bedeutet Stress. Nein, nicht nur im Verkehr, sondern auch im Stall: Hühner und Kühe sind im Produktionsmarathon, denn Eier sowie die Grundlagen für Butter und Schokolade wollen bereitgestellt werden, das Lamm fürchtet um sein Leben, und der Osterhase muss alles rechtzeitig ausliefern. So dichtete bereits vor über 100 Jahren Wilhelm Busch: «Es ist das Osterfest alljährlich für den Hasen recht beschwerlich.»

Die Produktion Schweizer Schokolade boomt. In den letzten zehn Jahren konnten die Exporte um 30% auf knapp 132’000 Tonnen gesteigert werden. Dabei zeigt sich klar, dass im zweiten Halbjahr – gegeben die Vorlaufzeiten des Einkaufs im Handel – deutlich mehr ausgeführt werden kann als im ersten. Nicht nur Ostern, sondern auch Weihnachten erweisen sich als wichtige Umsatzträger. Auch bei den Eiern werden neue Rekordwerte geknackt: Letztes Jahr wurden in der Schweiz knapp eine Milliarde Eier gelegt, der Pro-Kopf-Konsum ist auf 181 Eier gestiegen, viele davon dürften während der Osterzeit verzehrt worden sein. – Zu Ostern also nur Friede, Freude, Eiersuchen?

Wenn da nur nicht die ökonomische Brille wäre! Des einen Ökonomen-Herz jubelt ob der genannten Leistungszahlen, denkt allenfalls an eine weitere Optimierung der Prozessketten, an ein Pooling des Einkaufs und an «lean manufacturing». Des anderen Ökonomen-Herz schaut auf makroökonomische Zusammenhänge, studiert statistische Tabellen und kratzt sich am Kopf: Können wir uns Ostern überhaupt leisten?

Schön und teuer: Fabergé-Ei «Peter der Grosse», hergestellt für den letzten Zaren Russlands, Nikolaus II. (Wikimedia Commons)

Da sind zunächst einmal die Feiertage: Karfreitag ist in den meisten Kantonen frei, der Ostermontag fällt in der ganzen Schweiz flach. Das Mehr an Freizeit schlägt sich zunächst in einer niedrigeren Wertschöpfung nieder: Zwei arbeitsfreie Tage lassen das Bruttoinlandprodukt um rund 4 Mrd. Fr. tiefer ausfallen.

Doch wie wird die geschenkte Zeit verbracht? – Viele zieht es an die gleichen Orte, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Verkehrsmeldungen. Die Staus sind um die Ostertage traditionell am längsten. Ökonomisch betrachtet liegen die Staukosten – sie umfassen nicht nur die Zeitkosten, sondern auch Umwelt- und Unfallkosten sowie die zusätzlichen Ausgaben für Treibstoffe – um die Ostertage am höchsten. Der TCS prognostiziert jeweils für sechs aufeinanderfolgende Tage eine hohe oder sehr hohe Verkehrsdichte, das Stauaufkommen ist während dieser Zeit mehr als doppelt so hoch als an einem durchschnittlichen Wochentag. Basierend auf den jährlichen Staukosten – jeweils errechnet durch das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) – können die volkswirtschaftlichen «Verluste» über die Ostertage auf rund 65 Mio. Fr. geschätzt werden.

Auch kulinarisch sind Ostern kostspielig. Dabei geht es nicht um die Betrachtung der individuellen Haushaltsausgaben, sondern um die Subventionstöpfe der Schweizer Agrarpolitik, die in der Staatsbuchhaltung unter «Transferleistungen» verklausuliert aufgeführt werden. Alleine die Marketing- und Kommunikationsmassnahmen für die Absatzförderung von Milch, Butter und Eier kosten den Steuerzahler jährlich rund 10 Mio. Fr. Man mag sich an den schönen Sujets einer heilen Landwirtschaft erfreuen, doch die entsprechenden Plakate werden erstens von uns allen mitbezahlt und wiederspiegeln zweitens nur ausnahmsweise die grösstenteils stark industrialisierte Nahrungsmittelproduktion.

Die Imagekampagnen für den Sektor werden zusätzlich über weitere Subventionstöpfe des Bundes finanziert. So wird die Bekanntmachung sogenannt gemeinwirtschaftlicher Leistungen der Schweizer Landwirtschaft durch die Steuerzahlenden mit 2,6 Mio. Fr. pro Jahr unterstützt. Während es ökonomisch unbestritten ist, dass von den Bauern entsprechende Leistungen erbracht werden, ist es fragwürdig, wenn Kampagnen dazu ebenfalls mit öffentlichen Geldern subventioniert werden. Konsequenterweise müsste man auch die Umweltkosten der Landwirtschaft breiter thematisieren. Avenir Suisse schätzte in einer Studie – die nicht mit staatlichen Geldern finanziert wurde – diese Kosten auf jährlich 7,3 Mrd. Fr.

Ausgerechnet beim Schweizer Vorzeigeprodukt Schokolade liegt im Export einiges im Argen. Die jahrelange Praxis des Schoggigesetzes – es schuf an der Grenze ein Preisausgleichssystem für verarbeitete Agrarprodukte (Verteuerung Importe, Verbilligung Exporte) – muss gemäss Richtlinien der Welthandelsorganisation abgeschafft werden. Dank juristischer Tricks scheint die Nachfolgelösung WTO-kompatibel zu sein, wird aber die Steuerzahlenden voraussichtlich ebenfalls mit rund 100 Mio. Fr. pro Jahr belasten.

Die Beispiele könnten dazu animieren, an den Feiertagen weiterzuarbeiten, wenn möglich sogar gegen die Auswüchse der Agrarpolitik vorzugehen. So freudlos sind aber nicht einmal Ökonomen – obwohl sie entsprechende Berechnungen anstellen können. Um es mit Luther zu sagen: «Wer den ‹stillen Freitag› und den Ostertag nicht hat, der hat keinen guten Tag im Jahr.» Körper und Geist brauchen Phasen der Erholung. Wer nicht in die Ferne schweifen will, kann sich an einem Bahnhof der Wahl auch auf eine Bank setzen, die Plakate der Milch-, Butter- und Eierproduzenten betrachten und die Gedanken schweifen lassen. In diesem Sinne: Carpe diem!